UnternehmensanalyseBYD lehrt Tesla das Fürchten
Sein Name steht für Build Your Dream. Doch bei der Konkurrenz löst der chinesische Mischkonzern Albträume aus, nicht nur im Elektroautomarkt.

Von null auf 55 Mrd. Fr. Umsatz in 27 Jahren und dabei erst so richtig warm gelaufen: Wang Chuanfu, Sohn von Bauern und früh Waise, hat sich in Shenzhen, China, einen Traum erfüllt – den vom eigenen Unternehmen und von grossem Reichtum (vgl. separaten Text). Passend dazu heisst sein Unternehmen BYD, kurz für Build Your Dream.
In Austin, Texas, steht BYD indes eher für Albträume. Am Sitz des Elektroautobauers Tesla fürchten sie, vom Thron gestossen zu werden. Die Konkurrenz im globalen Markt für BEV (Battery Electric Vehicles) rückt näher, und die Autotochter des chinesischen Mischkonzerns greift nach der Krone. 2022 hat sie 911’000 BEV abgesetzt, die meisten im Heimmarkt. Dazu kommen ähnlich viele Plug-in-Hybride.
Teslas Auslieferungszahl ist mit 1,31 Mio. höher, doch der Vorsprung schmilzt rasant. Verzeichnet BYD für das vergangene Jahr bei E-Autos eine Zuwachsrate von mehr als 180%, kommt Tesla auf 40% (vgl. Grafik 1). Ein interessantes Detail: Beide, BYD Auto und Tesla, sind 2003 entstanden. Wang Chuanfu ist später ins Elektrorennen eingestiegen, fährt nun aber auf der Überholspur.

Im Heimmarkt ist BYD schon die Nummer eins – weshalb Tesla dort einen Preiskrieg angezettelt hat. «BYD ist Tesla in China so weit voraus, es ist fast lächerlich», sagte Charlie Munger, Partner von Warren Buffett bei Berkshire Hathaway, im Februar in einem Interview mit CNBC. Berkshire ist seit 2008 an BYD beteiligt.
Keine Kompromisse
Böse Träume gibt es auch am Sitz anderer Autobauer, etwa in Wolfsburg. Die dort ansässige Volkswagen-Gruppe, letztes Jahr die Nummer drei im Markt für E-Automobile, kämpft um den Anschluss. Sie hat ihren BEV-Absatz 2022 nur ein Viertel gesteigert und damit bloss noch 43% der Stückzahl von Tesla erreicht. Von BYD wurde sie geradezu stehengelassen.
Damit nicht genug: BYD drängt wuchtig in Auslandmärkte, teils über Export, teils über lokale Fabriken. Die Analysten von Barclays sprechen von einem «aggressiven Plan». Auch Europa ist im Visier, das Autoland Deutschland eingeschlossen.
Auf der Suche nach einem Standort auf dem Alten Kontinent soll auch das stillgelegte Ford-Werk in Saarlouis geprüft worden sein. Doch zu Bloomberg sagte Executive Vice President Stella Li Anfang Februar: «BYD ist eher daran interessiert, eigene Werke zu bauen, als die Fabriken anderer zu übernehmen.» Das Unternehmen will keine Kompromisse eingehen.
Die Marktoffensive läuft unabhängig davon. Im vergangenen September stellte Wang an einem Online-Event die Elektromodelle vor, die als erste nach Europa kommen: die zwei SUV Atto 3 und Tang sowie die Limousine Han. In einem Fahrbericht bezeichnete die «Auto-Zeitung» den BYD Atto 3 jüngst als «ernstzunehmenden Herausforderer» und hob auch die Batterietechnologie hervor.

BYD ist nicht der einzige chinesische Anbieter, der nach Europa und in die Welt hinaus drängt. Zahlreiche andere hegen Pläne oder sind schon vor Ort. Nicht alle werden sich festsetzen können, einige aber schon, und zu ihnen wird BYD gehören.
Generell sind viele Exponenten der Branche von der Dynamik chinesischer E-Autobauer beeindruckt, auch Magdalena Martullo. Ihr bleibt als CEO von Ems-Chemie, einer Gruppe, die gut 60% des Umsatzes mit Automobilkunden weltweit erwirtschaftet, nicht verborgen, was in China abgeht. Dementsprechend sorgt sie sich um die etablierten Hersteller.
Weitverzweigte Aktivitäten
BYD fertigt aber nicht nur Autos. Ausser im Automobilbau ist der Konzern auch in der Herstellung von Akkus für Fahrzeuge und Elektronikgeräte engagiert und zählt dabei zu den weltweit grössten Anbietern. Zudem bietet er Nutzfahrzeuge, urbane Schienentransportlösungen (SkyRail, SkyShuttle) und Photovoltaikprodukte an. All das ist im Segment «Automobile und verwandte Produkte und andere Produkte» gebündelt.
Das zweite Segment umfasst Mobiltelefonkomponenten, elektronische Komponenten, darunter auch Halbleiter, sowie Auftragsfertigung. Dieses Segment nennt sich «Mobiltelefonkomponenten, Montageservices und andere Produkte». Es entspricht der Tochter BYD Electronic, die ebenfalls in Hongkong kotiert ist und zu knapp 66% von BYD kontrolliert wird.
In dieser Aufstellung arbeitet Wang Chuanfu an der Verwirklichung eines weiteren Traums: dem «Aufbau eines emissionsfreien Ökosystems». Sein Gebilde ist allerdings recht unübersichtlich; die Berichterstattung und die Anlegerinformationen entsprechen nicht westlichen Standards.
Die Gewichte zwischen den beiden Konzernsegmenten haben sich in jüngster Zeit wegen des Booms im Elektroauto- und im Elektroautobatteriebereich deutlich verschoben (vgl. Grafik 2).

Die zwei Gebiete beflügeln denn auch die Wachstumsfantasie. Für das laufende Jahr erwarten Analysten gemäss Bloomberg 40% mehr Umsatz, für das nächste ein Viertel, für 2025 15%. Ganz ohne frisches Kapital gelingt aber auch die Expansion von BYD nicht: 2021 wurden gut 5 Mrd. Fr. aufgenommen. Mitte 2022 zeigte die Bilanz eine Nettoliquidität sowie eine Eigenkapitalquote von 31%.
Die Investitionen ins Wachstum belasten die Cashflow-Rechnung – aber auch die Ertragskraft. Die Ebitda-Marge steht unter Druck (vgl. Grafik 3). Tesla übertrifft das derzeitige Niveau von BYD schon seit 2019 und arbeitet inzwischen viel profitabler. Besserung ist nicht in Sicht: Der Bloomberg-Konsens für 2025 steht auf 7%; für das vergangene Jahr – die Zahlen folgen am 28. März – werden noch gut 9% erwartet.

Dennoch gehen Analysten von einem kräftigen Gewinnwachstum aus. Im Schnitt erwarten sie für dieses und nächstes Jahr im Gewinn je Aktie Zuwachsraten über denen des Umsatzes, für 2025 dann aber nicht mehr.
In Hongkong gehandelt
Die Aktien selbst notieren 40% unter dem von Überschwang geprägten Allzeithoch vom vergangenen Sommer – eine Folge des globalen Zinsanstiegs. Weil gleichzeitig die Gewinnerwartungen gestiegen sind, hat sich das zuvor exzessive Kurs-Gewinn-Verhältnis noch viel mehr verringert. Für 2024 beträgt es 16. Tesla kommen auf 33, Volkswagen auf 4.
Wird das KGV mit dem erwarteten Gewinnwachstum normalisiert, also das Kurs-Gewinn-Wachstum-Verhältnis gebildet (PEG Ratio), sehen BYD günstig aus. Dabei ist allerdings die sinkende Tendenz der Wachstumsrate zu berücksichtigen. Charlie Munger von Berkshire Hathaway bezeichnete BYD Mitte Februar als «not cheap» – kurz zuvor hatte Berkshire erneut Titel verkauft –, sprach aber auch von einer «sehr beeindruckenden Gesellschaft».

Seither ist ihr Kurs ein Fünftel gefallen. Die von Analysten im März ausgegebenen Kursziele auf Zwölfmonatssicht streuen enorm, von 215 bis 602 HK-$, liegen aber alle über dem aktuellen Kurs.
Gilt für Anleger also Build Your Dream mit BYD? Eine Kaufempfehlungsquote von 95% legt dies nahe. Vorsicht ist dennoch geboten. Die Risiken – Konjunktur, Politik, Wettbewerb – sind nicht zu unterschätzen. Als Portfoliobeimischung sind die Valoren aber reizvoll. Als solche werden sie auch von Warren Buffett und Charlie Munger gesehen. Berkshire hielt Anfang Februar noch knapp 12% der in Hongkong kotierten H-Aktien, was 4,5% aller Anteile im Wert von 84 Mrd. Fr. entspricht (in Shenzhen sind noch A-Titel gelistet). Am gesamten Anlageportfolio macht BYD jedoch nur rund 1% aus.
H-Aktien zu handeln, geht von Europa aus in der Regel problemlos. Als Alternative bieten sich Interessierten die in den USA gelisteten American Depositary Receipts an. Ein ADR ist ein Hinterlegungsschein für eine gewisse Anzahl hinterlegter Aktien, im Fall von BYD deren zwei.
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