Nicht alles ist geheim
Fühlt sich ein Aktionär nach der Fusion zweier Unternehmen benachteiligt und klagt er gegen die fusionierte Gesellschaft auf eine Ausgleichszahlung, hat er ein Anrecht darauf, das im Vorfeld der Fusion erstellte Bewertungsgutachten einzusehen.
Fühlt sich ein Aktionär nach der Fusion zweier Unternehmen benachteiligt und klagt er gegen die fusionierte Gesellschaft auf eine Ausgleichszahlung, hat er ein Anrecht darauf, das im Vorfeld der Fusion erstellte Bewertungsgutachten einzusehen. Dies gilt gemäss einem Urteil des Bundesgerichts, wenn sich die herausgabepflichtige Partei nicht auf Geheimhaltungsinteressen beruft. - Im Dezember 2005 übernahm die Lenzerheide Bergbahnen Danis Stätz (LBDS) die Rothornbahn und Scalottas Lenzerheide (Rothornbahn) durch Absorptionsfusion. Die fusionierte Gesellschaft heisst Lenzerheide Bergbahnen AG (LBA). Aufgrund der im Vorfeld durchgeführten Bewertung der einzelnen Bergbahnen erhielten die Aktionäre neue Titel der LBA. - Ein Aktionär, der 980 Papiere der LBDS besass und heute über 4900 LBA-Valoren verfügt, konnte sich mit den Fusionsbedingungen nicht einverstanden erklären. Er klagte beim Kreispräsidenten Alvaschein, verlangte eine vom Gericht festzulegende Ausgleichszahlung und bezifferte sie auf 29400 Fr. Da man sich nicht einigen konnte, klagte der Aktionär beim Bezirksgericht Albula. Dort argumentierte er, das Umtauschverhältnis von 1 zu 5 sei zulasten der (Alt-)Aktionäre der ehemaligen LBDS erfolgt und sei unangemessen gewesen. Die LBDS als übernehmende Gesellschaft sei mit Blick auf die Fusion gezielt erheblich unter- und die Rothornbahn als zu übernehmende Gesellschaft extrem überbewertet worden. - Um dies beweisen zu können, verlangte der Aktionär die Herausgabe eines Gutachtens, in dem PricewaterhouseCoopers die Bergbahnen bewertet hatte. Die LBA wehrte sich gegen die Edition dieser Unterlagen. Das Bezirksgericht Albula ordnete an, dass der Bewertungsbericht dem Aktionär zuzustellen ist. Sowohl das Kantonsgerichtspräsidium als auch das Bundesgericht haben diesen Entscheid des Bezirksgerichtspräsidenten geschützt. - Vor Bundesgericht argumentierte die LBA, die Edition der Unternehmensbewertung sei durch die Aktionärsinteressen nicht gedeckt. Das Fusionsgesetz verpflichte eine Gesellschaft nur dazu, die für den Aktionär zur Beurteilung der Fusion notwendigen Informationen offenzulegen. Zu diesem Zweck müsse unter anderem ein Fusionsbericht erstellt werden, in dem den Aktionären die für die Fusion relevanten Informationen aufbereitet würden. Die Einsicht in den Bewertungsbericht sei weder notwendig noch vom Gesetz vorgesehen; ein Bewertungsgutachten müsse als schutzwürdiges Geschäftsgeheimnis behandelt werden. - Das Bundesgericht hat diese Auffassung in seinem Grundsatzentscheid verworfen und erklärt, dass ein Bewertungsgutachten generell kein schutzwürdiges Geschäftsgeheimnis darstellt. Vielmehr sehe Artikel 105 des Fusionsgesetzes vor, dass jeder Gesellschafter (Aktionär) innerhalb von zwei Monaten nach der Veröffentlichung des Fusionsberichts gerichtlich eine angemessene Ausgleichszahlung verlangen kann, wenn bei einer Fusion die Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte nicht angemessen gewahrt sind bzw. eine Abfindung nicht angemessen ist. Um dies im Prozess beweisen zu können, müsse ein Aktionär die Bewertungsunterlagen einsehen können – jedenfalls so weit, als darin keine geheimzuhaltenden Informationen – sprich Geschäftsgeheimnisse – vorhanden sind. Im konkreten Fall hat die Lenzerheide Bergbahnen AG laut dem Urteil aus Lausanne nicht substantiiert dargelegt, dass im Bewertungsbericht schützenswerte Geschäftsgeheimnisse aufgeführt sind. Urteil: 4A_440/2007 vom 6.2.2008.Urs-Peter Inderbitzin