Wer beim Geldschöpfen wirklich kassiert
Nicht Staat oder Notenbanken, sondern die Geschäftsbanken ziehen die grössten Vorteile aus den Geldsystemen.

Profitables Geschäft: UBS-Filiale am Paradeplatz in Zürich. (Bild: Keystone/Gaetan Bally)
Früher konnte ein Fürst für sein Untertanengebiet Münzen prägen. Damit konnte er für sich einen Profit herausschlagen. Dieser bestand aus dem Unterschied der Kaufkraft dieser Münzen und den Kosten, die er hatte, sie zu generieren. Weil nur ein Fürst dank seiner Macht Münzen prägen konnte, oder französisch der Seigneur, nennt man einen solchen Geldschöpfungsgewinn bis heute Seignorage.
In einer modernen Volkswirtschaft spielen Münzen allerdings eine untergeordnete Rolle und damit auch die Seignorage, die durch sie erzielt werden kann. Gemäss gängigen Vorstellungen sind es heute die Notenbanken, die das Geld schöpfen. Sie müssten daher auch den Löwenanteil an Seignorage verdienen – so könnte man meinen. Doch beides ist falsch. Weder schöpfen Notenbanken das meiste Geld, noch kassieren sie daher den Grossteil des Geldschöpfungsgewinns, der Seignorage. Eine neue Studie der Copenhagen Business School hat sich des Themas angenommen und erklärt anschaulich die Zusammenhänge.
Geschäftsbanken als wichtigste Geldschöpfer
Das Wichtigste vorweg: Den Löwenanteil der Seignorage verdienen nicht der Staat bzw. die Notenbanken, sondern die Geschäftsbanken. Damit verschafft das moderne Geldsystem den Banken eine Art von Subvention, ähnlich jener, welche die Grossbanken durch ihren Status erhalten, dass sie im Notfall wegen ihrer Bedeutung von der Allgemeinheit gerettet werden müssen («Too big to fail»). Denn durch diesen Status kommen die grossen Banken günstiger an Geld, als wenn ihre Gläubiger im schlimmsten Fall mit einem Konkurs rechnen müssen. Die Erkenntnis zur Seignorage ist daher Wasser auf die Mühlen all jener, die das Geldsystem grundlegend ändern und den Banken den Einfluss auf die Geldschöpfung entziehen wollen, wie etwa die Vertreter der Vollgeldinitiative.
Um das zu verstehen, muss man mit einem weitverbreiteten Missverständnis aufräumen: dass eine Notenbank das meiste Geld schöpft. Was sie aus dem Nichts generiert, sind Noten und Reserven der Geschäftsbanken auf den Konten bei ihr. Noten sind mit gewissen Herstellungskosten verbunden; neues Reservegeld kann eine Notenbank per Knopfdruck auf einem Computer schaffen und es den Banken gegen Sicherheiten gutschreiben.
Die geringe Bedeutung des Notenbankgeldes
Doch im Vergleich zur tatsächlichen Geldmenge in einer Volkswirtschaft hat dieses Notenbankgeld normalerweise wenig Gewicht. Gemäss Zahlen vom Januar hat die gesamte Geldmenge in der Schweiz einen Wert von 995,5 Milliarden Franken (Geldmenge M3), die Notenbankgeldmenge beläuft sich auf 542 Milliarden, allein auf 465,5 Milliarden beläuft sich die Summe der Einlagen der Banken bei der SNB (Girokonten). Damit macht das Notenbankgeld rund 54 Prozent der gesamten Geldmenge aus. Aber das sind keine Zahlen aus normalen Zeiten.
Die aussergewöhnliche Geldpolitik der Schweizerischen Nationalbank (SNB) liess die Bankeinlagen auf ihren Konten explodieren. Vor der Finanzkrise sah das Verhältnis noch ganz anders aus. Im Januar 2007 hatte die Notenbankgeldmenge nur einen Anteil von 7 Prozent an der Gesamtgeldmenge. Die Einlagen der Banken bei der SNB (Girokonten) beliefen sich denn damals auch nur auf rund 5 Milliarden Franken. Die erste der folgenden zwei Grafiken zeigt die Entwicklung der erwähnten Geldmengen, die zweite die krisenbedingte Entwicklung des Anteils der Notenbankgeldmenge an der Gesamtgeldmenge (M3):


Das meiste Geld wird nicht von der Notenbank, sondern von den Geschäftsbanken geschöpft: durch ihre Ausgabe von Krediten. Diese fliessen dann direkt (über den Empfänger des Kredits) oder indirekt (über die durch den Kreditnehmer getätigten Ausgaben) auf die Einlagekonten der Bankkunden (ausser dem Anteil des vernachlässigbaren Bargelds). Die Einlagen der Kunden auf den Bankkonten haben die Funktion von Geld. Vor allem mit ihnen werden Zahlungen getätigt ( dieser Beitrag erklärt das genauer ). Aus diesem Grund ist es auch die Gesamtheit der Geschäftsbanken und nicht die Notenbank, die den Grossteil der Seignorage – des Geldschöpfungsgewinns – einstreicht.
Die Berechnung der Banken-Seignorage
Die Studie der Copenhagen Business School hat die Seignorage als Profit der Geschäftsbanken für einige Länder berechnet, so auch für die Schweiz. Die Berechnung ist allerdings etwas komplexer als diejenige beim eingangs erwähnten Beispiel des Fürsten. Das Grundprinzip ist aber dasselbe. Man vergleicht die Kaufkraft durch das selbst geschaffene Geld mit den Kosten, um es zu schaffen. Das von den Geschäftsbanken geschaffene Geld sind die Kundeneinlagen auf ihren Konten, die wie erwähnt über Kredite entstehen. Könnten die Geschäftsbanken Kundeneinlagen nicht so schaffen, müssten sie selbst Geld auf den Märkten aufnehmen, um es ihren Kunden gutzuschreiben.
Die Seignorage berechnet sich daher durch den Unterschied zwischen den (höheren) Marktzinsen, welche die Banken bezahlen würden, müssten sie das Geld für Einlagen selbst auf den Märkten aufnehmen (in der Formel unten i mb für market benchmark interest rate), und den (tieferen) Kosten, die sie als Geldschöpfer tatsächlich haben. Diese Kosten sind die Zinsen, die sie ihren Einlegern bezahlen (i d für interest paid on deposits). Davon abgezogen werden müssen noch die Kosten der Banken für das Halten von Cash und für Reserven bei der Notenbank. Dabei handelt es sich um Opportunitätskosten, weil sie dieses Geld nicht zinstragend einsetzen können. Dazu kommen aber noch Zinsen, welche die Geschäftsbanken für ihre Notenbankeinlagen allenfalls erhalten. Bei Negativzinsen ist dieser Betrag daher ebenfalls negativ.
Hier die Formel:

Sonderfall Negativzinsen
Für die Schweiz hat die Studie für die Jahre von 2007 bis 2015 eine Seignorage für die Geschäftsbanken von 34,8 Milliarden Franken errechnet. Dabei lag der Höhepunkt im Jahr 2008 bei 5,5 Milliarden Franken. Seit 2014 ist sie allerdings in der Schweiz in den negativen Bereich gerutscht, wegen der oben erwähnten stark gestiegenen Reserven der Banken bei der Notenbank, verbunden mit den dort zu zahlenden Negativzinsen.

Weil je nach eingegangenen Risiken verschiedene Marktzinsen vorherrschen, haben die Studienautoren für ihre Berechnungen dazu (in der Formel für i mb , also market benchmark interest rate) einen tieferen (Lower Bound) und einen höheren (Upper Bound) Zinssatz verwendet, das erklärt die unterschiedlichen Linien, die den Verlauf der errechneten Seignorage zeigen.
Die Autoren der Studien folgern aus ihren Berechnungen, dass eine von zwei fundamentalen Änderungen im Finanzsystem die Seignorage der Geschäftsbanken schmälern oder aufheben würde und der Profit aus der Geldschöpfung wieder der Allgemeinheit zugute käme. Der eine Weg läuft auf die gleiche Forderung hinaus, wie sie die Vollgeldinitiative aufstellt: dass Geschäftsbanken kein Geld mehr schöpfen dürfen und dies nur den Notenbanken vorbehalten sein soll. Der andere, von der Studie ausführlicher beschriebene Weg wäre, dass eine Notenbank selbst elektronisches Geld schafft, das direkt (und nicht über das Bankensystem) an die Haushalte oder den Staat fliesst und so Guthaben in der Wirtschaft begründet, genauso wie die Einlagen der Bevölkerung bei den Banken durch deren Kredite. Durch diese Konkurrenz in der Geldschöpfung würde die Seignorage der Geschäftsbanken geschmälert und jene der Notenbank erhöht.
Fazit
Die Überlegungen zur Seignorage zeigen nur ein weiteres Mal, dass Banken nicht mit gewöhnlichen Unternehmen gleichgesetzt werden können, weil sie für das Geldsystem eines jeden Landes eine übergeordnete Rolle spielen und daraus Vorteile ziehen. Das rechtfertigt eine strenge Regulierung und Aufsicht (was nicht bedeutet, dass jede Regulierung Sinn macht). Daraus lässt sich aber nicht automatisch schliessen, dass die alternativen Geldsysteme besser sind. Das kleine Einmaleins der Geldreformen hat sich damit in einem früheren Beitrag befasst.
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