Börsenbericht vom 2. Februar 2023Defensive Werte bremsen Schweizer Börse
Zinshoffnungen haben die Anleger veranlasst, riskantere Titel zu kaufen und sich im Gegenzug von defensiven Werten zu trennen.

Der Schweizer Aktienmarkt hat sich am Donnerstag uneinheitlich gezeigt. Denn der Leitindex SMI wurde von den schwachen defensiven Schwergewichten gehemmt, obwohl die Geldpolitik, die den ganzen Tag über im Zentrum des Interesses stand, eigentlich für gute Stimmung sorgte. So legten denn auch der gekappte SLI und der breite SPI zu. Und auch an ausländischen Handelsplätzen ging es nach oben: Der deutsche DAX oder der englische FTSE100 etwa schlossen ebenfalls deutlich höher.
Die US-Notenbank Fed sorgte trotz Zinserhöhung für steigende Kurse. Das Fed hob den Leitzins nur um 25 und nicht mehr um 50 Basispunkte an. Zudem interpretierten die Marktteilnehmer die Worte von Fed-Chef Jerome Powell weniger falkenhaft als zuletzt. Zudem signalisierten US-Konjunkturdaten einen abnehmenden Lohnauftrieb. Und auch die Europäische Zentralbank (EZB) erhöhte den Leitzins wie erwartet um 50 BP. Die EZB stellte zudem zwar weitere 50 BP im März in Aussicht. Und EZB-Chefin Christine Lagarde machte klar, dass die Zinsen trotz konjunktureller Risiken stärker steigen würden als bisher eingepreist werde. Doch hätten die Märkte der EZB ihre Entschlossenheit nicht abgenommen und spekulierten auf ein Ende der Zinserhöhungen, hiess es am Markt. Sowohl die Aktien- als auch die Bondmärkte reagierten mit steigenden Kursen. Nun blickten die Anleger wieder stärker auf Unternehmensergebnisse aus dem In- und Ausland. Und dabei wohl vor allem in die USA, wo heute nachbörslich die Techriesen Apple, Amazon und Alphabet ihre Bücher öffnen.
Der FuW Swiss 50 Index steigt schliesslich um 2,19% auf 2250,36 Punkte. Der SMI schloss nach einem Tageshoch auf 11'280 Punkten um 0,11% niedriger bei 11'188,42 Punkten. Der breite SPI legte 0,32% auf 14'467,69 Zähler zu. Der SLI, bei dem die grössten Aktien nicht mit dem ganzen Gewicht enthalten sind, gewann mit 1,39% auf 1787,48 Zähler gar deutlich mehr. Von den 30 Titeln des SLI rückten 24 vor und sechs gaben nach.
Den stärksten Abschlag bei den Bluechips verbuchten ABB (-2,8%). Zwar beurteilten Analysten den Abschluss als «insgesamt solide». Doch habe sich die Auftragsdynamik zum Jahresende hin abgeschwächt und verschiedene Sondereffekte verzerrten das Bild, hiess es weiter. Daher seien die Jahreszahlen nach dem satten Kursplus im laufenden Jahr als Anlass für Gewinnmitnahmen genommen worden.
Dahinter folgten Zurich (-2,8%) und die Pharmariesen Novartis (-2,4%) und Roche (-2,0%). Roche stellt sich anlässlich der Bilanzvorlage 2022 und nach dem Corona-Boom in den letzten Jahren auf einen Schrumpfkurs ein. Die Titel von Rivale Novartis, der am Vortag über 2022 berichtet hatte, litten unter Anschlussverkäufen.
Der Lebensmittelriese Nestlé, der schwerste SMI-Titel, büsste 1,1% ein. Diese drei Schwergewichte waren es, die den SMI im Minus hielten. Defensive Werte hätten derzeit gegenüber Wachstums- und Finanzwerten einfach das Nachsehen, meinte ein Händler.
Bei den Finanzwerten honorierten die Anleger den Jahresbericht von Julius Bär (+3,3%). Der Vermögensverwalter verzeichnete in einem von rückläufigen Märkten geprägten Jahr ein laut Analysten «solides» Ergebnis. Gesucht waren zudem die Banken UBS (+1,4%) und CS (+4,5%).
Zu einem wahren Kursfeuerwerk kam es bei den Wachstums- und Technologiewerten, bei denen es wegen der Hoffnung auf ein baldiges Ende der Zinserhöhungen beidseits des Atlantiks zu einem «Short Squeeze» gekommen sei, sagte ein Händler. Starke Gewinne verzeichneten Partners Group (+9,2%). Aber auch AMS Osram (+7,1%), VAT (+6,9%), Temenos (+5,4%), Lonza (+4,9%), Geberit (+5,3%), Sika (+5,9%), Kühne + Nagel (+7,8%) und Sonova (+5,5%) fielen mit starken Avancen auf. Diese Papiere standen 2022 allerdings massiv unter Druck. Zusätzlicher Rückenwind kam von den günstigeren Zinssausichten und dem Rally an der Nasdaq.
Straumann sprangen sogar um 12% nach oben. Händler verwiesen auf starke Zahlen des US-Mitbewerbers Align Technology.
Im breiten Markt schossen die Valoren der Onlineapotheke Zur Rose um 17% nach oben. Hier sorgten einmal mehr Hoffnungen auf die baldige Einführung des E-Rezeptes für Aufwind.
New York: Kurssprung von Meta verleiht Tech-Rally neuen Schwung
Ein überzeugender Geschäftsausblick von Meta hat am Donnerstag die Erholungrally der US-Techwerte weiter angetrieben. So schnellten die Meta-Aktien um mehr als ein Fünftel nach oben. Der technologiewertelastige Nasdaq 100 stieg rund eine Stunde nach dem Handelsstart um 2,65% auf 12 690,57 Punkte. Der breit gefasste S&P 500 hinkte dem hinterher, der Leitindex Dow Jones Industrial fiel sogar.
Nach einer trägen ersten Wochenhälfte hatten die geldpolitischen Signale der US-Notenbank den 2022 wegen stark gestiegener Zinsen besonders gebeutelten Techwerten frischen Schwung verliehen. Inklusive der Anschlussgewinne vom Donnerstag hat der Nasdaq 100 im noch jungen Börsenjahr bereits um fast 16% zugelegt.
Die US-Notenbank Fed hatte zur Wochenmitte ihr Zinserhöhungstempo wie erwartet erneut verlangsamt. Entscheidend waren aber die Äusserungen von Fed-Chef Jerome Powell. Der stellte zur Eindämmung der hohen Inflation zwar weitere Zinsanhebungen in Aussicht, weckte laut Analyst Craig Erlam vom Handelshaus Oanda aber auch den Eindruck, dass die Straffung der Geldpolitik bald abgeschlossen sein dürfte. «Eine offensichtliche Bemerkung war die Feststellung, dass der Disinflationsprozess begonnen hat», sagte Erlam. Der Preisniveauanstieg lasse also nach.
Untermauert wurde das am Donnerstag von Konjunkturdaten, die einen abnehmenden Lohnauftrieb signalisierten, was die Inflationsrisiken mindert.
Hinzu kamen nun die positiv aufgenommenen Signale von Meta. Der Facebook-Konzern schnitt im vergangenen Quartal trotz eines erneuten Umsatzrückgangs besser ab als erwartet. Das Unternehmen schraubte auch die Aktienrückkäufe um 40 Mrd. $ hoch und Gründer und Chef Mark Zuckerberg stellte weitere Kostensenkungen in Aussicht.
Mit einem Kursplus von mehr als einem Viertel setzten sich im Nasdaq 100 nur die Aktien von Align Technology knapp vor Meta. Auch der Hersteller von Zahnschienen zur Korrektur von Fehlstellungen übertraf die Erwartungen von Analysten mit seiner jüngsten Geschäftsentwicklung.
Der marktbreite S&P 500 hinkte derweil dem Nasdaq 100 hinterher, schaffte im frühen Handel aber ein Plus von 1% auf 4160,42 Punkte. Der US-Leitindex Dow Jones Industrial fiel um ein halbes Prozent auf 33 925,51 Punkte. Hier belastete unter anderem ein mit Enttäuschung aufgenommener Geschäftsausblick des Pharmakonzerns Merck & Co , dessen Aktien um 3,1% sanken. So lässt bei Merck der Rückenwind durch Corona-Mittel im Zuge der abklingenden Pandemie nach, Umsatz und Gewinn dürften 2023 fallen.
Grösste Verlierer im Dow waren aber die Papiere der Versicherer Travelers und Unitedhealth mit Verlusten von jeweils deutlich mehr als drei Prozent.
Unter den Favoriten im wohl bekanntesten Aktienindex der Welt waren der Software-Riese Microsoft und Apple mit Gewinnen von je rund zwei Prozent. Der iPhone-Konzern öffnet nach Börsenschluss seine Bücher - genauso wie der Internetkonzern Amazon und die Googel-Mutter Alphabet . Die Resultate 2022, vor allem aber die Ausblicke für das neue Jahr, dürfte dann mitentscheiden, ob die Tech-Rally weitergehen kann.
Abseits der Techwerte legten die Aktien des Post-Konkurrenzen Fedex um 5,5% zu. Das Unternehmen dreht weiter an der Kostenschraube. So soll die Zahl der Managementstellen um mehr als zehn Prozent gesenkt werden. Dieser Schritt sei notwendig, um in einem sich rasch wandelnden Umfeld wettbewerbsfähig zu bleiben.
Bonds Schweiz: Im Aufwind nach US-Zinserhöhung - Ruhiger Handel vor EZB
Die Schweizer Obligationenbörse tendiert am Donnerstag fester. Im Gegenzug sinken die Swapsätze und die Renditen. Das Geschäft verläuft laut Händlern vor der Bekanntgabe den Zinsentscheidungen der Bank of England und der Europäischen Zentralbank (EZB) am frühen Nachmittag in ruhigen Bahnen.
Rückenwind erhalten die Obligationen von der US-Notenbank Fed. Diese hob die Leitzinsen am Mittwochabend zwar wie erwartet um 0,25 Prozentpunkte an und stellte zudem weitere Anhebungen in Aussicht. Allerdings sei ihm damit nicht gelungen, die Märkte vollends zu überzeugen, hiess es. «Am Markt werden nun bereits ab Sommer Zinssenkungen des Fed eingepreist. Das ist doch viel zu früh», meinte ein Händler. Denn vor allem die Kerninflation dürfte hartnäckig hoch bleiben.
Doch nun warteten die Marktteilnehmer zunächst auf die geldpolitischen Entscheidungen der EZB um 14.15 Uhr. Diese dürfte den Leitzins erneut um 50 Basispunkte (BP) anheben. Spannend bleibe dabei, welche Signale Notenbankchefin Christine Lagarde für das weitere Vorgehen geben werde, heiss es. Zuletzt hatten eine Reihe von Notenbankvertretern auch für den März einen grösseren Zinsschritt in Aussicht gestellt. Die EZB dürfte zudem Details zu ihrem geplanten Bilanzabbau bekannt geben, der ebenfalls als geldpolitische Straffung interpretiert werden kann. Schon vorher um 13.00 Uhr wird die BoE ihren Zinsbeschluss bekanntgeben. Erwartet wird ebenfalls eine Straffung um 50 BP.
Dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) ausserterminlich ebenfalls eine Zinserhöhung verkünden könnte, wird am Markt als eher unwahrscheinlich eingestuft. Doch auch die SNB werde die Zinsschraube weiter anziehen, nämlich bei der geldpolitische Sitzung im März. Die Prognosen liegen bei 25 bis 50 BP.
Der Primärmarkt wurde am Berichtstag bisher nicht beansprucht und daher ist es auch am Sekundärmarkt recht ruhig. Kommende Woche stehen dann aber Transaktionen der Pfandbriefbank und der Eidgenossenschaft auf dem Programm.
Der März-Conf-Future notiert gegen 13.00 Uhr um 46 BP höher auf 142,82%, gehandelt sind 34 Kontrakte. Am Vortag war der Conf um 107 BP gestiegen. Der für den Markt wegweisende Swiss Bond Index gewinnt 40 BP auf 125,91% nach +22 BP am Vortag.
Bisher ist lediglich für den Eidgenossen 1,5%/2025 ein tieferer Kurs rapportiert. Die Rendite zweijähriger Anleihen der Eidgenossenschaft wurde zuletzt mit 0,980 und die der zehnjährigen mit 1,282% angegeben.
Der zehnjährige Kassazinssatz sinkt auf 1,207 von 1,243% am Vortag.
Eurokurs fällt nach EZB-Entscheidungen - EUR/CHF klar unter Parität
Der Kurs des Euro ist am Donnerstag nach geldpolitischen Entscheidungen der Europäischen Zentralbank (EZB) stark unter Druck geraten. Am Nachmittag rutschte der Kurs um mehr als einen Cent, fiel vorübergehend unter die Marke von 1.09 $ und erreichte ein Tagestief bei 1.0886 $. Derzeit notiert er wieder über 1.09 bei 1.0927 $.
Auch zur Schweizer Währung zeigt sich der Euro am Donnerstagnachmittag merklich geschwächt. Mit Aktuell 0.9948 notiert das EUR/CHF-Paar wieder deutlich unterhalb der Parität. Der Dollar kostet derzeit praktisch unverändert 0.9103 Fr.
Am Nachmittag hatte die EZB wie allgemein erwartet den Leitzins zur Eindämmung der hohen Inflation deutlich um 0,50 Prozentpunkt auf 3,0% angehoben. Ausserdem machten die Währungshüter klar, dass im März ein weiterer Zinsschritt von 0,50 Prozentpunkte erfolgen wird.
Trotz der Aussicht auf weiter steigende Zinsen geriet der Kurs des Euro unter Druck. Christian Lips, Chefvolkswirt der NordLB, verwies auf Aussagen der EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Diese hatte im Anschluss an die Zinsentscheidung gesagt, dass alle zukünftigen Entscheidungen datenabhängig seien. Lagarde bekräftigte, dass die Inflation zwar weiter «viel zu hoch» sei, die Risiken für die weitere Inflationsentwicklung aber mittlerweile ausgeglichener seien. Nach Einschätzung des Analysten Michael Hewson vom Handelshaus CMC Markets deuten die Aussagen darauf hin, dass die Zeit der Zinserhöhungen dem Ende zugeht.
Marktbeobachter zogen zudem Parallelen zur Marktreaktion nach der Zinsentscheidung der US-Notenbank Fed am Mittwochabend. Hier hatten die Währungshüter nach der Zinserhöhung um 0,25 Prozentpunkte ebenfalls weiter steigende Zinsen signalisiert. Dennoch war der US-Dollar am Mittwochabend kräftig gesunken. Nach Einschätzung von Analysten ist es den US-Währungshütern nicht gelungen, die Märkte vollends zu überzeugen, dass der Leitzins weiter verlässlich steigen wird.
Zu anderen wichtigen Währungen legte die EZB die Referenzkurse für einen Euro auf 0.89289 (0.88413) britische Pfund und 141.12 (141.37) japanische Yen fest.
Die Feinunze Gold wurde am Nachmittag in London mit 1925 $ gehandelt und damit etwa 25 $ niedriger als am Vortag.
Ölpreise geben etwas nach
Die Ölpreise haben am Donnerstag erneut nachgegeben. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im April kostete zuletzt 82.40 $. Das waren 42 Cent weniger als am Vortag. Der Preis für ein Barrel der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) zur März-Lieferung fiel um 35 Cent auf 76.07 $.
Die Ölpreise knüpften so an ihre Vortagsverluste an. Dem Markt fehlte es etwas an klaren Impulsen. Etwas belastet wurden die Ölpreise durch die Kursgewinne des Dollar. Ein stärkerer Dollar macht Rohöl, für Anleger aus anderen Währungsräumen teurer. Nach den geldpolitischen Entscheidungen der Europäischen Zentralbank (EZB) war der Euro unter Druck geraten und der Dollar im Gegenzug gestiegen.
Auf der Angebotsseite spricht einiges für eine zunächst stabile Lage. Die im Ölverbund Opec+ zusammengeschlossenen Förderstaaten machen derzeit keine Anstalten, ihre Förderpolitik entscheidend zu verändern. Am Mittwoch empfahl ein wichtiges Komitee, den Kurs zunächst beizubehalten. Die rund 20 Länder der Opec+ werden von den grossen Förderstaaten Saudi-Arabien und Russland angeführt.
AWP/REUTERS
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