Bücher sind viel zu günstig. Wie viel Mühsal und Aufwand steckt in manchen Werken, wie viel Lesevergnügen, Spannung und Einsichten bieten sie! Wer allerdings den Preis in Franken auf dem Buch mit dem aufgedruckten Preis in Euro, Pfund oder Dollar vergleicht, wird stutzig – der hiesige Verkaufspreis ist umgerechnet wesentlich höher als im Ausland.
Die hohen Preise von Büchern in der Schweiz liefern – unter dem Stichwort Hochpreisinsel Schweiz – seit den Neunzigerjahren Anlass zu politischen Diskussionen und wettbewerbsrechtlichen Untersuchungen. Die jüngste Runde: Die Wettbewerbskommission, besser bekannt unter dem Kürzel Weko, hat eine Untersuchung gegen die französische Verlagsgruppe Madrigall eröffnet. Nach dem Fall Galenica/Fresenius ist dies die zweite Gelegenheit für die Wettbewerbshüter, zu definieren, wie sie die seit Anfang 2022 geltenden Regeln zur relativen Marktmacht definieren und handhaben sollen.
Die Bestimmungen zielen darauf ab, dass Unternehmen aus der Schweiz in der Beschaffung von Waren und Dienstleistungen aus dem Ausland nicht durch einen «Schweizzuschlag» diskriminiert werden, sondern sie zu dort üblichen Preis- und Marktkonditionen beziehen können.
«Eingriffe in das bilaterale Verhältnis zweier Unternehmen, wenn der Markt insgesamt spielt, drohen in eine Feinsteuerung der Märkte auszuarten.»
Genau das warf der in der Westschweiz bedeutende Buchhändler Payot der drittgrössten Verlagsgruppe des Nachbarlands in einer Klage an die Weko im September vor: dass sie Schweizer Buchhändler daran hindere, in Frankreich Bücher zum französischen Marktpreis und üblichen französischen Konditionen zu beschaffen.
Dass die Wettbewerbsbehörde nun ein Verfahren eröffnet, bedeutet konkret, dass sie über klare Hinweise auf einen Verstoss gegen Kartellrecht verfügt. Auf die beiden Urteile darf man gespannt sein, sie haben Signalwirkung.
Liberale Ökonomen hegen grosse Zweifel an diesem Konzept, das auf dem indirekten Gegenvorschlag des Parlaments zur «Fair-Preis-Initiative» fusst: Ein Unternehmen ist von einem andern derart abhängig, dass keine «ausreichenden» und «zumutbaren» Ausweichmöglichkeiten bestehen – das ist schwerlich allgemeingültig zu definieren.
Die Konsumenten haben es in der Hand
Eingriffe in das bilaterale Verhältnis zweier Unternehmen, wenn der Markt insgesamt spielt, drohen in eine Feinsteuerung der Märkte und letztlich in eine schleichende Aushöhlung des Wettbewerbs auszuarten. Immerhin liess die Weko verlauten, sie habe nicht vor, ineffiziente Marktteilnehmer zu schützen.
Dass gerade Payot klagt, die ironischerweise vor Aufhebung der Buchpreisbindung wegen Marktabsprachen selbst ins Visier der Weko geraten war, ist kein Zufall. Es sind vor allem die grossen Buchhändler, die im stationären Handel unter der wachsenden Konkurrenz durch günstigere Online-Anbieter leiden. Kleine, spezialisierte und mit viel persönlichem Engagement betriebene Buchhandlungen können überleben, das hat sich nach der Aufhebung der Buchpreisbindung gezeigt. Auch hier: Letztlich entscheiden die Konsumenten.
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Meinung – Bücherpreise erneut umstritten
Die Weko untersucht den zweiten Fall zur relativen Marktmacht. Missbrauch nachzuweisen, ist schwierig.