Zum Thema US-Zinsentscheid
Die Hoffnung keimt.
Die Hoffnung keimt. Am Mittwoch sah sich die US-Zentralbank zwar erneut dazu veranlasst, die Leitzinsen zu senken. Der Schritt – eine Reduktion des Zielsatzes von 2,25% auf 2% – fiel jedoch bescheiden aus. Mit ihm erfüllte das Federal Reserve nur die Erwartung der Marktteilnehmer, die sich bereits in den Terminkursen abgezeichnet hatte. Nachdem die Berichtssaison der Unternehmen – besonders im Bankensektor – keine neuen negativen Überraschungen hervorgebracht hatte, fühlten sich immer mehr Meinungsführer an den Aktienmärkten in ihrer vorsichtigen Zuversicht bestärkt. Auch sind die konjunkturellen Daten aus den USA keineswegs desolat ausgefallen. Sie bestätigen in ihrer Mehrheit zwar die angeschlagene Konstitution des ehemaligen Wachstumsmotors der Weltwirtschaft. Aber die Formschwäche hat sich nicht verschlimmert. Die Arbeitslosigkeit sank im April sogar, die industrielle Aktivität fällt nur leicht, und das Bruttoinlandprodukt stagnierte im ersten Quartal und schrumpfte nicht. - Die wachsende Überzeugung vieler Anleger, das Schlimmste könnte überstanden sein, wird vom Fed nun bestätigt. Im Communiqué finden sich Hinweise darauf, dass sich das Risiko einer Beschleunigung des Abschwungs in den USA verringert hat, und das Fed die Leitzinsen vorerst nicht weiter zu senken beabsichtigt (vgl. Seiten 6 und 34). An den Aktienmärkten wurde das mit zum Teil kräftigen Kursavancen quittiert. Anleihen verloren leicht. Der Dollar erfuhr eine spürbare Aufwertung und notiert zum Franken 7% über dem Rekordtief. - Die Vorgabe der Kollegen aus den USA wird die Entscheidungsträger der Europäischen Zentralbank darin bestärken, nächste Woche die Leitzinsen erneut nicht zu senken. Auch in Grossbritannien dürfte sich die Notenbank dazu veranlasst fühlen, weitere Reduktionen vorerst auszusetzen. Ein Stück Normalität ist in die Finanzwelt zurückgekehrt. Die Kursfortschritte lassen sich rechtfertigen. Nun könnte sich auszahlen, dass Unternehmen und Privathaushalte in vielen Ländern finanziell gesund dastehen und widerstandsfähig sind. Daraus auf ein rasches Ende des wirtschaftlichen Abschwungs zu setzen, wäre jedoch vorschnell. Die Korrektur der jahrelangen Exzesse wird vor allem den USA eine lange Phase unterdurchschnittlichen Wachstums und mässiger Gewinnaussichten bescheren.Andreas Neinhaus, Redaktor