Steigende Zuversicht für Amazon.com
Viele Anleger sind noch damit beschäftigt, Wunden zu lecken und Nabelschau abzuhalten.
Viele Anleger sind noch damit beschäftigt, Wunden zu lecken und Nabelschau abzuhalten. Derweil laufen ihnen die Kurse davon. Das hat nichts mit dem rationalen Maximieren der Finanztheorie zu tun, dafür umso mehr mit dem Charakter der Börse, der vom Umstand definiert wird, dass sie eine öffentliche Veranstaltung mit hoher Kommunikationsintensität ist. Ihre Akteure leben im Konflikt zwischen Authentizität und Konformität und lösen diesen Konflikt vorwiegend durch Anpassung. Daher bringt das Buch «Die Kunst der Skandalierung und die Illusion der Wahrheit» des Kommunikationswissenschafters Hans Mathias Kepplinger für Leute, die die Börse verstehen wollen, grundlegende Einsichten. - Eine Trendakzeleration nach oben (wie im Frühjahr 2000) oder nach unten (wie im Sommer 2002) läuft ähnlich ab wie die Skandalierung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in den Medien. Eine intensive Orientierung der Meinungsmacher aneinander, ein Publikum, das aus wenigen Wortführern, einigen Mitläufern, vielen Chronisten und kaum Skeptikern besteht, um in den Worten Kepplingers zu reden, ist eine Kombination, die Exzesse wie im September 2002 erst möglich macht. Damals brüstete sich Spitzenpersonal mächtiger Kapitalsammelstellen damit, die Aktienquote «auf 3%» heruntergefahren zu haben. Und das im September 2002 auf einem Stand des Euro Stoxx50 von 2300 und nicht etwa im März 2000 auf rund 5500 Punkten! - Exzesse wie im Frühjahr 2000 waren im Spätsommer 2002 an der Börse auszumachen. Sie leiteten mit grosser Wahrscheinlichkeit den Übergang des Baissemarktes zu etwas Neuem ein, und das dürfte eher eine Schaukelbörse als ein Haussemarkt sein. Eine Schaukelbörse kommt dadurch zustande, dass ein Paradigma erst gebildet werden muss. Das von 1982 bis 2000 gültige Paradigma hiess Desinflation und Produktivitätszuwachs. Ein neues fehlt. - In einer Übergangsphase ist es besonders wichtig, die richtigen Sektoren zu erwischen. Das werden nicht jene sein, die sich bis anhin relativ gut zu halten vermochten, sondern jene, die in der Baisse am meisten gelitten haben. Tatsächlich fliesst das Geld in mit Methoden der Relative-Stärke-Messung quantifizierbarer Weise in Internet-, Telecom- (z. B. Vodafone) und Technologie-Aktien(Nokia). Beispiele dafür, dass diese Sektoren sich von der Masse positiv abheben, gibt es jetzt viele. Die positive Abweichung kulminiert im besten Rating aller Sektoren mit 66% für Technologie und Telecom und der steigenden Tendenz der Sektoren-Ratings. Titel, die dieses Rating übertreffen, können gekauft werden. - Eine Aktie mit einem Rating von 83% ist die bereits am 25. September empfohlene Amazon.com. Die Aktie, die 80% unter ihrem Höchst notiert, gehört zu einer Truppe von über 50 attraktiven Technologie-, Telekom- und Internet-Titeln. Ihr Rating zeigt, dass Gleichzeitigkeit und Gleichgerichtetheit des öffentlichen Interesses – ein leicht abgewandeltes Zitat aus Kepplingers Buch – vorhanden sind. Das ist Voraussetzung für eine Neueinschätzung des Titels. Alfons Cortés - www.alfonscortes.com