Ein Überblick über die sechs wichtigsten Notenbanken: ihre Eigentümer, ihre Entscheidungsorgane und die Ernennung ihrer Direktorien.
Erst spät im Rampenlicht
Im Nachgang zur Finanzkrise blieb die Schweizerische Nationalbank (SNB) lange unter dem Radar. Sie hatte gezielt die UBS gerettet und gekonnt die Liquidität umverteilt, von den Regional- und Kantonalbanken zu den Grossbanken. Kritik kam auf, als sie ab 2009 mit wenig Erfolg am Devisenmarkt intervenierte, und jetzt, nach Aufgabe des erfolgreichen Mindestkurses und mit Einführung der Negativzinsen.
Nun wird debattiert, ob das Direktorium mit bloss drei Mitgliedern nicht zu klein sei. Ein grösseres Gremium wäre eine weniger kollegiale Gemeinschaft und nicht so dominiert vom Präsidenten, wird argumentiert. Dagegen spricht die Erfahrung der Europäischen Zentralbank, wo trotz 25-köpfigem Entscheidungsgremium der Wechsel vom zögerlichen Jean-Claude Trichet zum forschen Mario Draghi eine geldpolitische Neuorientierung brachte.
Das Direktorium wird vom Bankrat beaufsichtigt. Seine Mitglieder werden nach wie vor zu stark nach dem üblichen schweizerischen Proporz auserkoren, mit einem Mix aus Fachleuten und Politikern und einem verdienstvollen Parlamentarier als Präsidenten. Zur Debatte steht auch, ob die SNB nach dem Vorbild des Fed und der EZB Sitzungsprotokolle veröffentlichen soll, und ob der Präsident vor dem Parlament Rechenschaft ablegen muss.
Die Unabhängigkeit der SNB ist in der Verfassung verbrieft und im Gesetz konkretisiert. Gleichwohl ist ihre Lage ungemütlicher als auch schon. BEG
Unter Einfluss von New York
Die politische Stimmung in den USA ist aufgeheizt. Das bekommt das Federal Reserve deutlich zu spüren. Zur Debatte stehen in Washington gleich mehrere «Reform»-Vorschläge zur US-Notenbank. Dazu zählt etwa, dass sich das Fed bei der Bestimmung des Leitzinses künftig an eine mathematische Formel halten soll oder sein Spielraum als letzter Kreditgeber in der Not beschränkt wird.
Viel zu reden gibt der Vorstoss des erzkonservativen Senators Rand Paul, der unter dem Motto «Audit the Fed» die Unabhängigkeit der Notenbank einengen will. Das erinnert an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als das Fed praktisch der verlängerte Arm des Schatzamts war. Fed-Chefin Janet Yellen hat diese Woche deshalb das Gespräch mit dem Republikaner Richard Shelby gesucht, der den Finanzausschuss des Senats leitet. Gut möglich, dass dabei der Aufbau des Fed mit den zwölf Distriktnotenbanken ein Thema war.
Besonders mächtig ist die Federal Reserve Bank of New York, die als einzige permanent im Offenmarktausschuss Einsitz nimmt und dessen Vizepräsidenten stellt. Für Kritik sorgt immer wieder die Nähe der New York Fed zu den Grossbanken, deren Vertreter im Verwaltungsrat sitzen. Das schafft Interessenkonflikte. So war etwa der Chef von J.P. Morgan, Jamie Dimon, im Vorstand der New York Fed, als sie die Übernahme von Bear Stearns durch J.P. Morgan aushandelte. Auch sass Lehman-Brothers-Chef Dick Fuld im Gremium, kurz bevor das Investmenthaus kollabierte. CG
Fast wie die Bundesbank
Es ist kaum zu glauben, aber die Architekten der Europäischen Zentralbank (EZB) orientierten sich an der Deutschen Bundesbank, als sie die gemeinsame Notenbank für die Währungsunion errichteten. Und das ist ihnen nicht einmal schlecht gelungen. Statuten und gesetzlicher Auftrag entsprechen den felsenfesten Grundsätzen, die für die Buba galten: Sie ist nicht an Weisungen des Staates, des Parlaments oder einer anderen Stelle gebunden, und ihr vornehmliches Ziel ist die Geldwertstabilität. Und trotzdem zählt heute die Bundesbank zu ihren grössten Kritikern.
Es fehle die Stabilitätskultur, lautet der Vorwurf. Übersehen wird häufig, dass die EZB auch den Auftrag hat, die wirtschaftspolitischen Ziele der EU zu verfolgen, solange sie dadurch nicht das Preisstabilitätsziel in Gefahr bringt.
Nationale Interessen spielen im Entscheidungsprozess sicher eine Rolle, aber nicht unbedingt Regierungsinteressen. Die Mitglieder im EZB-Direktorium sind acht Jahre im Amt und können nicht wiedergewählt werden. Die Politik wird allerdings im EZB-Rat gemacht, in dem die Notenbankenpräsidenten der Mitgliedländer die Mehrheit stellen. Um Kritiker zu besänftigen und um die Transparenz zu erhöhen, werden seit diesem Jahr die Protokolle der Ratssitzungen publiziert. Das tat seinerzeit nicht einmal die Bundesbank, bei der im Übrigen ebenfalls zahlreiche regionale Notenbanken (Landeszentralbanken) bei der Geldpolitik mitentschieden. AN
Im Dienst Ihrer Majestät
1869 gründete Japan im Zuge der Industrialisierung Wechselgesellschaften zur Unterstützung der Exporte. Das neue Papiergeld genoss indes kaum Vertrauen. 1872 erliess die Regierung des Kaisers ein Nationalbankgesetz, das den US-National Bank Act als Vorbild hatte. 1882 wurde die Bank of Japan (BoJ) als eine Zentralbank mit dem Monopol der Notenausgabe errichtet.
Die BoJ befand sich lang unter der Fuchtel des Finanzministeriums (Ministry of Finance, MoF), das bis in die 1980er- Jahre die Rettung strauchelnder Banken verlangte. Mit der Deregulierung des Sektors fand sie aber immer seltener Institute, die Problembanken übernahmen. Der Konkurs der Sanyo Securities 1997 war der erste nach dem Zweiten Weltkrieg. 1999 wurden viele Banken verstaatlicht. Die BoJ erhielt mehr Unabhängigkeit, die Finanzmarktaufsicht wurde vom MoF getrennt.
Das Entscheidungsgremium der BoJ ist der Lenkungsrat (Policy Board). Er besteht seit 1998 aus dem Gouverneur, zwei Stellvertretern und sechs weiteren Mitgliedern. Sie werden vom Kabinett mit Zustimmung des Parlaments für fünf Jahre ernannt.
Mit der Krise kam 2008 der Schutzreflex der BoJ zurück. Banken wurden angehalten, notleidende Kredite weiterzuführen. Am 20. März 2013 wurde der von Premier Abe vorgeschlagene Haruhiko Kuroda Gouverneur. Die BoJ-Bilanz hat sich seither auf 90% der Wirtschaftsleitung ausgedehnt und übertrifft so als einzige grosse Notenbanken die Expansion der SNB. TM
Das Schatzamt im Rücken
Die «alte Dame» war lange der Beleg dafür, dass Zentralbanken transparent sein können, ohne deshalb politisch unabhängig sein zu müssen. Tatsächlich entliess die Regierung sie erst in die Unabhängigkeit, als die Labour-Partei 1997 an die Macht gelangte und mit Tony Blair den «Dritten Weg» beschritt. Seither wird die Geldpolitik im geldpolitischen Ausschuss beschlossen. Ihm gehören der Chef, drei Vize-Gouverneure und der Chefökonom der Notenbank an sowie vier externe, vom Schatzkanzler ernannte Persönlichkeiten, die für «zusätzliche Ideen und Fachwissen» sorgen sollen. Alle Mitglieder sind stimmberechtigt und frei von politischer Weisung.
Das Schatzamt nimmt an den Sitzungen teil, und diskutiert mit, darf aber nicht stimmen. Es erlässt allerdings jedes Jahr in einem Brief an den Notenbankchef die Definition von Preisstabilität und die wirtschaftspolitischen Ziele der Regierung. Ausserdem ist der Notenbankgouverneur verpflichtet, dem Schatzkanzler einen offenen Brief zu senden, falls die Inflationsrate sich mehr als 1 Prozentpunkt vom Inflationsziel nach oben oder unten entfernt.
Dem Schatzamt wird der gesamte Gewinn, der im Zusammenhang mit der Ausgabe von Banknoten entsteht (Seigniorage), übertragen. Als Kapitaleigner der Notenbank hat das Amt zudem Anspruch auf die Hälfte des übrigen Nachsteuergewinns der Bank (Anlage der Reserven) als Dividende. Diese wird jeweils im April und im Oktober ausbezahlt. AN
Dem Parlament unterstellt
Befürworter einer möglichst umfassenden parlamentarischen Kontrolle über die eigene Notenbank sollten nach Schweden blicken. Die dortige Zentralbank – Sveriges Riksbank – ist seit ihrer Gründung vor fast 350 Jahren eine Behörde des Landesparlaments (Riksdag). Das schützte sie trotzdem nicht davor, immer wieder vom König für dessen politischen und militärischen Ziele missbraucht zu werden. Erst im Jahr 1999 wurde ihr formell die operationelle Unabhängigkeit zugesichert.
Der Kontakt zur Regierung ist minimal, die Geldpolitik wird autonom und frei von politischen Weisungen durchgeführt. Dafür werden alle institutionellen Entscheide direkt und indirekt vom Parlament gefällt. Elf Abgeordnete, die unterschiedlichen politischen Parteien angehören, bilden den Bankrat (General Council). Er ist das Aufsichtsorgan der Riksbank und ernennt die Riksbank-Führung, den Exekutivausschuss. Dessen sechs Mitglieder dürfen nicht dem Parlament, der Regierung, einer Partei oder der Finanzaufsicht angehören.
Das institutionelle Konzept hat sich bewährt. Schwedens Notenbank ist zudem eine Vorreiterin in Sachen Transparenz. Sie veröffentlichte Prognosen und Projektionen der Leitzinsen, als das nur sehr wenige andere Notenbanken taten.
Die Gewinne wandern überwiegend an das Finanzministerium. Sie werden in einer komplexen Rechnung ermittelt: 80% des Gewinns der letzten fünf Jahre, ausgenommen Wechselkurs- und Golderträge. AN