Technologie steht im Zentrum des Konflikts zwischen den USA und China. Für den amerikanischen Hegemonen geht es dabei um den geostrategischen Machtvorsprung und die Mittel, einen nachhaltigen Wohlstand aufrechtzuerhalten. Für China ist sie der Schlüssel zu heimischer Innovation, wie eine aufstrebende Macht sie braucht. Der aktuelle Technologiekrieg zwischen beiden Supermächten könnte sich durchaus als die bestimmende Auseinandersetzung des 21. Jahrhunderts erweisen.
Als nationales Vorzeigeunternehmen Chinas im Technologiebereich hat sich Huawei rasch zum Blitzableiter im Technologiekonflikt zwischen der etablierten Macht und ihrem Herausforderer entwickelt. Dabei wird Huawei die Rolle eines modernen trojanischen Pferdes zugeschrieben, von dem die ultimative Bedrohung für die US-Telekommunikationsinfrastruktur ausgehen könnte – komplett mit einer potenziellen Bedrohung durch eine heimliche Zugriffsmöglichkeit (Backdoor) in seiner 5G-Plattform. Amerikas Vorwürfe an Huawei stützen sich auf dünne Indizien: ein paar Anklagen wegen Spionage, die nichts mit der vermuteten Backdoor zu tun haben, und die Unterstellung schändlicher Motive angesichts des lange zurückliegenden Militärdienstes des Huawei-Gründers Ren Zhengfei. Und sie strotzen von Halbwahrheiten.
Das wahre Problem in diesem Streit ist das undurchsichtige Konzept der Kombination von Technologien – und dabei speziell der Einsatzmöglichkeit hoch entwickelter Technologien für militärische und zivilwirtschaftliche Zwecke. Die US-Behörden sind überzeugt, dass in China keine derartige Unterscheidung angestellt wird. Aus ihrer Sicht sind der chinesische Staat und damit letztlich sein Militär Eigentümer von allem, was in den Geltungsbereich von Chinas Technologiesektor fällt: von Hardware und Software bis hin zu Big Data und der Überwachung der Menschen in China und anderswo. Dies ist zugleich der Kern der wachsenden Aufregung über die Social-Media-Plattform TikTok, die in den USA mehr als 80 Mio. Nutzer im Monat hat.
Innovation durch Intervention
Ausser Acht gelassen wird dabei, dass die USA seit langem ihre eigene Variante der Kombination von Technologien praktizieren. Im Laufe der Jahre hat die Defense Advanced Research Projects Agency viele von Amerikas wichtigsten technologischen Fortschritten angeschoben, die eine breite wirtschaftliche Anwendbarkeit haben. Hierzu gehören das Internet, GPS, Durchbrüche bei Halbleitern, Kernkraft, Bildgebungstechnologie und viele pharmazeutische Innovationen, darunter besonders die Entwicklung von Covid-Impfstoffen. Doch anscheinend ist, was bei einer (sich schwertuenden) Demokratie kein Problem ist, für ein von der Kommunistischen Partei Chinas regiertes System inakzeptabel.
«Amerikas Neigung, China die Schuld für von den USA selbst verschuldete Probleme zu geben, ist eine Ausrede und keine Strategie.»
Die Huawei zugeschriebene Bedrohung ist in Amerikas Technologiekonflikt mit China nur die Spitze des Eisbergs. Die sogenannte Entity List, die das US-Wirtschaftsministerium für die Zwecke der nationalen Sicherheit als schwarze Liste ausländischer Unternehmen nutzt, wurde auf Huaweis Lieferkette und zusätzlich auf eine Reihe an der Überwachung ethnischer Minderheiten in der Provinz Xinjiang beteiligte chinesische Technologieunternehmen ausgeweitet.
Zugleich haben sich die USA mit der Verabschiedung des Chips and Science Act von 2022 eine Seite aus Chinas industriepolitischem Handbuch abgeschaut und sich zur Förderung der technologischen Innovation auf staatliche Interventionen verlegt. Im Oktober folgte noch ein grösserer Hammer: Die Regierung Biden verhängte drakonische Exportbeschränkungen für moderne Halbleiter, die auf nichts Geringeres zielten als darauf, die in den Kinderschuhen steckenden chinesischen Bemühungen im Bereich der künstlichen Intelligenz und des Quanten-Computing abzuwürgen.
Amerikas fragile Führung
Doch Amerikas harte Politik könnte sich als kontraproduktiv erweisen, weil seinem Technologiekrieg gegen China viel Taktik und wenig Strategie zugrunde liegt. Die USA haben die Macht des «als Waffe genutzten Netzwerks» – den Würgegriff, den sie an wichtigen Knotenpunkt grenzübergreifender Vernetzungen ansetzen können – schnell erkannt. Dieser Ansatz war in Verbindung mit dem «Friendshoring» mit Bündnispartnern zentral für die in Reaktion auf die russische Invasion der Ukraine gegen Moskau verhängten schweren Finanzsanktionen. Doch es lässt sich streiten, ob sich dieser Ansatz in der Steuerung der komplexen multinationalen Forschungskonsortien und physischen Lieferketten für moderne Technologien als genauso effektiv erweisen wird.
Wichtiger noch ist, dass der Druck auf den Gegner den Mangel an eigenen Anstrengungen nicht kompensiert. Das gilt in besonderem Mass für Amerika mit seiner überraschend fragilen technologischen Führungsstellung. Während die USA im Kalten Krieg kraftvoll auf von der ehemaligen Sowjetunion ausgehende technologische Bedrohungen reagierten – besondere das atomare Wettrüsten und die vom Sputnik-Programm ausgehende Herausforderung im All –, versagen sie nun deutlich: Die Ausgaben für von der US-Bundesregierung finanzierte Forschungs- und Entwicklungsmassnahmen sind 2020 auf 0,7% des BIP gesunken – weit unter ihren Höchstwert des Jahres 1964 von 1,9%.
Zudem haben die USA in den letzten Jahren zu wenig in die Grundlagenforschung investiert: die reine wissenschaftliche Forschung, die das Saatkorn der Innovation ist. Die Ausgaben für die Grundlagenforschung sind 2020 auf 15,6% der Gesamtausgaben für Forschung und Entwicklung gesunken, was deutlich unter dem Höchstwert von 18,8% des Jahres 2010 liegt. Jüngste Massnahmen tun wenig, um das zu ändern, z.B. sind nur 21% der im Chips Act ausgewiesenen Mittel für Forschung und Entwicklung vorgesehen.
Es fehlt an inländischen Ersparnissen
Es überrascht nicht, dass China aufholt. Zu Beginn dieses Jahrhunderts gab es bloss 0,9% seines BIP für Forschung und Entwicklung aus; das war rund ein Drittel des US-Anteils von 2,6%. 2019 (im letzten Jahr, für das Vergleichszahlen vorliegen) gab China 2,2% des BIP für Forschung und Entwicklung aus; das sind 71% von Amerikas Anteil von 3,1%. Die USA sind zudem beim Bildungsstand in den Mint-Fächern (Mathematik, Ingenieurswesen, Naturwissenschaften und Technologie) zurückgefallen. In China promovieren inzwischen deutlich mehr Studenten in den Mint-Fächern als in den USA.
Amerikas Mangel an den entscheidenden Grundlagen technologischer Führung – sowohl bei Forschung und Entwicklung als auch beim Humankapital – ist u.a. eine Folge des Mangels an inländischen Ersparnissen, der zu den chronischen Handelsdefiziten geführt hat. Amerikas Neigung, China die Schuld für von den USA selbst verschuldete Probleme zu geben, ist eine Ausrede und keine Strategie.
Chinas stärker strategischer Ansatz weist ebenfalls Schwächen auf, besonders was die KI angeht. Während Chinas riesige Datenbestände bei maschinell lernenden Anwendungen einen enormen Vorteil darstellen, werden seine Fortschritte in diesem Bereich ohne stetig steigende Rechenleistung letztlich ausgebremst werden. Amerikas taktischer Angriff auf die hoch entwickelten Chips, die Chinas KI-Rechenleistung befeuern, richtet sich genau gegen dieses schwache Glied in der chinesischen Innovationskette. China weiss das, und man kann sich darauf verlassen, dass es auf die eine oder andere Weise reagieren wird.
Im 5. Jahrhundert v. Chr. riet der antike chinesische Militärdenker Sun Tzu: «Taktik ohne Strategie ist der Lärm vor der Niederlage.» Rund 2500 Jahre später scheint dieser Rat relevant wie eh und je. Das heutige China verfolgt weiterhin eine langfristige Strategie, während Amerikas taktischer Angriff auf die chinesische Technologie rein kurzfristiger Art ist. Angesichts eines politischen Systems, das auf Strategie wenig gibt, besteht keine Gewähr, dass sich die USA in einem existenziellen Technologiekonflikt mit China durchsetzen werden.
Stephen S. Roach ist Professor an der Universität Yale. Copyright: Project Syndicate.
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Meinung – China und die USA im Technologieduell
Washingtons Angriff auf Chinas Technologie ist kurzfristige Taktik. Dagegen verfolgt Peking eine langfristige Strategie. Es ist also höchst ungewiss, ob die USA sich durchsetzen werden.