Saurer kann von der Krise der US-Autoindustrie profitieren
Dass Saurer unermüdlich nach Akquisitionsobjekten Ausschau hält, ist hinlänglich bekannt (vgl.
Dass Saurer unermüdlich nach Akquisitionsobjekten Ausschau hält, ist hinlänglich bekannt (vgl. FuW Nr. 82 vom 15.Oktober). Diese Tatsache rückte wieder ins Zentrum des Interesses, als Geschäftsführer Heinrich Fischer im Interview mit der «Handelszeitung» die Kaufabsichten erneut bestätigte. Die Krise in der US-Autobranche spricht denn auch dafür, dass dem Wunschdenken bald Taten folgen könnten. - Der Hersteller von Textilmaschinen und Antriebssystemen für Fahrzeuge ist nach erfolgreicher Restrukturierung in den vergangenen Jahren in Wachstumsnöte geraten: Im kaum expandierenden Textilmaschinensektor sind Saurer und Rieter die unbestrittenen Marktführer. Das Marktwachstum ist bescheiden, und externes Wachstum ist mangels Kaufobjekten nicht einfach zu erzielen, wie das Gerangel um die Graf-Gruppe vor zwei Monaten zeigte. Konkurrent Rieter schnappte damals Saurer die Graf-Gruppe in letzter Minute vor der Nase weg. - So sieht denn Saurer besonders in der Autosparte Graziano Trasmissioni Handlungsbedarf, wie das Unternehmen seit Monaten verkündet. Graziano ist auf Getriebe und Antriebssysteme spezialisiert und steuert «nur» ein Viertel zum Gesamtumsatz von 1,6 Mrd. Euro bei, ist jedoch mit einer Betriebsmarge von knapp 8% rentabler und vor allem weniger zyklisch als die Textilmaschinensparte (Marge rund 5%). Die operative Rendite kann sich auch im Branchenvergleich sehen lassen. Im Autosektor ist Saurer in Asien und Amerika noch schwach vertreten. Das Management will den Umsatz von Graziano mit Hilfe von Übernahmen bis 2008 von derzeit 400 auf 650 Mio. Euro steigern. Das Unternehmen besitzt das nötige Bargeld – Saurer erwirtschaftet jährlich freien Cash-flow von mehr als 100 Mio. Euro. Per Ende Juni 2005 betrug der Nettobestand liquider Mittel 75 Mio. Euro. - Doch was sucht Saurer ausgerechnet jetzt in der Nordamerika, wo die dortige Automobilindustrie mit Personalabbau, Fabrikschliessungen und Anträgen um Gläubigerschutz Schlagzeilen machen - Es gibt zwei Gründe, die dafür sprechen, dass Zeitpunkt und Zielort nicht schlecht sind. Erstens schafft die Krise Kaufgelegenheiten. Die unter Gläubigerschutz agierenden Zulieferer wie Delphi und Collins & Aikman sind gezwungen, ein neues, überlebensfähiges Geschäftsmodell zu präsentieren. Dazu gehört auch die Veräusserung bestimmter Unternehmensbereiche. Dass die Notlage den Verkaufspreis eher drücken dürfte, liegt auf der Hand. Collins & Aikman beispielsweise ist wie Rieter ein Anbieter von Lärm- und Hitzeschutzkomponenten und muss zahlreiche Geschäfte in Europa verkaufen. - Getriebe und Antriebssysteme, wie sie Saurer herstellt, fabrizieren die grossen Zulieferer oftmals im eigenen Haus. Die Schwierigkeiten dürften den einen oder anderen dazu gezwungen haben, eine Veräusserung neu in Betracht zu ziehen. Saurer hat stets betont, sich auf Getriebe und Antriebssysteme zu beschränken und betreibt dieses Geschäft in Europa mit Erfolg. Es bringt daher die Kompetenz mit, auch im hart umkämpften amerikanischen Markt bestehen zu können. - Zweitens ist und bleibt Nordamerika den Schwierigkeiten zum Trotz ein gewichtiger Fahrzeugmarkt, der mit dem hohen Anteil von Autos mit Vierradantrieb vor allem für Saurers Spezialgetriebe lukrativ ist. Die Schwierigkeiten der amerikanischen Konzerne sind zur Hauptsache eine Konsequenz des eindrücklichen Markterfolgs japanischer Anbieter in den USA. So halfen Rieter Verkäufe an die in Amerika produzierenden Japaner, Bestellungsausfälle von US-Konzernen zu kompensieren. - Die Risiken sind jedoch nicht unbedeutend. Wegen des hohen Bargeldbestands steht die Saurer-Führung von mehreren Seiten unter Investitionsdruck. Eine Situation, in der sich bereits so mancher Manager zu überstürzten (Fehl-)Akquisitionen hat hinreissen lassen. Schon manches Schweizer Unternehmen hat viel Geld im US-Automarkt in den Sand gesetzt. Bleibt zu hoffen, dass das bislang erfolgreich wirkende Management sein Versprechen einlöst: Falls Preis und/oder Kaufobjekt nicht passen, soll den Aktionären das brachliegende Geld in Form von Rückkaufsprogrammen zurückzugeben werden – und zwar bereits im kommenden Frühjahr. - Ein übermässiger Bargeldbestand kann Käufer anlocken, wie Saurer vergangenen Sommer hat erfahren müssen. Übernahmegelüste der österreichischen Beteiligungsgesellschaft Victory liessen die Saurer-Aktien zum Spielball spekulierender Investoren werden. Wohl in der Hoffnung, am Übernahmepoker kräftig mitzuverdienen, baute die britische Fondsgesellschaft Laxey Partners eine Position von rund 15% auf. Seither hat Victory das Interesse an Saurer verloren und Laxey sitzt auf einem Paket, das sich der Grösse wegen schwer plazieren lässt. - Die Valoren sind von ihrem Höchstkurs von knapp 100 Fr. wieder auf 87 Fr. zurückgefallen, notieren aber nach wie vor höher als vor Beginn der Übernahmespekulationen. So weisen Saurer mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 14 (2006) einen Bewertungsaufschlag zu Rieter (12) auf. Rieter sind daher Saurer vorzuziehen, denn mit fundamentalen Überlegungen lässt sich der Bewertungsunterschied nicht rechtfertigen: Rieters Textilgeschäft ist geringeren Schwankungen unterworfen und profitiert früher von der leichten Nachfrageerholung der Textilmaschinen. Zudem macht der Bereich knapp 40% des Gesamtumsatzes aus, Saurer erzielt dagegen drei Viertel mit Textilmaschinen.