«Schengen-Abkommen für den Finanzplatz»
Axel Weber, VR-Präsident der UBS, fordert eine Gesamtlösung mit der EU, die Steuerthemen und Marktzutritt regelt und einen Informationsaustausch enthält.

Die Töne in der Schweiz werden im Hinblick auf den Abschluss eines unschönen Steuerdeals mit den Vereinigten Staaten schriller – und die UBS wird immer schweigsamer. Am Anfang des Steuerstreits stand ihr Fehlverhalten. Doch für die Grossbank ist der Steuerstreit gemäss Axel Weber, dem Verwaltungsratspräsidenten der UBS, seit 2010 endgültig beigelegt. Im Staatsvertrag, den die Schweiz mit den USA geschlossen hat, steht, dass das Dossier nicht wieder geöffnet werden kann. UBS geht davon aus, zu einem eventuellen neuen Deal, der die anderen Schweizer Banken betrifft, nichts beisteuern zu müssen. Aus heutiger Sicht scheint sie damals vergleichsweise glimpflich davongekommen zu sein mit einer Busse von 780 Mio. $. Ein grosses Interesse hat sie jedoch an einer Bereinigung des Steuerstreits mit der EU. Die Grossbank will vermeiden, noch zehn Jahre mit dem Thema konfrontiert zu werden. Deshalb drängt sie ihre Kunden zur Steuerkonformität, wo brauchbare Verfahren und Instrumente dies ermöglichen. In wichtigen Märkten, wie zum Beispiel Frankreich, ist die Situation jedoch blockiert. Deshalb befürwortet Weber unter der Bedingung eines ausgewogenen Dreierpakets, «das sowohl den Marktzugang als auch eine Lösung für die Vergangenheit enthält», Verhandlungen über einen Informationsaustausch zwischen der Schweiz und der EU.
Herr Weber, die Lösung im US-Steuerstreit wird offenbar so schmerzhaft, dass Michael Ambühl, der zuständige Chefdiplomat, seinen Rücktritt erklärt hat. Sind Sie sicher, dass UBS nicht mehr in die Sache hineingezogen werden kann? - Für die UBS ist diese Angelegenheit seit Herbst 2010 endgültig abgeschlossen.
Hat Ambühls Rücktritt Sie überrascht? - Die berufliche Neuorientierung von Herrn Ambühl ist seine persönliche Entscheidung.
UBS, die der Schweiz den Schlamassel eingebrockt hat, ist mit ihrer Busse relativ gut weggekommen, scheint es heute. Jede kleine Schweizer Bank, die sich möglicherweise weniger hat zuschulden kommen lassen, wird nun potenziell mehr bezahlen müssen. Verstehen Sie den Unmut? - UBS hatte im US-Geschäft Fehler gemacht und hat die Konsequenzen gezogen.
Was raten Sie den anderen Banken? - Für UBS ist der US-Fall abgeschlossen. Wir massen uns nicht an, hier anderen Ratschläge zu erteilen.
Was wird passieren, wenn der US-Steuerdeal im Schweizer Parlament scheitert? - Dies müssen Sie die amerikanischen und die schweizerischen Behörden fragen.
Inwiefern spürt die UBS den Steuerstreit im Wealth Management in der Schweiz? - Unsere Vermögensverwaltung hat im letzten Jahr 47 Mrd. Fr. Neugeld verbucht. Im ersten Quartal 2013 waren es allein 24 Mrd. Fr., ein signifikanter Teil davon in der Schweiz. Die Hypothese «Krise im Wealth Management Schweiz» lässt sich aus diesen Zahlen nicht bestätigen. Zumal auch andere Banken ordentliche Zuflüsse verzeichneten.
Strategisch ist die Schweiz herausgefordert. Auf welche Strategie muss der Finanzplatz Ihrer Meinung nach setzen? - Um den Erfolg fortzuschreiben, muss die Schweiz eine Strategie haben, die den international wettbewerbsfähigen Finanzplatz stärkt. Dabei sind drei Elemente im Sinne eines Dreiklangs wichtig: Erstens brauchen wir Zugang zu den wichtigsten Finanzmärkten. Das heisst Marktzugang zu den USA, zur EU und zu den wichtigen asiatischen Märkten. Mit den Gesetzeswerken Mifid in der EU und Dodd-Frank in den USA werden territoriale Barrieren gebaut, die den Marktzutritt erschweren. Hier gilt es, die Zugangsfähigkeit zu erhalten. Zweitens braucht es ein Instrument, mit dem sich das Problem unversteuerter Altgelder lösen lässt. Drittens braucht es ein Instrument für die Zukunft.
Alle reden vom automatischen Informationsaustausch; braucht es ihn? - Der Begriff automatischer Informationsaustausch beschreibt ein Verfahren, nicht jedoch dessen konkreten Inhalt. Jeder versteht etwas anderes darunter. Die Möglichkeiten für die Zukunft reichen von einer Quellensteuer bis zu verschiedenen Formen des Informationsaustauschs.
Der Vertrag für eine Abgeltungssteuer mit Deutschland ist gescheitert. Sehen Sie für die Quellen- respektive Abgeltungssteuer überhaupt noch eine Zukunft? - Absolut. Allerdings wird dieses Modell nicht überall erfolgreich sein. In der EU ist intern die Quellensteuer nicht mehr akzeptiert. Deshalb wird die EU in Verhandlungen mit der Schweiz auf den automatischen Informationsaustausch setzen.
Wie soll die Schweiz darauf antworten? - Unter den Bedingungen eines ausgewogenen Dreierpakets, das den Marktzugang sowie eine Lösung für die Vergangenheit beinhaltet, kann es sinnvoll sein, einen auf die EU begrenzten bilateralen Informationsaustausch zu akzeptieren. Die Schweiz sollte eine Gesamtlösung mit der EU anstreben, das ist entscheidend.
Was sagen Sie den Politikern? - Isoliert macht die Diskussion über den automatischen Informationsaustausch keinen Sinn, es braucht den Dreiklang. Ausserdem ist zu betonen, dass ein Informationsaustausch mit der EU noch lange nicht heissen würde, dass die Schweiz generell zum AIA übergehen müsste.
Wird die EU zu einem Lösungspaket Hand bieten? - Wir brauchen eine Art Schengen-Abkommen für den Finanzplatz. Dort geniesst die Schweiz wie alle anderen EU-Länder Freizügigkeit. Die Schweiz ist dem Schengen-Abkommen beigetreten, ohne EU-Mitglied zu werden.
Soll die Schweiz direkt mit der EU oder multilateral in der OECD verhandeln? - Die Schweiz wird drei Wege gehen müssen. Sie wird sowohl mit der EU als auch bilateral mit einzelnen EU-Staaten verhandeln, weil diese über die Steuerhoheit verfügen. Und sie wird multilateral mit der OECD verhandeln. Dies ist im Hinblick auf den Zeithorizont nötig. Die Verhandlungen mit der OECD können bis zu zehn Jahre dauern, mit der EU vier bis fünf Jahre. Mit einzelnen EU-Mitgliedländern kann man sich schneller einigen.
Können die Banken so lange warten? - Die Zeit drängt. Deshalb arbeiten wir mit unseren betroffenen Kunden, damit sie alle zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen, um ihre Steuerangelegenheiten mit ihren Wohnsitzbehörden zu bereinigen. In den Staaten, wo es keine Instrumente zur Vergangenheitsbereinigung gibt, braucht es eine politische Lösung.
Der zweite Teil des Interviews erscheint am 1. Juni.
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