Als 1977 die Franzosen ihre rund 23’000 Quadratkilometer umfassende Kolonialpräsenz am Horn von Afrika aufgaben, nahm die Welt die Unabhängigkeit der verschlafenen Hafenstadt Djibouti kaum zur Kenntnis. Ihr geopolitischer Stellenwert schien in ihrer Funktion als Zugangstor zum verarmten Binnenland Äthiopien erschöpft zu sein. Niemand hätte sich damals vorstellen können, dass Djibouti nur ein halbes Jahrhundert später zu einem wertvollen Asset für eine neue Weltmacht China aufsteigen würde.
Während des Kalten Krieges, der in manchen Drittweltländern in heisse Stellvertreterkriege eskalierte, lag der Fokus der Ost-West-Rivalität auf dem Nordatlantik. Mit dem Wiederaufstieg des Reichs der Mitte zur Weltmacht wurde um die Jahrtausendwende das asiatische Jahrhundert eingeläutet. In diesem haben sich die geopolitischen Hauptrivalitäten in den Indischen Ozean und den Pazifik verlegt.
«Alle Zu- und Ausgänge des Indischen Ozeans sind lebenswichtig für eine funktionierende Weltwirtschaft.»
Während man die Anrainerstaaten des Mittelmeeres seit der Antike als einen viele Gemeinsamkeiten teilenden Kulturraum wahrnimmt, ist der Blick auf den Indischen Ozean parzelliert. Man betrachtet separat Afrikas Ostküste, die Arabische Halbinsel, den indischen Subkontinent und, ganz am Rande, die Küsten und Inselreiche Südostasiens.
Schon in der Antike verliefen wichtige Handelsrouten durch den Indischen Ozean. Mit wachsender Seefahrer-Erfahrung nutzte man die Monsunwinde für den lukrativen Handelsverkehr zwischen Indien und der arabischen Welt sowie darüber hinaus dem Römischen Reich. Sehr viel später sollte die Entdeckung des Seewegs nach Indien durch den Portugiesen Vasco da Gama ein neues Zeitalter der Interaktion zwischen Europa und Indien einläuten. Motiv für die Nutzung der Seefahrt zur Abwicklung des Indien- und Fernosthandels war die Durchbrechung der vom ottomanischen Reich und von italienischen Handelsrepubliken ausgeübten Kontrolle.
Massgeblich für die Sicherheit des Handels waren nun nicht mehr Inseln und Häfen im Mittelmeerraum, sondern die drei Zugänge zum Indischen Ozean, die Strasse von Malakka mit dem Hafen von Singapur, die in den Persischen Golf führende Strasse von Hormus mit dem heute pakistanischen Hafen von Gwadar und schliesslich der Bab al-Mandab mit dem Zugang zum Roten Meer bei Djibouti.
China seit 2017 präsent
Alle drei Zu- und Ausgänge des Indischen Ozeans sind von lebenswichtigem Interesse für eine funktionierende Weltwirtschaft. Durch den Indischen Ozean verlaufen wichtige Handelsrouten zwischen Europa, dem Mittleren Osten, Süd- und Südostasien sowie dem Fernen Osten. Sollte eine oder gar mehrere der Meerengen blockiert werden, würde dies für den Wohlstand in der Welt fatale Konsequenzen haben.
Heute sind nur die USA als global operierende Seemacht in der Lage, diese Meeresstrassen mit militärischen Operationen offen zu halten. Im Gefolge von 9/11 und dem Kampf gegen den islamistischen Terrorismus sowie gegen internationale Piraterie haben sich mehrere westliche Seemächte auf Überwachungsoperationen vor der somalischen Küste geeinigt. Diverse Terroristen und Piraten nutzen Somalia als Hinterland und Zufluchtsort.
Der westliche Aufmarsch am Horn von Afrika sollte in der Folge auch China auf den Plan rufen. Peking fokussierte seine Aufmerksamkeit auf den 1 Mio. Einwohner zählenden Kleinstaat mit seinem strategisch wertvollen Tiefseehafen am Roten Meer. Djibouti wurde als geeigneter Angelpunkt für Chinas Seidenstrasseninitiative (Belt and Road Initiative, BRI) identifiziert. Seit 2017 unterhält Peking dort die bisher einzige Marinebasis in Übersee und ist mit einer ansehnlichen Zahl von zivilen und militärischen Fachkräften präsent.
Wichtige Wegmarke
Vor kurzem hat die Meldung die Runde gemacht, dass die in der ehemaligen britischen Kolonie domizilierte Hong Kong Aerospace Technology Group mit der Regierung von Djibouti einen Zusammenarbeitsvertrag unterzeichnet hat. Mit chinesischen Investitionen in der Höhe von 1 Mrd. US-$ wurde der Bau eines Raumportals vereinbart. Es handelt sich dabei um eine Konzession mit dreissigjähriger Laufdauer. Die Volksrepublik ist zwar im Deal nicht präsent, doch ist es naheliegend, dass in einem so wichtigen Bereich wie Raumfahrt- und Satellitentechnologie auch in Hongkong nichts geschieht, was der festlandchinesischen Aufmerksamkeit entgehen würde.
Das Projekt in Djibouti stellt eine wichtige Wegmarke dar in der geopolitischen Strategie Chinas, seine Präsenz in Afrika auszubauen. Bereits hat Peking mit mehreren afrikanischen Staaten Kooperationsabkommen über Raum- und Satellitenprogramme abgeschlossen.
Man sieht nicht nur die geografische Lage Afrikas als wertvoll und nützlich an, man setzt auch auf die enormen Ressourcen dieses riesigen Kontinents. China steht dabei in offenem Wettbewerb mit dem Westen, vor allem mit den USA, Frankreich und Grossbritannien. Externe Beobachter sehen denn auch das Vorhaben in Djibouti als eine technologische, kommerzielle und militärische Herausforderung an den Westen.
1 Mrd. $ ist sehr viel für Djibouti
1 Mrd. $ ist im Jahrhundertvorhaben der BRI eine vergleichsweise kleine Summe. Für den Winzling Djibouti, der über keine nennenswerten Ressourcen verfügt, ist es indessen eine massive Unterstützung. Die einheimische Regierung wird da wohl gegenüber dem Giganten im Fernen Osten nichts auszurichten haben.
Allerdings gilt es auch zu bedenken, dass in manchen Teilen der Welt die chinesische Präsenz nicht so reibungslos funktioniert. So befinden sich derzeit Pakistan und Sri Lanka in grossen Schwierigkeiten, die ihren Ursprung in einer überrissenen und verfehlten Kredit- und Verschuldungspolitik haben.
In Afrika haben Chinesen wiederholt Schiffbruch erlitten, weil sie mit den Menschen vor Ort nicht übereinkamen und im Umgang mit Einheimischen unverhohlenen Rassismus erkennen liessen. Es ist kein Geheimnis, dass Han-Chinesen im Umgang mit anderen Ethnien Schwierigkeiten haben. Missverständnisse und Vorurteile häufen sich, je ferner vom Reich der Mitte eine Kultur ist. Es wird erst noch zu sehen sein, wie sehr Chinesen auf Dauer mit fremden Kulturen zurande kommen werden. Dies gilt auch für das frisch umworbene und umgarnte Djibouti.
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Meinung – Chinas Aussenposten in Afrika
In Djibouti, beim Horn von Afrika und am Eingang zum Roten Meer, unterhält die Volksrepublik China ihre erste Militärbasis in Übersee.