Wer hat das bessere Konjunkturpaket?
Ist der Biden-Plan der überlegene Konjunkturstimulus, als der er an den Börsen gefeiert wird? Oder brilliert letztlich sein Gegenstück, der EU-Wiederaufbaufonds? Ein Vergleich.

In den USA und in der EU setzen die Regierungen auf Konjunkturprogramme, um die Wirtschaft aus der schweren Krise zu ziehen. Vor allem in den USA ist die Zuversicht gross, seit Joe Biden und die Demokraten an die Macht gekommen sind. Nun ist jedoch etwas Ungewöhnliches geschehen: Führende Ökonomen, die der Demokratischen Partei nahestehen und Biden politisch unterstützen, üben Kritik an seinem Programm.
Larry Summers, der bereits in der Clinton- und der Obama-Administration Ämter innehatte, und der ehemalige Chefökonom des Internationalen Währungsfonds, Olivier Blanchard, halten – wie die Mehrheit der Republikaner – das Biden-Paket für riskant. Angesichts der bereits vorangekommenen Erholung sei es zu grosszügig bemessen. Die US-Wirtschaft werde sich überhitzen und die Inflation übermässig anziehen, sodass die Zinsen drastisch steigen und die Konjunktur abgewürgt werde.
Nobelpreisträger Paul Krugman, ebenfalls ein Biden-Unterstützer, widerspricht dieser Prophezeiung. Die Zeiten, in denen man sich vor Inflation fürchten musste, seien erst einmal vorüber.
USA versprechen mehr Geld
Ist am Ende das Biden-Plan doch nicht der überlegene Konjunkturstimulus, als der er an den Börsen gefeiert wird, sondern sein Gegenstück, der EU-Wiederaufbaufonds? Beide Pläne trennt vieles voneinander.
Das Biden-Paket ist auf den ersten Blick viel grösser als sein EU-Pendant. In den USA sind 1900 Milliarden Dollar vorgesehen, was neun Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) entspricht. Der EU-Plan umfasst dagegen «nur» 750 Milliarden Euro. Allerdings richtet er sich spezifisch an einzelne Staaten. Italien und Spanien sind die grössten Empfänger und erhalten fast die Hälfte der Gelder. Sie können mit Hilfen rechnen, die etwa 11 Prozent ihrer nationalen BIP entsprechen. Der Rückstand zu den USA wird dort also wettgemacht.
Brüssel setzt auf Investitionen …
Der grösste Unterschied betrifft aber den Inhalt der Hilfen. Sowohl die USA als auch die EU wollen mit ihnen Wachstum und Beschäftigung generieren. Der EU-Wiederaufbauplan setzt dabei voll auf Investitionen. Die Länder sollen nicht nur die wirtschaftlichen Schäden kompensieren, beispielsweise in der Tourismusbranche oder im Gesundheitswesen. Sondern sie sollen die Stunde nutzen, um ihre Strukturen zu modernisieren und zu optimieren. Digitalisierung und Ökologie stehen dabei im Vordergrund.
… Washington hilft hier und jetzt
Ganz anders der Biden-Plan. Er setzt nicht auf Investitionen, sondern will hier und jetzt finanziell helfen. Einkommensunterstützungen an Privathaushalte machen den Hauptteil aus: ein Einmalscheck von 1400 Dollar, die Erhöhung der Arbeitslosenunterstützung, die Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Dollar pro Stunde, Steuererleichterung von 2000 Dollar für jedes schulpflichtige Kind, 1400 Dollar an Lohnausgleichzahlung pro Woche und Arbeitnehmer, die coronabedingt zu Hause bleiben, und vieles mehr. Die Liste ist lang. Zwar sollen öffentliche Schulen 130 Milliarden Dollar erhalten, damit sie neues Personal einstellen. Aber abgesehen davon fehlen Anreize, um in die Infrastruktur des Landes zu investieren. Biden will das in einem künftigen Plan anpacken.
Summers wirft dem US-Konjunkturpaket vor, dass es die an und für sich sinnvolle Nachfragestimulierung übertreibt und Geld nach dem Giesskannenprinzip verteilt. Das ist aber auch dem US-Wirtschaftssystem geschuldet. Denn der Biden-Plan stopft vor allem Lücken, wo anderswo der Wohlfahrtstaat einspringt. In Europa haben die vorhandenen sozialpolitischen Strukturen geholfen, die Einkommensverluste aufzufangen. Der EU-Plan widmet sich deshalb ausschliesslich dem Wiederaufbau.
Börse bevorzugt Biden-Paket
Viele Ökonomen ziehen Brüssels Investitionsprogramm deshalb dem US-Paket vor. Die Ratingagentur Moody’s setzt bereits auf ein höheres Wachstumspotenzial Portugals in einigen Jahren, dank der Investitionen, die durch den Wiederaufbaufonds finanziert werden. An den Finanzmärkten bleibt dagegen die Skepsis bestehen. Es wird befürchtet, dass die Gelder doch nicht in die hehren Ziele fliessen, sondern abgezweigt werden, um laufende Haushaltslöcher zu stopfen. Ein Kontrollsystem soll das zwar verhindern und dafür sorgen, dass die übrigen EU-Staaten sich im Europäischen Rat ein Land vorknöpfen, das die Zielvorgaben nicht respektiert. Aber die EU hat leider keine gute Erfolgsbilanz bei der Einhaltung finanzpolitischer Regeln.
An der Börse ist Biden der Favorit. Denn in den USA fliessen die Hilfen deutlich schneller als in der EU. Sie werden die Gesamtnachfrage rasch anfeuern. Selbst in Erwartung, dass das Biden-Paket um mehrere Hundert Mrd. Dollar zusammengestrichen wird, haben die grossen Banken ihre Konjunkturprognosen für 2021 nach oben revidiert. Sie rechnen nun mit gut 6 Prozent Realwachstum in den USA – weit mehr als in der EU. Die Sorgen vor einer Überhitzung halten sich in Grenzen.
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