Staatsanwalt erhebt Klage gegen Pierin Vincenz
Die Behörde wirft dem Ex-Raiffeisen-Chef Betrug, Veruntreuung, Urkundenfälschung und passive Bestechung vor. Sechs Jahre Haft könnten ihm drohen.

Die Staatsanwaltschaft Zürich erhebt Anklage gegen Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz. Sie wirft ihm und Geschäftspartner Beat Stocker in einer Mitteilung vom Dienstag «gewerbsmässigen Betrug, Veruntreuung, Urkundenfälschung und passive Bestechung zum Nachteil der Aduno und der Raiffeisen» vor.
Alles dreht sich um versteckte Geschäfte und fürstliche Spesen. Das geforderte Strafmass wird Staatsanwalt Marc Jean-Richard-dit-Bressel zum Auftakt der Verhandlung bekannt geben – wie bei grossen Fällen durchaus üblich. Die ausführliche Anklageschrift wird rund zwei Wochen vorher einsehbar sein.
Gefängnis und Rückzahlungen
Mit Berufung auf Personen, die Einblick in die Dokumente hatten, schreibt «Blick», die Staatsanwaltschaft würde für Vincenz sechs Jahre Gefängnis und die Rückzahlung von 9 Mio. Fr. an unredlich erzieltem Gewinn fordern. Kollege Stocker solle ebenfalls für sechs Jahre in Haft und 16 Mio. Fr. zahlen.
Nun ist es am Bezirksgericht Zürich, sich einen Überblick über diesen grossen, aktenlastigen Fall zu verschaffen und einen Termin für die Verhandlung festzulegen. Dem Vernehmen nach könnte es Mitte 2021 zum Prozess kommen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Versteckte Millionengeschäfte
Im Kern drehen sich die Anschuldigungen darum, dass Vincenz als Raiffeisen-CEO sowie Aduno-Präsident und Stocker, Ex-Aduno-CEO sowie -Verwaltungsrat, sich vorab und zum Teil verdeckt an Unternehmen beteiligt haben sollen, die später von Raiffeisen oder Aduno gekauft wurden. Vincenz soll also auf Käuferseite Deals eingefädelt haben, die ihm auf Verkäuferseite Millionen in die eigene Tasche gespült haben sollen.
Die fraglichen Unternehmen, die von Aduno gekauft wurden, heissen Commtrain, Eurokaution und Genève Credit & Leasing. Bei Raiffeisen geht es um die KMU-Investitionsgesellschaft Investnet und um den Fall der «beabsichtigten Akquisition einer weiteren Gesellschaft».
Der Fall Commtrain droht bereits Mitte 2021 zu verjähren. Aduno kaufte das Unternehmen 2007 für 7 Mio. Fr. Davon sollen laut «Tages-Anzeiger» 4,2 Mio. Fr. an Vincenz und Stocker geflossen sein. Im Jahr 2014 erwarb Aduno für 5,6 Mio. Eurokaution. Stocker soll bereits vorher beteiligt gewesen sein.
Raiffeisen übernahm Investnet einst zu 60% und zahlte den beiden Gründern je 20 Mio. Fr. Sie sollen laut «Tages-Anzeiger» dann 5,8 Mio. Fr. an Stocker überwiesen haben. Kurz darauf soll Stocker 2,9 Mio. Fr. an Vincenz als «Darlehen» ausgegeben haben. Die Staatsanwaltschaft sieht darin eine Form der Bestechung.
Sieben weitere Beschuldigte
Dann ist da der Fall der fürstlichen Spesen. Auf Unternehmenskosten soll Vincenz in den Ausgang gegangen sein. Der «Tages-Anzeiger» schreibt von Besuchen im Zürcher Striplokal Red Lips, im Hotel Hyatt soll Vincenz eine Suite gehabt haben. Die Staatsanwaltschaft schreibt, sie lege Vincenz und Stocker «unberechtigte Spesenbezüge bei der Aduno bzw. der Raiffeisen zur Last, was zusätzlich zum Vorwurf der Veruntreuung führt».
Die Behörde ermittelte ausser gegen Vincenz und Stocker noch gegen sieben weiteren Personen aus deren «beruflichem Umfeld». Sie sollen die Hauptbeschuldigten «unterstützt sowie teilweise aktiv bestochen haben». Fünf von ihnen sind ebenfalls vor dem Bezirksgericht angeklagt.
Bei zwei davon handle es sich laut «Blick» um die Investnet-Gründer Peter Wüst und Andreas Etter. Für sie fordere die Staatsanwaltschaft eine zweijährige, bedingte Gefängnisstrafe und eine Gesamtrückzahlung von 12,5 Mio. Fr.
Ein weiterer Angeklagter sei Ferdinand Locher, Ex-Hauptaktionär von Eurokaution. Er soll mit 2,5 Jahren Gefängnis teilbedingt bestraft werden und 1,8 Mio. Fr. zurückzahlen. Zuletzt soll die Staatsanwaltschaft für den Genfer Immobilienunternehmer Stéphane Barbier-Mueller, Ex-Präsident von Genève Credit & Leasing, zwei Jahre bedingte Haft und 16 Mio. Fr. fordern.
Die zwei weiteren untersuchten Personen kommen laut Staatsanwaltschaft aussergerichtlich mit einem Strafbefehl davon, sprich: mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder einer Geldstrafe.
Raiffeisen könnte weiter klagen
Bereits im Juni 2018 hat die Finanzmarktaufsicht (Finma) für Raiffeisen Schweiz ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Es ist zu «schwerer Verletzung von Aufsichtsrecht» gekommen, der Verwaltungsrat hat die «Pflicht zur Oberaufsicht über den CEO vernachlässigt», der «potenziell eigene finanzielle Vorteile auf Kosten der Bank erzielen» konnte.
Aufgrund der gescheiterten Beteiligungsstrategie unter Ex-CEO Vincenz musste Raiffeisen 201 Mio. Fr. abschreiben, 125 Mio. davon wegen Investnet. Der «Tages-Anzeiger» schreibt von weiteren Rechtskosten von 25 Mio. sowie Verpflichtungen und Eventualverpflichtungen von 60 Mio. Fr.
Das Geld könnte die Bank von Vincenz nun zurückfordern. Wie Raiffeisen-Schweiz-Präsident Guy Lachappelle bereits zu FuW gesagt hat, behalte sich die Bank vor, gegen Ex-Manager und Ex-Verwaltungsräte der Ära Vincenz zu einem späteren Zeitpunkt noch zivilrechtlich Regressansprüche zu stellen. Die Bank wolle die Anklageschrift und den Prozess abwarten.
Aduno will Geld sehen
Bereits klagt Raiffeisen auf dem zivilrechtlichen Weg, um die Auflösung des Investnet-Deals zu erwirken. Sie will das geflossene Geld (150 Mio. Fr.) zurück. Die Investnet-Aktionäre, u.a. Vincenz, wollen dagegen laut «SonntagsZeitung» 100 Mio. Fr. von Raiffeisen sehen.
Aduno dürfte ähnlich verfahren. Laut «Tages-Anzeiger» soll dem Kartenzahlunternehmen ein Schaden von rund 20 Mio. Fr. entstanden sein. Die Gesellschaft soll von Stocker rund 12 Mio., von Vincenz rund 8 Mio. zurückfordern.
Seit Ende 2017 ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen Vincenz, nachdem Aduno Anzeige gegen ihn erstattetet hatte, Raiffeisen zog 2018 nach. Vincenz sass danach drei Monate in Untersuchungshaft. Das Verfahren zog sich auch deshalb drei Jahre hin, weil Vincenz’ Anwalt Lorenz Erni zunächst die Versiegelung der beschlagnahmten Dokumente beantragt hatte.
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