PotenzialanalyseAutoneum hält Trümpfe in der Hand
Angesichts seiner Fähigkeiten ist der Automobilzulieferer zu mehr in der Lage, vermag dies im derzeitigen Umfeld aber nicht zu zeigen.

Automobilzulieferer sind keine verwöhnte Gattung. Ihr Geschäft ist gemeinhin hart und von geringer Widerstandskraft. Davon weiss auch Autoneum, der in Winterthur ansässige Spezialist für Lärm- und Hitzeschutzkomponenten, ein Lied zu singen – einen melancholischen Blues. Der Geschäftsgang und der Kursverlauf der vergangenen Jahre sind betrüblich. Das letzte ertragsseitig wirklich befriedigende Jahr war 2017 (vgl. Grafik).

Die Branche als Ganze steht kaum besser da. Seit 2019 reiht sich Problem an Problem. Konjunkturschwäche, Pandemie, Halbleitermangel und Produktionskürzung bei Kunden sowie Inputkosteninflation sind Schlagworte dazu. Hoffnung auf baldige Besserung ist ein ums andere Mal zerstört worden. Momentan schwindet wegen der Konjunkturabkühlung auch die Hoffnung auf eine kräftige Absatzerholung im nächsten Jahr.
Doch Autoneum singt nicht nur den Blues. Als Markt- und Innovationsführer auf seinem Gebiet weiss das in 24 Ländern vertretene und weltweit an 53 Standorten produzierende Unternehmen auch um seine Fähigkeiten und Chancen, und die will und wird es nutzen.
E-Mobilität als Chance
In den vergangenen Jahren ist die Branche meist von ausserordentlichen Umständen geplagt worden. Mit der ihr innewohnenden Konjunkturanfälligkeit und dem Preisdruck der Automobilkonzerne verstehen ihre Akteure umzugehen. Dass die Transformation des Automobils, seine Elektrifizierung und Digitalisierung, viele Veränderungen und Unwägbarkeiten mit sich bringt und neue Ansätze verlangt, ist allerorts strategisch beherzigt.
Das Management von Autoneum sieht in der Transformation primär Chancen. Der Wandel zur Elektromobilität schafft Gelegenheit für neue Produkte; gleichzeitig ist die direkte Abhängigkeit vom Verbrennungsmotor recht gering.
Nach Produktlinien ist fast nur der Bereich Motorraum betroffen; er repräsentiert 11% des Umsatzes (vgl. Grafik). Hier richten sich Motorhaubenisolationen, Motorabdeckungen und Motoranbauteile einzig an Verbrennerfahrzeuge. Stirnwandabsorber und äussere Kofferraumbodenisolationen sind dagegen antriebsunabhängig, wogegen Elektromotorkapselungen und vordere Gepackräume E-spezifisches Neugeschäft sind.

Im Unterbodenbereich mit 22% Umsatzanteil hängen einzig die Hitzeschilder am Verbrenner. Unterboden- und Untermotorschilder sowie Radhausverkleidungen braucht es immer, Batterieunterschilder und Batterieschilder zur elektromagnetischen Abschirmung sind neu. Gar keine verbrennerspezifischen Teile finden sich unter den Innenbodenanwendungen im Interieur; darauf entfallen 60% des Umsatzes. Stirnwandisolationen, Teppiche, Bodenisolationen, Radhausinnenisolationen, Fussmatten, Dämpfungen und innere Kofferraumbodenisolationen brauchen alle Autos.
Generell haben Elektrofahrzeuge andere akustische Anforderungen als Verbrenner, in denen der Motorlärm vieles überdeckt. Dazu kommen neue Störquellen wie die hochfrequenten Töne der E-Motoren. Um den Anforderungen gerecht zu werden, weitet Autoneum zum einen bewährte Konzepte auf neue Anwendungen für den Elektroantrieb aus, zum andern werden ganz neue Themen und Produkte erwogen.
Alles in allem rechnet das Management mit einem überproportionalen Wachstum im expandierenden Feld der Elektromobilität. «Auf Basis des Auftragseingangs wird Autoneums Umsatzanteil mit reinen Elektrofahrzeugen ab 2023 den Anteil dieser Fahrzeugkategorie am Gesamtmarkt übertreffen», steht im Halbjahresbericht (vgl. Grafik).

Chancen wittert die Geschäftsleitung nicht nur in der E-Mobilität. Auch über das Thema Nachhaltigkeit verspricht sie sich Impulse, messen ihm doch viele Kunden mittlerweile grosse Bedeutung bei. Für Autoneum selbst ist es nicht neu. Letztes Jahr waren die Bestrebungen um Ziele für alle direkten und indirekten Treibhausgasemissionen ergänzt worden, vor wenigen Monaten wurde zudem die Erklärung zum Beitritt zur Science Based Targets Initiative (SBTi) unterzeichnet.
Somit lautet die Selbsteinschätzung: «Autoneum ist für die Transformation der Automobilindustrie hin zu E-Mobilität und Nachhaltigkeit sehr gut aufgestellt.» Blues hört sich anders an – zumal mit Asien noch ein weiterer Hebel für Wachstum bereitsteht. Autoneum ist in der Region untervertreten. Dort zu wachsen und eine höhere Marktdurchdringung zu erlangen, zählt deshalb zu den strategischen Schwerpunkten.
20% Umsatzanteil sollen mittelfristig erreicht werden. 2021 waren es 16%, 2014 erst 7. Die Chancen, das Ziel zu erreichen, stehen gut, unter anderem dank der lebhaften und ehrgeizigen Elektroautoszene in China und weil auch westliche Hersteller dort zunehmend E-Autos produzieren. Ein Fünftel Umsatzanteil ist jedoch zu wenig. Allein China steht gemäss IHS Markit schon heute für 32% der globalen Autoproduktion. Da muss Autoneum ambitionierter sein.
Ein Katalysator fehlt
Vor allem mit Blick auf den Aktienkurs wird aber entscheidend sein, wann die Gesellschaft ihre Trümpfe ausspielen kann und wie sie sich im Resultat und im Investorenvertrauen niederschlagen werden. Dass sie unter besseren Umständen mehr als doppelt so viel Gewinn je Aktie erwirtschaften kann wie die FuW-geschätzten 8.80 Fr. für nächstes Jahr, hat sie schon mehrfach bewiesen.
Weil die Bewertungskennzahlen selbst mit verminderter Ertragskraft und gedrücktem Umsatz nicht sonderlich hoch sind, ergibt sich daraus an sich Kursfantasie. Was angesichts der schlechten Stimmung für bzw. des Mangels an Vertrauen in die Branche derzeit aber fehlt, ist ein Katalysator, der ein Erschliessen dieses Potenzials ermöglicht. Als Empfehlung leitet sich daraus ab, die Aktien vorerst zu halten, sie aber auf die Beobachtungsliste für einen Kauf zu setzen.
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