Wächst oder schrumpft die Geldmenge ?
Die Entscheidungsträger der Schweizerischen Nationalbank (SNB) können gelassener auf das geldpolitische Umfeld blicken als ihre Amtskollegen im Ausland.
Die Entscheidungsträger der Schweizerischen Nationalbank (SNB) können gelassener auf das geldpolitische Umfeld blicken als ihre Amtskollegen im Ausland. Die Konjunktur schwächt sich nur langsam ab, und die strukturellen Stärken überwiegen. Erinnert sei nur an die tiefe Arbeitslosenrate. Die Inflation liegt in der Mitte des von der SNB definierten Korridors, der bis 2% reicht. Der Franken notiert fest gegenüber dem schwächelnden Euro. Ruhe und klare Verhältnisse kennzeichnen die letzten drei Wochen, bevor SNB-Chef Jean-Pierre Roth am 14. Juni die geldpolitische Strategie für das zweite Halbjahr vorstellt. Wäre da nicht das Geldmengenwachstum… - Genau genommen lässt sich anhand der Notenbankstatistiken nicht einmal feststellen, ob es sich um ein Wachstum oder eine Schrumpfung handelt. Je nach Definition der Geldmenge fällt das Vorzeichen positiv oder negativ aus. Das Aggregat M1 bildet sich seit Jahresanfang leicht zurück. Betrug sein Volumen im Januar noch 205,56 Mrd. Fr., so wurden im April nur noch 202 Mrd. Fr. gezählt. M1 umfasst den Umlauf an Bargeld, Depotkonten bei der SNB, Sichtguthaben von Handel und Industrie bei der SNB, die Sichteinlagen bei Banken sowie die Postkontoguthaben. Nicht eingeschlossen sind Noten und Münzen von Banken und Post sowie die Postkontoguthaben der Banken und des Bundes. - Schöpfte also die SNB in diesem Jahr 3,56 Mrd. Fr. aus der Wirtschaft ab - Immerhin schrumpfte im gleichen Zeitraum auch die etwas breiter gefasste Geldmenge M2, die abgesehen von M1 auch Spareinlagen (allerdings ohne die Freizügigkeits- und Vorsorgekonten) umfasst, um 7,18 Mrd. Fr. Sie beläuft sich auf 372,35 Mrd. Fr. Die Annahme wäre damit bestätigt, würde die Geldmengenstatistik gemäss der am weitesten gefassten Definition (M3), die einen Anstieg um 6,21 Mrd. Fr. verzeichnet, nicht genau entgegengesetzt ausfallen. M3 zählt zu M2 noch Termineinlagen hinzu. Im April betrug das Volumen 485,46 Mrd. Fr. - Die SNB-Watcher wägen ab. Alle monetären Statistiken seien durch Sonderfaktoren verzerrt. Vor allem M1 und M2 würden die konjunkturell bedingte Geldnachfrage nicht korrekt spiegeln. Was wie eine Abschöpfung aussehe, sei vielmehr die Folge des veränderten Sparverhaltens der Öffentlichkeit. Immer mehr Menschen bewahren immer weniger Geld in klassischen Sparguthaben auf. Meist wird es in Wertschriften investiert. Diese Anlagen erscheinen nicht in den Bankbilanzen. Sie haben deshalb aber den Wirtschaftskreislauf nicht verlassen, nur lassen sie sich nicht mehr in der bisherigen Form – allenfalls in Kapitalverkehrsbilanzen – messen. - Auch M3 ist da nicht wesentlich aussagekräftiger. Auf Anfrage entzieht sich selbst die SNB allfälligen Deutungsversuchen der jüngsten M3-Entwicklung. Es fehlten dazu ausreichende statistische Angaben. Bei den angesprochenen Termineinlagen, die M3 von M2 trennen, handelt es sich weitgehend um so genannte Quasigelder, kurzfristige Geldanlagen von einem, zwei oder wenigen Monaten, wie sie jede Bank anbietet. 2001 liegen sie mehr als 30% über dem Niveau des Vorjahres. Seit Januar 2000 haben sie sich um 38,56 Mrd. auf 113,11 Mrd. Fr. ausgeweitet. - Eine Erklärung könnte darin liegen, dass viele Anleger schlecht rentierende Aktienengagements abgestossen haben und ihr Geld vorübergehend parken. Auch könnte der Anstieg Ausdruck der Rolle des Frankens als sicherer Hafen sein, wo Euro- oder Dollarinvestoren auf sichere Frankenanlagen ausweichen. Mehr als Vermutungen sind das aber nicht. Die Nationalbank tappt derweil im Dunkeln. Sie ist darüber aber nicht beunruhigt, denn sie weiss um die Interpretationsschwierigkeiten. Sie hat deshalb Anfang 2000 die Geldmenge aus ihrem geldpolitischen Zielkatalog entfernt und orientiert sich seither an der Inflation und dem 3-Monate-Franken-Libor.AN