Das Erfreuliche vorweg: Der Bundesrat hat entschieden, zur Rasa-Initiative einen direkten Gegenentwurf vorzulegen. Ungut ist allerdings die Tatsache, dass der Entwurf noch nicht vorliegt. Der Bundesrat will noch zuwarten, wodurch sich die Rechtsunsicherheit verlängert.
Die Rasa-Initiative ist im Oktober 2015 eingereicht worden. Sie will «raus aus der Sackgase», will heissen, der Artikel 121a der Bundesverfassung, also die Masseneinwanderungsinitiative, soll ersatzlos gestrichen werden. Der Bundesrat lehnt Rasa ab. Es sei demokratiepolitisch problematisch, «ein Abstimmungsergebnis nach so kurzer Zeit rückgängig zu machen». Diese Argumentation hat zweifellos vieles für sich, auch wenn sie rein rechtlich nicht zwingend ist. Zudem würde eine allfällige Ablehnung von Rasa den Artikel 121a in der Verfassung zementieren.
Viel zu spät
Die Erkenntnis des Bundesrats, dass die Masseneinwanderungsinitiative, die das Abkommen über die Personenfreizügigkeit verletzt, nicht konform mit den bilateralen Verträgen mit der EU umgesetzt werden kann, ist richtig. Brüssel hatte stets klargemacht, dass eine Neuverhandlung der Personenfreizügigkeit kein Thema sein kann. Die Konsequenzen daraus allerdings hat die Regierung viel zu spät gezogen. Der Gegenentwurf zu Rasa hätte gleich nach ihrer Einreichung angekündigt und ausgearbeitet werden können. Stattdessen wurde enorm viel Zeit vertrödelt, ohne dass man in der Umsetzung von Art. 121a ernsthaft vorwärtsgekommen wäre.
Ein Gegenentwurf soll die Steuerung der Zuwanderung ermöglichen, ohne aber die verpönten Instrumente wie Kontingente, Höchstzahlen oder einen effektiven Inländervorrang einzusetzen. Es liegen etliche Vorschläge vor, wie das genau aussehen könnte. Wird ein praktikabler Entwurf vorgelegt, der die bilateralen Verträge mit der EU nicht gefährdet, dürfte die Rasa-Initiative zurückgezogen werden.
Abstimmung so bald wie möglich
Es ist nun aber nicht so, dass die Regierung plötzlich von einem Anfall politischen Mutes erfasst worden wäre. Sie hat sich inhaltlich noch nicht festgelegt, sie will mit der Vorlage des konkreten Gegenentwurfs zuwarten, bis das Parlament über den zur Debatte stehenden «Inländervorrang light», mit dem Artikel 121a umgesetzt werden soll, entschieden hat. Das ist unverständlich, zumal die Debatte noch dauern kann. Es ist keineswegs sicher, ob der Ständerat der Grossen Kammer folgt. Zudem stellt der Vorschlag einen flagranten Bruch der Verfassung dar: Die Masseneinwanderungsinitiative würde nicht einmal im Ansatz umgesetzt.
Der Bundesrat hat sich die ungemütliche Situation selbst zuzuschreiben. Der Gegenvorschlag hätte spätestens jetzt präsentiert werden müssen – Zeit für seine Ausarbeitung hätte der Bundesrat mehr als genug gehabt. Im Gegenzug wäre die Behandlung des «Inländervorrang light» zu sistieren und die Abstimmung über den Gegenvorschlag so rasch wie möglich anzusetzen. Damit könnten die bilateralen Verträge mit der EU gesichert werden.
Für die unmittelbare Umsetzung von Art. 121a ab dem Februar 2017 wäre eine Verordnung zu erlassen – diese Möglichkeit hat der Bundesrat. So aber wird im schlimmeren Fall ein Gesetz festgeschrieben, das der Verfassung krass widerspricht. Zudem ist derzeit völlig unklar, ob die EU darin nicht doch eine Verletzung der Personenfreizügigkeit sieht. Das ist eine unerträgliche Situation.
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Mutloser Bundesrat
Das Volk soll noch einmal über die Masseneinwanderung abstimmen können, aber bis dahin verstreicht zu viel Zeit. Ein Kommentar von FuW-Redaktor Peter Morf.