Renaissance einer Legende
Um keine Verwechslung aufkommen zu lassen: Jürgen Lange stammt nicht aus der gleichnamigen Uhrmacherdynastie aus Glashütte, obwohl auch er Sachse ist, und: Auch er ist ein grossartiger Uhrenfabrikant.
Um keine Verwechslung aufkommen zu lassen: Jürgen Lange stammt nicht aus der gleichnamigen Uhrmacherdynastie aus Glashütte, obwohl auch er Sachse ist, und: Auch er ist ein grossartiger Uhrenfabrikant. Nur vier Jahre nachdem er die Firma Moser Schaffhausen gegründet hatte, kann er dieser Tage für die H. Moser Perpetual 1 (eine mechanische Uhr mit ewigem Kalender) die höchste Auszeichnung der Schweizer Uhrenbranche entgegennehmen, den Grand Prix d’Horlogerie de Genève, und das in der Königsklasse, der Kategorie Montre Compliquée. - Der Weg zum Schweizer Uhrenhersteller war für Jürgen Lange steinig. 1950, also noch zu DDR-Zeiten, in Leipzig geboren, studierte er Elektronik. Wegen Republikflucht verhaftet, sass er anderthalb Jahre im Stasi-Gefängnis Cottbus. 1977 kaufte ihn die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen eines Gefangenenaustauschs für 120000 DM frei. Nachdem er an der Technischen Universität in West-Berlin sein zweites Studium in Feinwerktechnik mit dem Doktortitel abgeschlossen hatte, arbeitete er in der Entwicklungsabteilung des Instrumentenherstellers VDO Mannesmann. An einem, wie er erzählt, langweiligen Führungskräftemeeting sass er neben einem Konzernmanager, der Organigramme für Unternehmen wie IWC, Jaeger-LeCoultre und Lange & Söhne zeichnete. Es war Günter Blümlein, der Chef der VDO-Uhrengruppe Les Manufactures Horlogères. Wenn er jemanden für den Mechanikbereich suche – er interessiere sich. So kamen sie ins Gespräch. Blümlein engagierte ihn als technischen Direktor der IWC in Schaffhausen. - In der Munotstadt stiess der Sammler historischer Uhrenbücher auf den Namen Heinrich Moser. Als Sohn des Stadtuhrmachers war dieser Anfang des 19. Jahrhunderts in St. Petersburg mit seiner Uhrenfirma zu Wohlstand gekommen. 1848 kam der Fabrikant in die Vaterstadt zurück, wo er die Schweizerische Waggonfabrik und die Schweizerische Industriegesellschaft Neuhausen (SIG) gründete. Fasziniert vom Industriepionier Moser begab sich Lange auf die Spurensuche. 2002 machte er sich als Managementberater selbständig, gründete mit privaten Kapitalgebern zusammen die Moser Schaffhausen und liess die legendäre Uhrenmarke H. Moser & Cie. wieder eintragen. Im Banquier Roger Nicholas Balsiger, er ist Ehrenpräsident des Verwaltungsrats, fand er einen Urenkel Mosers, der aus Familienbüchern ein greifbares historisches Fundament für die erfolgreichste Lancierung im obersten Qualitätssegment lieferte. - Moser Schaffhausen arbeitet wie der Namensgeber mit den Besten der Besten im Schweizer Uhrenmetier zusammen. Es sind teils in vierter, fünfter Generation die gleichen Familienbetriebe im Jura, die schon Heinrich Moser belieferten. Die Uhren sind mit ihren schlichten Ziffernblättern in Edelmetall verpacktes Understatement. Erst Kennern offenbart sich die Komplexität der bisher sechs entwickelten Werke mit ihren technischen Raffinessen wie der ausbaubaren Unruheinheit. Die Produktionskapazitäten sind jedoch immer noch im Aufbau. Käufer der 11000 bis 50000 Fr. teuren Uhren müssen sich in Geduld üben. Die Investoren auch: Es gibt eine Warteliste. In den Kreis der Aktionäre aufgenommen wird nur, «wer vom Virus der Uhrenleidenschaft befallen ist», wie Jürgen Lange einschränkt. - Der Grund, weshalb die ganze Uhrenbranche das Augenmerk auf Moser richtet, ist deren Tochter Precision Engineering. Im Rahmen einer Kapitalerhöhung hat der Medtech-Unternehmer Thomas Straumann Sitz im Verwaltungsrat der Moser genommen, und er hat die Nutzungsrechte für die von seinem Vater entwickelte Nivarox-Legierung für Uhrenspiralen in die Precision Engineering eingebracht. Moser ist damit eines der wenigen Unternehmen, das Unruhspiral fertigt – und diese auch an Dritte verkauft.