Fixe Wechselkurse liegen vor, wenn zwischen zwei Währungen permanent ein bestimmter Wechselkurs, z. B. genau 1.20 Fr./€, aufrechterhalten wird. Eine Währungsunion kann ebenfalls als ein Fixkurssystem interpretiert werden, in dem z. B. immer gilt: Ein griechischer Euro ist genau gleich einem deutschen Euro. Das trifft natürlich auch für jedes andere einheitliche Währungsgebiet zu: Ein Zürcher Franken ist immer genau gleich einem Walliser Franken. Wenn man die Sache so betrachtet, kann man auf die Funktionsfähigkeit einer Währungsunion alle diejenigen Erfahrungen übertragen, die mit anderen Fixkurssystemen bereits gemacht worden sind. Das sind z. B. viele hundert Jahre Gold- oder Silberwährung und auch schon weit über hundert Jahre einheitlicher nationaler Währungen.
In den Zeiten der Gold- oder Silberwährungen lagen Fixkursysteme vor, weil das Austauschverhältnis zwischen Taler- und Pfundmünzen an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit genau ihrem Gewichtsverhältnis entsprach. Wenn ein Taler ein Gewicht von 2 Gramm Gold hatte und ein Pfund eines von 4 Gramm Gold, dann war der Wechselkurs zwei Taler pro Pfund.
Die Interpretation einer Währungsunion, bzw. jedes einheitlichen Währungsgebiets, als Fixkurssystem hat den Vorteil, die Diskussion von der Theorie der optimalen Währungsgebiete abzubringen. Ihr zufolge sollte eine Währungsunion bzw. ein einheitliches Währungsgebiet einem optimalen Währungsgebiet entsprechen; das ist dann der Fall, wenn die Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Teilen der Union nicht sehr gross sind oder wenn die Produktionsfaktoren sehr mobil sind. Diese Kriterien sind in grösseren Währungsräumen selten oder nie erfüllt; man denke an Russland, China, Indien, Brasilien, die USA und eben auch die EU. Trotzdem gibt es jede Menge historische und aktuelle Evidenz dafür, dass grosse Währungsräume ohne Probleme sehr viel längere Zeit Bestand gehabt haben als die kümmerlichen gut zehn Jahre, auf die es der Euro bisher gebracht hat.
Im Fed-Raum sind Pleiten möglich
Von besonderem Interesse ist das Beispiel der USA, die erst seit 1913 eine Zentralbank besitzen. Das Besondere an dieser Zentralbank ist, dass sie zwölf selbständige Distriktnotenbanken hat. Das Federal Reserve System (Fed) hat also sehr grosse Ähnlichkeit mit der Europäischen Zentralbank (EZB). Was im Fed die zwölf Distriktnotenbanken sind, sind in der EU die nationalen Zentralbanken. Wo liegen nun die entscheidenden Unterschiede zwischen den USA und der EU, die dafür sorgen, dass der Dollarwährungsraum seit hundert Jahren funktioniert, während der Eurowährungsraum zehn Jahre nach der Einführung des Euros (als Buchwährung 1999) in die Krise geraten ist und seither darin verharrt?
Die wichtigsten Punkte sind: Erstens, zwischen den Währungsdistrikten der USA gibt es keine automatische Kreditgewährung in beliebiger Höhe wie in der Form der sog. Target-Salden zwischen den Notenbanken des Eurogebiets. Zweitens: Zwischen den Gebietskörperschaften der USA (Bund, Bundesstaaten, Bezirke, Gemeinden) gibt es zwar einen gewissen Finanzausgleich, aber keinen Haftungsverbund wie, entgegen dem Vertrag von Maastricht, de facto im Eurogebiet. Drittens: Einheitliche Lebensverhältnisse auf dem gesamten Gebiet der USA sind den Amerikanern als moralischer Anspruch und politisches Ziel fremd. In Europa sind sie explizites Ziel und damit Grundlage für entsprechende Ansprüche und ihre Einforderung über Zwangssolidarität.
Wenn ein Währungsdistrikt in den USA, aus welchen Gründen auch immer, in einem Jahr ein Zahlungsbilanzdefizit gegenüber den übrigen Währungsdistrikten hat, so führt dies dazu, dass seine Distriktnotenbank in diesem Jahr mehr Zahlungsausgänge an die anderen Distriktnotenbanken hat als Zahlungseingänge von dort. Das bedeutet, dass sie sich gegenüber den übrigen Distriktnotenbanken verschuldet. Das Gleiche geschieht, wenn Griechenland ein Zahlungsbilanzdefizit gegenüber Deutschland hat (sog. Target-Saldo). Der Unterschied ist, dass in den USA die aufgelaufenen Salden zwischen den Distriktnotenbanken einmal im Jahr real ausgeglichen werden müssen, während sie sich im Eurogebiet in beliebiger Höhe beliebig lange aufkumulieren können. Es ist klar, dass die defizitäre Distriktnotenbank in den USA einen starken Anreiz hat, dafür zu sorgen, dass die Verschuldung möglichst schnell beendet wird, während die defizitäre Notenbank in Europa keinen derartigen Anreiz hat.
Übrigens gibt es natürlich auch zwischen den Regionen eines einheitlichen Währungsgebiets mit einer einzigen Zentralbank Zahlungsbilanzsalden, die durch privaten Kredit und allfällige Finanzausgleichsleistungen ausgeglichen werden. Je höher der Anteil des privaten Kredits ist, desto grösser ist der Druck auf die Region, ihr Defizit zu beseitigen. Das amerikanische Beispiel wurde nur deswegen gewählt, weil es mit seinen Distriktnotenbanken dem Eurogebiet so ähnlich ist.
Von der Gemeinde bis zum Bundesstaat kann in den USA jede Gebietskörperschaft pleitegehen, dies ist auch schon oft geschehen. Noch öfter allerdings hat die Möglichkeit, dass dies geschehen könnte, dafür gesorgt, dass es nicht so weit kam. Auf die Existenz und das Funktionieren des Dollarwährungsgebiets hatten Pleiten keinen Einfluss. Warum im Eurogebiet einzelne Staaten nicht pleitegehen dürfen, ist daher mit der Fortexistenz und dem Funktionieren dieses Währungsgebiets nicht begründbar. Dass dadurch die Gläubiger Geld verlieren würden, dass es angesichts der Vielzahl hoch verschuldeter Staaten zu einem Dominoeffekt kommen könnte, dass dann besonders die Banken in Schwierigkeiten gerieten und daraus eine schwere Wirtschaftskrise entstehen könnte, sei nicht bestritten. Aber mit der Existenz und dem Funktionieren des Euros als gemeinsamer Währung hat das nichts zu tun. Es wäre hilfreich, wenn man nicht von der Eurokrise, sondern von der europäischen Schuldenkrise spräche, denn genau darum und nur darum geht es.
Europas Problem mit dem Profit
Die vor über 200 Jahren zuerst entwickelte Theorie der Vorteilhaftigkeit des internationalen Handels für alle Beteiligten wurde unter der Voraussetzung fixer Wechselkurse entwickelt und kann daher auch auf den Handel innerhalb eines Währungsgebiets angewendet werden. Der Unterschied zwischen den USA und dem Eurogebiet besteht darin, dass man in den USA den interregionalen Handel und, wo er nicht ausreicht, die interregionalen Faktorwanderungen als Mittel zur langfristigen Wohlstandssteigerung für alle betrachtet, während man sich im Eurogebiet gegenseitig vorrechnet, welches Land angeblich oder tatsächlich in der kurzen Zeit seiner bisherigen Existenz am meisten vom Euro profitiert hat und, da Profit in Europa etwas Unmoralisches ist, dafür bezahlen soll.
Die Vitalität der US-Wirtschaft resultiert nicht zuletzt daher, dass sie die Vorteile des einheitlichen Währungsgebiets für den interregionalen Handel und die interregionale Faktormobilität voll ausschöpft und bereit ist, die zumindest temporären Differenzen zwischen relativen Gewinnern und relativen Verlierern hinzunehmen in der begründeten Erwartung, dass à la longue alle zumindest absolut profitieren werden. Europa hingegen bringt sich mit seiner Fixierung auf Gleichheit und Einheitlichkeit und der daraus folgenden Strukturkonservierung durch alle möglichen Arten zwangssolidarischer Ausgleichsmassnahmen um sein gemeinsames Wachstumspotenzial.
Fixkurssysteme (bzw. einheitliche Währungsgebiete und Währungsunionen) begünstigen den internationalen (bzw. interregionalen) Handel und die internationale (bzw. interregionale) Faktormobilität und schaffen dadurch Wohlstand. Fixkurssysteme funktionieren seit eh und je auch dann, wenn es sich nicht um optimale Währungsräume, nach welcher Definition auch immer, handelt. Dies setzt allerdings voraus, dass einige elementare Spielregeln eingehalten werden. Daran und an nichts anderem fehlt es in Europa.
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Währungsunion als Fixkurssystem
Fixkurssysteme funktionieren auch dann, wenn es nicht um optimale Währungsräume geht. Einheitliche Währungsgebiete begünstigen Handel und Faktormobilität über Grenzen hinweg. Ein Kommentar von Henner Kleinewefers.