Die Ankündigung des USA-Mexiko-Kanada-Abkommens (USMCA) wurde weltweit mit einem Stossseufzer der Erleichterung begrüsst. Die Einigung über den Ersatz des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (Nafta) bedeutet, dass eine absolute Katastrophe verhindert worden ist. Die ersatzlose Aufhebung von Nafta wäre so teuer geworden, dass sie immer nur eine entfernte Möglichkeit war, aber sie stand trotz allem im Raum.
Trotzdem ist das Beste, was sich sagen lässt, dass das Schlimmste vermieden wurde. Zwei der schädlichsten US-Vorschläge wurden abgelehnt oder deutlich abgeschwächt. Erstens haben sich die Parteien statt auf eine Befristungsklausel, die alle fünf Jahre Neuverhandlungen erzwungen hätte, auf eine Befristung von sechzehn Jahren geeinigt, bei Überprüfung der Regelung alle sechs Jahre. Da ein Verlängerungszeitplan von fünf Jahren für Unternehmen wie Regierungen massive Unsicherheit geschaffen hätte, ist die 16-Jahres-Bestimmung zu begrüssen. Es bleibt allerdings abzuwarten, was die Überprüfung nach sechs Jahren nach sich ziehen wird.
Zweitens wurde der als Chapter 19 bekannte Mechanismus zur Beilegung von Streitigkeiten, den die Trump-Regierung abschaffen wollte, beibehalten, wenn auch in verwässerter Form. Die Bestimmung wird – besonders für Kanada – einen gewissen Puffer gegen Antidumpingzölle und andere protektionistische Massnahmen bieten. Was die sonstigen kleineren Änderungen an Nafta im Rahmen von USMCA angeht, so wurden die meisten davon bereits während der Verhandlungen über die Transpazifische Partnerschaft vereinbart, die Präsident Donald Trump nach seinem Amtsantritt abbrach.
Es spricht sehr wenig für das USMCA
Insgesamt spricht sehr wenig für das USMCA. Dies zeigt sich schon daran, dass das wichtigste Verkaufsargument der Trump-Regierung für das Abkommen ein Zugeständnis Kanadas ist, etwa 3,6% seines 16,3 Mrd. $ grossen Milchmarktes für zusätzliche US-Exporte zu öffnen. Im Gegenzug haben die USA zugesagt, mehr Erdnüsse und Zucker aus Kanada zu importieren, was bedeutet, dass die Einfuhren aus anderen Ländern fallen könnten. Zugleich werden die US-Zölle auf Einfuhren von Stahl und Aluminium aus Mexiko und Kanada beibehalten.
Während des gesamten Verfahrens konzentrierten sich die US-Verhandlungsführer hauptsächlich auf die Autoindustrie. Das USMCA wird unter anderem die Zahl der Fahrzeuge begrenzen, die in die USA importiert werden können, was faktisch den Weg frei macht für einen gelenkten Handel. Noch ist unklar, wie die Einfuhrquoten zugewiesen werden sollen, doch begünstigt fast jedes Quotensystem etablierte Unternehmen gegenüber neuen Marktteilnehmern und unterdrückt so Wettbewerb und Innovation.
Trumps erklärte Ziele in der Neuverhandlung von Nafta – falls «Neuverhandlung» das richtige Wort dafür ist, wenn jemand seine kleineren Nachbarn so lange tyrannisiert, bis sie seinen Forderungen nachgeben – waren die Verringerung der bilateralen Handelsdefizite der USA gegenüber Kanada und Mexiko und die «Rückholung guter Jobs». Doch legt man diese Kriterien an, so ist das neue Abkommen ein spektakulärer Fehlschlag. Wie jeder Ökonom weiss, ist ein Defizit bei Waren und Dienstleistungen ein makroökonomisches Phänomen, das die nationalen Ausgaben und die Ersparnisse eines Landes spiegelt. Wenn die USA ihr Gesamtdefizit senken wollen, müssen sie entweder ihre Ausgaben reduzieren oder mehr sparen. Das USMCA bewirkt weder das eine noch das andere.
Kein Jobwunder zu erwarten
Zudem wird das Abkommen vermutlich mehr US-Arbeitsplätze vernichten als schaffen. Die neuen Ursprungsregeln schreiben vor, dass 75% eines Importfahrzeugs in Nordamerika produziert sein müssen (gegenüber 62,5% in Nafta); dies wird vermutlich Arbeitsplätze kosten, weil es die Fertigungskosten erhöht. Das Gleiche gilt für die Bestimmung, dass ab 2023 40 bis 45% der Wertschöpfung eines Fahrzeugs von Arbeitnehmern stammen müssen, die mindestens 16 $ pro Stunde verdienen – ein Satz, der deutlich über dem Verdienst liegt, den mexikanische Automobilarbeiter erwarten können.
Vermutlich werden sich die mexikanischen Hersteller entscheiden, die Kosten für den 2,5%igen US-Zoll auf Importwagen zu tragen, statt die Ursprungsregeln oder die Lohnvorgaben zu erfüllen (daher die Notwendigkeit von Einfuhrquoten). So oder so jedoch werden beide Bestimmungen die Konkurrenzfähigkeit der nordamerikanischen Autohersteller auf breiter Front verringern. Tatsächlich sind die Autohersteller in Asien und Europa vermutlich aus dem Häuschen vor Freude über die Aussicht auf erhöhten Umsatz. Sie haben nun in Drittländern und vielleicht sogar auf dem US-Markt einen Wettbewerbsvorteil gegenüber nordamerikanischen Herstellern.
Was in den USA operierende ausländische Autohersteller angeht, so werden sie fast mit Sicherheit alle Anlagen, die Eingangsleistungen für ausländische Märkte produzieren, ins Ausland verlagern. Diese Verlagerung wird im Verbund mit den höheren Preisen für Autos aus den USA die amerikanische Gesamtfahrzeugproduktion weiter schrumpfen lassen – und damit auch die Beschäftigung im Automobilsektor. Selbst wenn die US-Teilehersteller ihre Produktion ausweiten sollten, wären sie geneigt, möglichst viel davon zu automatisieren, statt mehr Arbeitsplätze zu schaffen.
Glaubwürdigkeit beschädigt
Einer der grössten Vorteile von Nafta war, dass es Nordamerika-übergreifend integrierte Lieferketten ermöglichte. Die US-Autohersteller erlangten so zu einem geringeren Preis Zugang zu arbeitsintensiven Teilen aus Mexiko, und die mexikanischen Hersteller erhielten Zugang zu weniger teuren kapitalintensiven Teilen aus den USA. Damit verbesserte die nordamerikanische Automobilindustrie ihre Wettbewerbsposition international. Das USMCA wird die effizienten Lieferketten der Nafta nicht zerstören, aber es wird ihre Kosten erhöhen und diesen Vorteil so untergraben.
Kurzfristig wird das USMCA nicht allzu viel verändern. Doch langfristig dürfte es die US-Beschäftigung verringern, Nordamerikas Anteil am weltweiten Automarkt schrumpfen lassen und Amerikas Glaubwürdigkeit in internationalen Handelsfragen beschädigen – ohne dabei das US-Leistungsbilanzdefizit zu senken.
Insgesamt gibt es gute Gründe für die Annahme, dass Trumps Neuverhandlungen tatsächlich schweren Schaden angerichtet haben. Vor allem werden sich andere Regierungen nun die Frage stellen müssen, warum sie mit einem Land verhandeln sollten, das Vereinbarungen nach Belieben bricht. Bis 2017 waren die USA in der Handelsliberalisierung eines der weltweit führenden Länder; damit ist es vorbei. Selbst wenn es Amerikas Handel tatsächlich nützen würde, Freunde und Verbündete an den Verhandlungstisch zu zwingen, wäre das den Verlust an amerikanischer Soft Power nicht wert gewesen.
Copyright: Project Syndicate.
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Trumps nordamerikanische Handelsfarce
Wenn die USA ihr Gesamtdefizit senken wollen, müssen sie entweder ihre Ausgaben reduzieren oder mehr sparen. Ein Kommentar von Anne O. Krueger.