Trotz rückläufiger Volumen emittieren Banken ungestüm weiter Das Schweizer Geschäft tanzt nicht aus der Reihe
Obschon die Prämienvolumen im Geschäft mit verbrieften Derivaten markant zurückgegangen sind, emittieren die Banken nach wie vor so fleissig, dass die Zahl der ausstehenden Produkte weiter wächst.
Obschon die Prämienvolumen im Geschäft mit verbrieften Derivaten markant zurückgegangen sind, emittieren die Banken nach wie vor so fleissig, dass die Zahl der ausstehenden Produkte weiter wächst. Dass diese Erkenntnis und die Schlüsse daraus, die für die Schweiz nicht neu sind (vgl. FuW Nr. 27 vom 7. April), auch auf die Märkte in anderen Ländern zutreffen, bestätigt der neueste Bericht «The world warrant market» des Pariser International Warrant Institute (IWI). - Während Ende Dezember 2000 insgesamt 35932 Warrants-Emissionen ausstehend waren, lag die Zahl Ende Juni 2001 bereits auf 47721. Dabei lassen die in Euro ausgewiesenen Prämienumsätze (also die Beträge, die für die Instrumente bezahlt werden) des ersten Halbjahres auf eine markante Abkühlung des Geschäfts in allen Hauptmärkten schliessen (vgl. Tabelle). Darin spiegelt sich die Tatsache, dass sich die meisten Warrants auf Aktien beziehen (vgl. Grafik «Aktien sind am beliebtesten») und Kaufoptionen (Calls) sind. Optionsscheine sind primär Instrumente für Privatanleger – und diese spekulieren erfahrungsgemäss kaum à la baisse. - Das IWI bietet für das scheinbare Paradox von markant mehr Emissionen und zugleich deutlich weniger Umsatz zwei Erklärungen. Erstens habe das Kursverhalten der Basiswerte die Emittenten gezwungen, immer neue Serien mit angepassten Ausübungspreisen zu begeben. Denn Warrants, die sehr weit aus dem Geld liegen, d.h. der Ausübungspreis meilenweit vom aktuellen Aktienkurs entfernt ist, sind für Anleger wenig attraktiv, besonders wenn die Restlaufzeit nur noch kurz ist. - Zweitens trachteten Alteingesessene und Neulinge unter den Emissionsbanken danach, möglichst schnell eine komplette Produktpalette zu schaffen, argumentiert das IWI. Auch dieser Punkt leuchtet ein, denn in einem schrumpfenden Markt mit neuen Anbietern verschärft sich der Wettbewerb. Setzt sich die Entwicklung sinkender Volumen fort, dürfte allerdings irgendwann einmal ein Wendepunkt erreicht werden: Einige Bankinstitute werden sich dann aus Kostengründen aus dem Geschäft zurückziehen und das Feld den Ausdauernden überlassen. Allein die Fixkosten pro Emission können mehrere tausend Franken betragen. Schon für einen normalen Call oder Put erhebt die SWX Swiss Exchange eine Kotierungsgebühr von 3500Fr. Dazu kommen Dokumentation, die Publikation des Kotierungsinserates sowie andere Werbemassnahmen. - Dass für Anleger die Derivate interessant sind, deren Basiswert grossen Kursschwankungen unterworfen ist, zeigt die Hitparade der beliebtesten Aktien: Ende Juni waren auf Nokia (649), Deutsche Telekom (543), Siemens (495) und Ericsson (477) am meisten Emissionen ausstehend. Unter den ersten 15 Aktien figuriert zwar kein Schweizer Titel, doch bezogen sich über 2000 Emissionen auf einheimische Basiswerte. Damit machte unser Land einen Platz gut und liegt nun vor Japan auf Rang fünf (vgl. Tabelle «Deutsche und US-Aktien im Mittelpunkt»). - Auch ein Klassement der Derivathäuser ist im IWI-Bericht zu finden. Gemessen an der Anzahl ausstehender Emissionen führt weltweit Citibank (14,5%) vor Société Générale (14,3), Goldman Sachs (9), UBS (7,6) und BNP Paribas (6,6). Zwischen 5 und 6% liegen Commerzbank, Unicredito, Crédit Lyonnais, Dresdner Bank und Lehman Brothers. In der Schweiz hat Vontobel (14,5%) die Nase vorn, knapp vor Goldman Sachs (14,4) gefolgt von UBS (12,2). Zwischen 5 und 10% der Warrants stammen von Citibank, der Zürcher Kantonalbank (ZKB), Merrill Lynch, Société Générale, CSFB und Crédit Lyonnais. Einen etwas besseren Massstab für die Marktstellung als die Anzahl Emissionen – aber auch keinen besonders guten (vgl. FuW Nr. 55 vom 14. Juli) – bilden die Prämienvolumen. Nach diesem Kriterium beherrschen ZKB (30,2%), Bank Vontobel (19,6), UBS (19,2) und Goldman Sachs (11) die heimische Szene. - Wer immer auf die IWI-Zahlen abstellt, muss einige Punkte beachten. Das Institut bezieht die Daten von den jeweiligen Börsenplätzen. Dabei wird nicht zwischen Standard-Calls und -Puts sowie strukturierten Produkten (Zertifikate, Diskont- und Couponinstrumente) unterschieden. Nicht einmal die SWX liefert detaillierteres Zahlenmaterial. Die unter Warrants subsumierten Produkte sind hinsichtlich Prämienvolumen kaum vergleichbar; Derivate, die eine Kapitalkomponente aufweisen, sorgen automatisch für höhere Volumen als solche mit reinem Optionscharakter. Der Mix zwischen einfachen und strukturierten Produkten, den die Banken offerieren, ist aber nicht deckungsgleich. Zudem verzichten einige Häuser darauf, komplexe Instrumente überhaupt zu kotieren – sie werden von der Statistik deshalb gar nicht erfasst. Entsprechende Ranglisten sind daher mit Vorsicht zu geniessen (vgl. FuW Nr. 43 vom 2. Juni). - Zusätzlich sind nationale Eigenheiten zu beachten. Ein Derivathändler schätzt, dass in Deutschland auf Grund des mehrstufigen Abschlussverfahrens die Prämienvolumen mindestens um den Faktor zwei «überschätzt» werden. In einer Nettobetrachtung hätte die Schweiz damit gute Chancen, zum Warrantsmarkt Nummer eins vorzurücken. Zudem fängt das IWI die Marktlage gewissermassen als Schnappschuss so ein, wie sie sich am 30. Juni präsentierte. In der Derivat-Branche ist aber schon ein Quartal eine lange Zeit.