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Je länger ein Trend schon anhält, umso mehr nimmt die Bereitschaft der Investoren zu, die jüngsten Erfahrungen in ihrer Beurteilung der weiteren Entwicklung der Märkte überzugewichten.
Je länger ein Trend schon anhält, umso mehr nimmt die Bereitschaft der Investoren zu, die jüngsten Erfahrungen in ihrer Beurteilung der weiteren Entwicklung der Märkte überzugewichten. So ist es möglich, dass in einem Umfeld steigender Kurse die grösste Gefahr darin gesehen wird, dass die Kurse noch weiter zulegen könnten. Umgekehrt bei fallenden Preisen, wo mit fortlaufender Zeit die Überzeugung zunimmt, dass Kurse nur noch eine einzige Richtung kennen, nämlich nach unten. - Wer auf die dynamischen Kursbewegungen der vergangenen Jahre zurückblickt, wird erkennen, dass dem nicht so ist. Trends haben ihre Entstehungs- und Endphasen. Die eigenen Emotionen machen es aber sehr schwer, diese zu identifizieren. Jeder Investor ist eben auch selbst Teil des Markts und wird von diesem ganz einfach mitgerissen. - Die technische Analyse kann hier als eine Art Spiegel agieren und zeigen, was im Fluss der Emotionen sonst untergeht. Haussemärkte sterben nicht, weil die Gewinne der Unternehmen zusammenbrechen, sondern weil den Investoren – die dies noch gar nicht wissen – die Barmittel ausgehen, um die Aufpreise zu bezahlen, die weitere Neuengagements im Markt erfordern. Baissen wiederum enden, nicht weil die Investoren an künftige Unternehmensgewinne denken, sondern weil sie schon alles Notwendige getan haben, um ihre Vision auf ihr Portfolio umzumünzen. - Seit einigen Wochen ist erkennbar, dass der Baissetrend an den europäischen Aktienmärkten dieses Stadium erreicht hat. Die prozentuale Rate, mit der die Kurse sinken, nimmt (ausgemittet) immer weiter ab. Allerdings fällt auch die Bereitschaft, sich auf eine Wende einzustellen, denn gleichzeitig steigt die Erfahrung, dass es bis zu dieser eben immer länger als erwartet dauert. In der letzten Analyse von Daimler-Chrysler in dieser Kolumne (vgl. FuW Nr. 5 vom 18.Januar) wurde festgestellt, dass demnächst die Titel zu Kursen zwischen 27 und 28.50 Euro wohl gekauft werden könnten, weil die Chancen die noch vorhandenen Risiken zu überwiegen begonnen haben. Trotz der (noch) anhaltenden Aktienbaisse notieren die Daimler-Aktien heute nicht tiefer als zum damaligen Zeitpunkt, obwohl sich inzwischen noch kein neuer Aufwärtstrend etabliert hat. - Die aktuellen Daten zeigen, dass Daimler-Chrysler die Vorteile, die ihnen zu diesem Status verholfen haben, nun einzubüssen beginnen. Immer wahrscheinlicher wird, dass während der nächsten ein bis zwei Wochen die Januar-Tiefs nochmals erreicht, vielleicht sogar leicht unterschritten werden. Diese Schaukelbewegung ist jedoch gesamthaft als Teil einer mittelfristigen (für einige Monate gültigen) Bodenbildung zu sehen, möglicherweise sogar in einem längeren Kontext. - Als eine angemessene Handlungsweise erscheint in diesem Moment, vorhandene Positionen etwas zu reduzieren. Dies kann durch eine Reduktion der Basiswerte oder, quasi mit angezogener Handbremse, durch den gedeckten Verkauf von Call-Optionen auf diesen vollzogen werden. In jedem Fall wären die Positionen unterhalb 25 Euro stufenweise wieder aufzubauen – und dieses Engagement dürfte in einem grösseren Umfang eingegangen werden, als dies noch Ende Januar der Fall war.Roland Vogt - www.invest.ch