Topix hat Widerstand überwunden
Mit Verfügbarkeitsheuristik bezeichnet die Behavioral finance die Neigung, die wir alle haben, uns mit leicht zugänglichen Informationen zu begnügen.
Mit Verfügbarkeitsheuristik bezeichnet die Behavioral finance die Neigung, die wir alle haben, uns mit leicht zugänglichen Informationen zu begnügen. So hat beispielsweise irgendwann in den letzten zehn Jahren irgendwo ein Journalist dem Begriff Neoliberalismus eine Deutung gegeben, die nicht mit dem durch seine Begründer gegebenen Inhalt übereinstimmt. Andere Journalisten haben diese Deutung übernommen, ohne sich über den richtigen Inhalt, z.B. in einer Enzyklopädie über Politologie, kundig zu machen. - Dieses Beispiel verdeutlicht, was der Begriff der Verfügbarkeitsheuristik wirklich bedeutet: dass wir die Qualität unserer Information nicht an der Quantität messen können. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir erst in einigen Monaten annäherungsweise die Gründe für den Aufwärtstrend der japanischen Börse verstehen können. In einem komplexen System, wie die Börse eines ist, geht es – da hatte Friedrich von Hayek wieder einmal recht – darum, das Richtige zu tun, ohne wissen zu können, warum es das Richtige ist. Und das Richtige ist, in Japan investiert zu sein und jede nichtjapanische Aktie am stärksten japanischen Index, den Topix, zu messen. Aktien, die den Topix nicht schlagen können, sollen gar nicht gekauft werden. - Wie weit wird der Topix steigen - Das weiss ich nicht, niemand weiss das. Bemerkenswert ist aber, dass der Widerstand auf 1120 Punkten überwunden wurde. Diesen Widerstand erwähne ich selbstverständlich mit Absicht, denn die Kritiker der technischen Analyse bezeichnen gerade die Beachtung von Widerstands- und Unterstützungsmarken als Hokuspokus. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Eines der bedeutendsten Experimente von Behavioral finance zeigt, dass die meisten Marktteilnehmer den Einstandspreis als Referenzgrösse für ihre Entscheide ansehen. Der Einstandspreis ist a priori kein öffentliches, sondern ein privates Datum. Solange die Hunderttausenden von Marktteilnehmern, die ihren eigenen Einstandspreis als Referenzgrösse betrachten, von dieser Vorgehensweise nicht abgehalten werden können, ist aber eben dieser Einstandspreis der einzelnen Anleger bedeutsam. - Über die Charts wird publik gemacht, wo für viele Leute ein bestimmter Einstandspreis von Bedeutung ist. Das sind dann eben die berühmten Widerstands- und Unterstützungszonen, die anhand besonders intensiver Aktivität und auffallend hoher Partizipation erkennbar werden. Wird eine Widerstandszone mit hohen Umsätzen und starkem Momentum überwunden, verliert der Dispositionseffekt, wie dieser Sachverhalt genannt wird, die negative und erlangt eine positive Wirkung, da einst getroffene Entscheide vieler Anleger sich im Nachhinein durch die Marktentwicklung doch noch als richtig herausstellten. Was früher Widerstand war, wird dadurch zur Unterstützung. - Die Figur der sympathischen Ladina, die ich in der Kolumne vor einer Woche einführte, wird durch Überwindung einer Widerstandsmarke ihre Schlafstörungen los, ohne ihre Aktien mit Verlust verkaufen zu müssen. Dem Verhalten der Ladina als Prototyp-Börsianer nachzuspüren ist prozedural-rational und erlaubt das Richtige zu tun, auch wenn es auf der Basis verfügbarer Daten als solches nicht erkennbar ist. - Die Überwindung eines grossen Widerstands im Topix ist ein Bestätigungssignal für den Aufwärtstrend. Rückschläge wird es geben, sie werden jedoch Konsolidierungen sein und Chancen bieten, die Exponierung in Japan weiter zu erhöhen. - Alfons Cortés,www.alfonscortes.com