Teure Schweiz, billiges Deutschland
Eine starke Währung zwingt Unternehmen, innovativ zu sein. Trotzdem lässt die hohe Überbewertung gegenüber Deutschland aufhorchen. Es handelt sich um eine neue Wettbewerbssituation.

Boomender Einkaufstourismus: Gegenüber Deutschland ist der Franken besonders überbewertet. (Keystone/Martin Ruetschi)
Seit einigen Wochen hat sich das Schweizer Währungsproblem etwas entschärft. Anfang August schwächte sich der Franken gegenüber dem Euro deutlich ab. Im Moment bewegt er sich in einer Bandbreite von CHF 1.08 bis 1.10 pro Euro. Das lässt hoffen, dass grosse Entlassungswellen ausbleiben.
Die Situation bleibt aber angespannt. Der reale Wechselkurs, bei dem die unterschiedlichen Inflationsraten berücksichtigt werden, ist immer noch hoch. Die am Montag publizierten Zahlen der SNB zeigen zwar, dass sich die Abwertung seit August bereits positiv bemerkbar gemacht hat, aber das Ausmass der Abweichung vom langfristigen Durchschnitt ist immer noch beträchtlich.

Die Grafik zeigt ferner, dass der reale Wechselkurs eine starke Streuung hat, wenn man nicht nur den Euroraum als Ganzes, sondern einzelne Länder des Euroraums betrachtet. Gegenüber Deutschland ist der Franken besonders überbewertet (27 Prozent), während der Unterschied zu Spanien fast vernachlässigbar ist.
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass wir von den Unternehmen ganz unterschiedliche Antworten hören, wenn sie auf die Frankenaufwertung angesprochen werden. Wer in den Dollarraum exportiert, hat kaum Probleme, weil sich der Dollar gegenüber dem Franken schnell erholt hat. Das Problem ist die nachlassende Nachfrage aus China, nicht der Wechselkurs ( hier die neusten Zahlen ).
Wer hingegen nach Deutschland exportiert oder auf dem Schweizer Binnenmarkt mit deutschen Importen konkurrenziert, hat es wegen der starken Währung schwer. Auch Betriebe, die auf Drittmärkten mit deutschen Exporteuren im Wettbewerb stehen, sind überdurchschnittlich stark gefordert.
Natürlich hat eine starke Währung den Vorteil, dass sie die Firmen zwingt, innovativ zu sein. Dieser positive Effekt lässt sich in der schweizerischen Wirtschaftsgeschichte gut nachweisen. Trotzdem lässt die hohe Überbewertung gegenüber Deutschland aufhorchen. Es handelt sich um eine neue Wettbewerbssituation, an die sich die Wirtschaft erst richtig anpassen muss.
Von Beginn der 1980er-Jahre bis zur Einführung des Euro war nämlich der reale Wechselkurs gegenüber der DM immer stabil. Man muss bis in die 1970er-Jahre zurückgehen, um eine ähnliche Aufwertung zu beobachten. Von 1973 bis Anfang der 1980er-Jahre wurde der Franken gegenüber der DM um etwa 40 Prozent stärker, wie die Grafik zeigt.

Aufbauend auf dem stabilen Wechselkurs CHF/DM der 1980er- und 1990er-Jahre hat sich eine enge wirtschaftliche Verflechtung über die Grenze ergeben. Einige Schweizer Industriebetriebe wurden zum Beispiel Zulieferer der deutschen Autoindustrie.
Die grosse Frage ist nun, ob diese Arbeitsteilung auf die Dauer überlebt, wenn die Schweiz gegenüber Deutschland weiterhin viel teurer bleibt. Im Tourismus ist die Zahl der deutschen Gäste bereits zurückgegangen. Der Detailhandel leidet unter dem Einkaufstourismus. Die nach Deutschland exportierende Industrie kämpft mit dem Margendruck, während die Importe aus Deutschland immer billiger werden.
Wohin das alles führen wird, ist nicht absehbar. Es kann bald wieder zu einer Normalisierung kommen. Aber wenn die EZB den Euro weiterhin aggressiv schwächt, könnte es durchaus zu einer fundamentalen Veränderung im wirtschaftlichen Austausch mit Deutschland kommen.
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