Stadelmann
Das alljährliche Ritual, mit dem die Medien ihren Sportler, Künstler oder Manager des Jahres erküren, ist eine typische Erfindung der Boulevardpresse.
Das alljährliche Ritual, mit dem die Medien ihren Sportler, Künstler oder Manager des Jahres erküren, ist eine typische Erfindung der Boulevardpresse. Geehrt wird nach kommerziellen Kriterien: Je mehr quotenträchtige Schlagzeilen ein VIP durch das Jahr hindurch geliefert hat, desto höher sind seine Gewinnchancen. Dass die «Finanz und Wirtschaft» in der Wahl ihres Finanzchef des Jahres anders Verfahren muss als die Promi-Gazetten, liegt auf der Hand, denn den Finanzchefs fehlt das boulevardtaugliche VIP-Profil. - Werner Stadelmann, seit 19 Jahren CFO der Kaba-Gruppe, hat die Nomination zum Finanzchef des Jahres schon längst verdient. Immerhin ist es mitunter sein Verdienst, dass sich das Traditionsunternehmen lange vor dem Börsengang 1995 als «offenste Familiengesellschaft der Schweiz» rühmen konnte. Auch die verschiedenen Podestplätze im Merkur-Wettbewerb um die beste finanzielle Berichterstattung der Schweizer Unternehmen geht auf das Konto Stadelmanns. Fortschrittlich, wenn nicht gar pionierhaft, war ferner das im Zusammenhang mit der Publikumsöffnung entwickelte Investorenhandbuch, das den (schon damals gehaltvollen) Geschäftsbericht mit vielen Zusatzangaben ergänzte. Trotz dieses überzeugenden Leistungsausweises hätte der 53-jährige HSG-Ökonom die Auszeichnung zum Finanzchef des Jahres vielleicht nicht erhalten, wenn Kaba nicht unmittelbar vor Weihnachten zum Riesenschritt über den Atlantik angesetzt hätte. Es ist schon so: Auch die FuW mag Schlagzeilen. - Freilich ist die geplante Übernahme der kanadischen Unican mehr als nur eine Schlagzeile. Sie ist sozusagen die Quintessenz der Total-access-Strategie, wie sie Kaba seit Jahren verfolgt. Stadelmann, der sich selbst als einzigen «Nur-Kaufmann» im Management bezeichnet, hat an der erfolgreichen Umsetzung der Strategie wesentlichen Anteil. Frühzeitig erkannte er die Bedeutung der finanziellen Führung, die inzwischen soweit gediehen ist, dass jeder Kaba-Mitarbeiter das Ziel eines jährlichen Gewinnwachstums von mindestens 20% pro Aktie kennt. Weil das Ziel in den letzten fünf Jahren nie verfehlt worden war, glauben jetzt auch die Investoren daran. Der Wert der Kaba-Aktien hat sich in den letzten drei Jahren nahezu verfünffacht. Kaba besitze seit 1915 ein unternehmerisch denkendes Aktionariat, erzählt Stadelmann. Diesen Geist hätten die Grossaktionäre aus dem Kreis der Gründerfamilien mit der Unican-Operation erneut bewiesen. Überzeugungsarbeit am Investor leistet Stadelmann vor allem ausserhalb der Schweiz. Der vierfache Familienvater aus Rüschlikon fährt gerne nach London und nach Amerika. «Investor relations ist das spannendste», sagt er, der die Kaba-Konten 1990 zum letzten mal selbst konsolidierte. Etwa 1970, als Stadelmann im Rahmen seiner Dissertation für Oerlikon-Bührle tätig war, entschied er, nie mehr in einem Grossbetrieb zu arbeiten. Wenn Kaba weiter so wächst wie bisher, wird er diesen Vorsatz kaum halten können. DZ