Priceline.com ade – Kritik an Schrempp Verlockungen des Internets
Erfolg und Misserfolg liegen oft nahe beieinander.
Erfolg und Misserfolg liegen oft nahe beieinander. Diese schmerzliche Erfahrung mussten dieses Jahr mehrere prominente Führungskräfte machen. Carleton S. Fiorina erhielt 1999 viel Vorschusslorbeeren, als sie zur Chefin von Hewlett-Packard (HP) ernannt wurde. Die Anleger waren überzeugt, dass die Amerikanerin dank ihrem Verkaufsgeschick dem träge gewordenen Hersteller von Druckern und Computern zu neuem Schwung verhelfen würde. Dass sie eine begnadete Verkäuferin ist, hatte Fiorina bereits als Bereichsleiterin des Netzwerkspezialisten Lucent Technologies bewiesen. Doch es sollte anders kommen. Die HP-Titel konnten sich dem Druck der Technologiebaisse nicht entziehen und verloren im Jahresverlauf fast 50% ihres Werts. Für zusätzlichen Druck sorgten die von Fiorina verfolgten Akquisitionspläne, die viele Anleger als übertrieben erachteten. Fiorina wollte, obwohl HP noch mitten in einer internen Restrukturierung steckte, den Beratungsarm der Revisionsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PWC) übernehmen. Sie liess sich von ihren Plänen erst abbringen, als sich die Preisvorstellungen von PWC als zu hoch erwiesen. - Mit grossen Erwartungen hatte auch Heidi Miller ihr Amt als Finanzchefin des E-Commerce-Unternehmens Priceline.com angetreten. Die ehemalige Topmanagerin der US-Bankengruppe Citigroup gehörte zu den zahlreichen Führungskräften, die den Verlockungen der New Economy nicht widerstehen konnten und ihre gut bezahlten Posten gegen eine vermeintlich noch besser bezahlte Stelle in einem Dotcom-Unternehmen tauschten. Der Höhenflug der Aktien Priceline.com schien Miller anfänglich Recht zu geben. Die auf den Online-Verkauf von Flugtickets spezialisierte Firma war mit einer Börsenkapitalisierung von 18Mrd.$ zeitweise mehr wert als die gesamte amerikanische Airline-Branche. Doch als die drastisch gestiegenen Kerosinpreise die Flugtarife in die Höhe trieben, kam Priceline.com ein grosser Teil seiner preisbewussten Kundschaft abhanden. Der Aktienkurs stürzte gleichzeitig von über 100 auf wenig mehr als 1$ ab. Die erfolgsverwöhnte Heidi Miller fürchtete um ihren guten Ruf und verliess im November nach nur acht Monaten überstürzt das Unternehmen. - Auf den harten Boden der Realität zurückgeholt wurde auch Juan Villalonga. Der inzwischen abgesetzte Präsident der spanischen Telefónica verfolgte eine selbst für die Verhältnisse der Telecombranche ambitiöse Wachstumsstrategie. Nachdem das Unternehmen bereits den Fernsehproduzenten Endemol und über seine Internet-Tochter Terra Networks den Portalbetreiber Lycos übernommen hatte, strebte Villalonga eine Fusion mit dem niederländischen Telecomkonzern KPN an. Der Zusammenschluss scheiterte allerdings am Veto der spanischen Regierung. Villalonga, dem in der Folge auch Insider-Geschäfte vorgeworfen wurden, erholte sich von diesem Rückschlag nicht mehr. Er musste Ende Juli sein Pult räumen. - Obwohl Unternehmen der Old Economy dieses Jahr an der Börse vergleichsweise gut abschnitten, waren ihre Vertreter gegen Misstrauensvoten nicht gefeit. Der Vorstandschef von Daimler- Chrysler, Jürgen Schrempp, sah sich erst vor zwei Wochen zum Versand eines Briefs an die Aktionäre genötigt, nachdem die Aktien des Automobilkonzerns seit Anfang Jahr über 40% eingebüsst hatten. Schrempp beteuerte darin, die vielen von ihm angerissenen Projekte zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen, doch zweifeln immer mehr Anleger an seiner Strategie. Sie befürchten, dass sich das Unternehmen in seinem Bemühen, geografisch und produktemässig in allen wichtigen Märkten präsent zu sein, verzettelt. Bisher konnte Schrempp auf die Rückendeckung des Aufsichtsrats zählen, doch dürfte auch dieser einer weiteren Reduktion der Börsenbewertung nicht tatenlos zusehen. DF