Die seltsame Ent-trumpung von Donald Trump
Trump scheint sich «zum Guten» zu wandeln. Genau genommen hat sich allerdings nicht Trump gewandelt, sondern ein Teil der internationalen Berichterstattung über ihn.

Aus Aktienkursen lässt sich nicht auf die Qualität von Politik schliessen. Blick in die New Yorker Börse nach der Wahl von Donald Trump. Foto: Reuters
Kognitive Dissonanz ist ein bekanntes Phänomen aus der Psychologie und der Behavioural Economics Forschung. Es ist das Phänomen, Dinge einfach neu zu deuten, wenn die Realität zu hart zu ertragen ist.
Wer den Wahlkampf in den USA mitverfolgt hat, dem wurde unmissverständlich klar, was für ein skrupelloser und auch unberechenbarer Mensch Donald Trump sein kann. Konservative und liberale Politiker und Ökonomen in den USA – sonst verfeindet – waren sich einig: Dieser Mann darf nicht gewählt werden.
Seit er gewählt wurde, sieht plötzlich alles anders aus. Der Mann hat auch sein Gutes, heisst es jetzt oft. Er versteht sich ja sogar mit Obama. Dass er verheirateten Frauen gerne zwischen die Beine greift, wie er öffentlich verkündete, habe er schliesslich vor langer Zeit mal gesagt. Zu Mexiko wolle er ja nicht nur eine Mauer bauen, auch an Zäune habe er für gewisse Strecken gedacht. Vielleicht meine er das mit den 45 Prozent Zöllen auf chinesische Importe ja doch nicht so. Dass die US-Rassisten und die Le Pens und Orbans in Europa seine Wahl besonders feiern – oder die Russen, die auch seine Wahlkampfgegner ausspioniert haben – dafür könne er ja nichts. Dass er Folter zulassen und damit noch weitergehen würde als früher, das sei Wahlkampfrhetorik, wie seine Lügen, Schwenker und unkontrollierten Ausbrüche.
Können Millionen Amerikaner dumm sein?
Trump scheint sich wundersam zu wandeln. Genau genommen hat sich allerdings nicht Trump gewandelt – dafür gibt es bisher keine Hinweise –, sondern ein Teil der internationalen Berichterstattung über ihn. Trump wird sozusagen ent-trumpt.
Ein wichtiger Grund dafür ist wohl schlicht die Tatsache, dass er gewählt wurde. Jetzt ist er der mächtigste Mann der Welt. Und er wurde immerhin von Millionen Amerikanern gewählt – die können ja nicht alle dumm sein, so ein Argument. Aber Mehrheiten oder begeisterte Massen sind kein verlässlicher Gradmesser für die Qualität eines Politikers oder einer Politik. Die Geschichte liefert grausige Gegenbeispiele. Auch mit dumm oder gescheit hat das nichts zu tun. Selbst im sogenannten Land der Dichter und Denker Deutschland konnte sich einst die intellektuelle Elite für die Nazis und ihr Programm begeistern.
Natürlich stimmt das Argument, dass es wie schon beim Brexit nicht verwunderlich ist, dass immer mehr Menschen vom Politestablishment nichts mehr wissen wollen. Weil sie sich von diesem im Stich gelassen fühlten über die letzten Jahrzehnte. Und weil dieses ihre Ängste unter anderem im Zusammenhang mit einer zu weitgehenden Öffnung für die Globalisierung oder für Einwanderung nicht ernst genommen hat. Das war hier ja auch oft Thema. Aber das hilft nur erklären, wie einer wie Trump überhaupt erst an die Macht kommen kann. Es legitimiert ihn nicht und macht ihn nicht besser. Es macht umgekehrt vielmehr klar, was uns auch andernorts noch drohen kann.
Im Rahmen dieses Blogs interessiert uns vor allem die ökonomische Seite. Die Ent-Trumpisierung von Trump findet hier ein Argument in der Reaktion der Aktienmärkte auf seine Wahl: Sie schossen weltweit nach oben. Wenn die Aktienmärkte Trump so gefährlich finden, dann müssten sie doch sinken, so geht hier das Argument. Ich habe vor der Wahl auch geglaubt – und das auch geschrieben –, dass die Unsicherheit nach einer Trump-Wahl die Kurse auf Talfahrt schicken werde. Immerhin fielen sie im Vorfeld der Wahl meistens dann, wenn Trumps Chancen zu steigen schienen. Und die Börse zeigte nach oben, wenn laut Umfragen Hillary Clinton vorne lag. Und ganz zu Beginn, als das Wahlergebnis klar war, verhielten sich die Börsen auch wie erwartet, sie verzeichneten insgesamt Verluste.
Aktienmärkte bewerten keine Qualitäten
Genauso wenig wie aus begeisterten Menschenmassen lassen sich aber auch aus steigenden Aktienkursen Rückschlüsse auf die Qualität einer Politik oder eines Politikers ziehen. Sie zeigen bloss Gewinnerwartungen an. Gleich in seiner ersten Rede nach der Wahl hat Trump etwas verkündet, was höhere Gewinne für Unternehmen verspricht: ein umfassendes Investitionsprogramm vor allem für die US-Infrastruktur – und Steuersenkungen.
Bleiben wir bei den Investitionen. Was ist denn nun an denen auszusetzen?
Gar nichts – zumindest vom Vorstoss her. Die genaue Ausgestaltung bleibt abzuwarten. Ebenso der Zeitpunkt, in dem sie umgesetzt werden sollen (das heisst die Wirtschaftslage der US-Wirtschaft, denn in einer Hochkonjunktur würden sie vor allem die Inflation anheizen) und die Reaktion der Geldpolitik. Aber Investitionen in die US-Infrastruktur sind notwendig, denn die ist vielfach schrottreif. Internationale Organisationen wie der Internationale Währungsfonds fordern solche Investitionen schon länger, wie auch eher links von der Mitte angesiedelte Ökonomen. Selbst der Chefökonom der Obama-Administration, Jason Furman, hat eine Ablösung der Geldpolitik durch die Fiskalpolitik gefordert, also durch den Staat finanzierte Investitionen. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass wahrscheinlich Donald Trump mehr Chancen hat, solche Ausgaben durchzusetzen, nur weil er nicht dem anderen Lager angehört.
Das Gesamtbild bleibt düster
Es wäre schlecht argumentiert, einfach bei allem nach Negativem zu suchen, nur weil es von Trump kommt. Damit würde man sich für Jahre aus einer ernsthaften Debatte verabschieden. Wichtig bleibt aber immer das Gesamtbild. Das Investitionsprogramm macht aus Donald Trump noch keinen weitsichtigen Wirtschaftspolitiker. Schon weil er sich in seinen bisherigen Verlautbarungen keinen Deut um die Finanzierung kümmert und weil es nicht reicht, um die Lage der Zukurzgekommenen in den USA nachhaltig zu verbessern. Im Gegenteil will er auch noch Steuersenkungen durchbringen, die vor allem den Reichsten zugutekommen. Eine massive weitere Verschuldung der USA wäre die Folge.
Und dann gibt es da noch immer Trumps Pläne, den Aussenhandel drastisch einzuschränken. Wie schon argumentiert, hat man es mit der Globalisierung zu weit getrieben, was einen Teil der Abneigung gegen Freihandel erklärt. Das ist und war aber nie ein Argument gegen Freihandel an sich. Denn eine Einschränkung des Freihandels, wie sie Donald Trump im Wahlkampf propagiert hat, wäre schädlich für die gesamte Weltwirtschaft und auch für die USA und all jene, die sich eine Verbesserung ihrer Lebensumstände mit dem neuen Präsidenten erhoffen – ganz abgesehen von den internationalen politischen Kollateralschäden.
Es gibt keinen Grund für eine Ent-trumpung: Das heisst keinen, um aus Donald Trump einen anderen zu machen, als er immer war und als er sich im Wahlkampf deutlich gezeigt hat.
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