Siemens-Zahlen bestätigen Wende – Wirbel in Chemie- und Autotiteln Dax greift Rekordstand vom Juli an
Die Leitzinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) hat auch am deutschen Aktienmarkt eine positive Aufnahme gefunden.
Die Leitzinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) hat auch am deutschen Aktienmarkt eine positive Aufnahme gefunden. Der Dax erklomm seit Juli nicht mehr erreichte Höhen und schloss am Freitag auf 5658,10 – ein Plus von 2,4% gegenüber der Vorwoche. Die Renditen für 10-jährige Staatspapiere ermässigten sich wieder auf unter 5%. Statt Zinsängsten beherrschte den Wochenschlusshandel nur noch die Angst vor aufkeimender Übertreibung, denn erfahrungsgemäss werden die gleichen Hellseher, die den Dax noch vor kurzem weit unter 4900 Punkten sahen, bald Indexstände von 6000 bis 8000 vorhersagen. Wirtschaftsinstitute und Bankanalysten hegen kaum noch Zweifel, dass die Konjunktur in der Eurozone kräftig anspringen wird und sich Deutschland davon eine kräftige Scheibe abschneiden kann. Im Übrigen machten sich hier Zweifel breit, ob die US-Notenbank Mitte November wirklich die Zinsen anheben wird. - Der Indexgewinn stützte sich auf nur wenige Titel. Zu den Gewinnern der Woche zählten Siemens. Gemäss den vorläufigen Zahlen für das Jahr 1998/99 konnte der Elektrokonzern den Gewinn um 37% in die Höhe treiben (vgl. Seite 39). Siemens legten innert Wochenfrist 6,2% auf 90.78 zu, und fernab jeder Euphorie dürften Kurse in Richtung 100/110 angepeilt werden. 6,4% auf 159.35 stiegen Mannesmann. Hier beherrschte nach wie vor die Fantasie eines Übernahmeangebots der Vodafone Airtouch den Handel. Perspektiven bietet zudem die angekündigte Aufsplittung der Gesellschaft. Diesbezüglich kam auch ein anderer Dax-Wert ins Gespräch, Thyssen-Krupp, die jedoch 0,2% auf 22.35 einbüssten. Der Markt hat wohl noch nicht honoriert, dass das Unternehmen seine Stahlsparte ausklammern und seine Automobilzuliefertöchter vermutlich gerne mit denjenigen der Mannesmann verschmelzen würde. - Durchwegs positive Meinungen wurden nach wie vor zur Allianz (+3,4% auf 297.70) und in diesem Sog zur Münchener Rück verbreitet. Der Pimco-Erwerb durch die Allianz galt nach wie vor als überaus günstig. Optimistische Marktteilnehmer haben einen Rekord von rund 350 fest im Visier. Münchener Rück verbesserten sich 2,4% auf 222.70. - Der Chemie-/Pharmabereich profitierte nicht nur von den Wachstumschancen, sondern auch von den aus den USA inspirierten Fusionsfantasien (vgl. nebenstehenden Kasten). BASF legten 1,3% auf 43.15 zu. Was die Ludwigshafener betrifft, wartet der Markt weniger auf Nachrichten über China-Investitionen oder Kooperationen mit Shell (vgl. Seite 37), sondern auf gewinn- und zukunftsträchtige Anlagen. Hoechst befestigten sich 6,1% auf 44.83, die Aktien des Spaltprodukts Celanese legten 13,3% auf 17 zu. - Unter dem Eindruck der Zahlen von VW gaben die Autowerte weiter nach, doch erscheint den Börsianern die Entwicklung überzogen. VW schwächten 8,3% auf 51.27 ab, nicht viel besser erging es BMW (–7,1% auf 28.30). Daimler-Chrysler (–2,1% auf 72.57) behaupteten sich vergleichsweise gut. Folgt man dem Motto «Billig kaufen» stellen sich derzeit alle drei Titel als Schnäppchen dar. - Der Obligationenhandel fühlte sich wohl mit den Zinsschritten der EZB, die einen unnatürlichen Zustand wieder zurückführten. Der Markt hatte längst sein Eigengewicht entfaltet und mit steigenden Renditen für eine Ausgewogenheit im Dreieck Konjunktur, Inflation und Renditen gesorgt. Die durchschnittliche Umlaufrendite öffentlicher Papiere ermässigte sich gegenüber der Vorwoche um 17 Stellen auf 4,83%, die Rendite für 10-jährige Staatsanleihen sogar um 19 Basispunkte auf 4,99%.GB