CIO Circle: Matthias Henny zu den Anlagemärkten 2023Den Fokus auf Qualität richten
Wir befinden uns 2023 in einem deutlich unterschiedlichen Anlageumfeld als im Jahr zuvor. Der Kampf der Notenbanken gegen die Inflation gibt den Takt vor. Und die Volatilität dürfte hoch bleiben. Das erfordert Anpassungen in der Anlagestrategie. Investorinnen und Investoren sollten gerade jetzt bewährte Anlagegrundsätze beachten, die für jedes Marktumfeld gelten.

Die Turbulenzen im Bankensektor stellen die Finanzstabilität und somit auch den Kurs der zukünftigen Geldpolitik infrage. Für die USA zum Beispiel erwarten Anleger bereits Zinssenkungen im zweiten Halbjahr.
Die Inflation ist jedoch hartnäckig. Das verdeutlichte einmal mehr der überraschende Anstieg der Inflation im Vereinigten Königreich. Nach drei aufeinanderfolgenden Monaten, in denen sich der Preistrend verlangsamt hatte, kletterte die Teuerung jüngst wieder auf 10,4%. Wir rechnen zwar insgesamt mit einem Rückgang der Inflation, aber auch Ende 2023 dürfte sie in den USA, im Euroraum und in Grossbritannien über der von den Geldhütern angestrebten Marke von 2% liegen.
Zwischen Inflationsbekämpfung und Finanzstabilität
Die Notenbanken müssen ihre Entschlossenheit zur Zähmung der Inflation beweisen. Sie riskieren sonst, nicht nur die Inflation nicht mehr in den Griff zu bekommen, sondern auch ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Ein Vertrauensverlust der Zentralbanken hätte verheerende Folgen für die Finanzmärkte. Wir erwarten daher weitere Leitzinserhöhungen in den nächsten Monaten. Ohne starke Rezession oder Ausufern der aktuellen Bankenkrisen dürfte es in diesem Jahr nicht zu Zinssenkungen kommen. Die Finanzierungskosten für Unternehmen bleiben somit
hoch.
Stresstest für viele Unternehmen
Im vergangenen Jahr kam es zu einem ausserordentlich starken Zinsanstieg. Die Folgen dieser veränderten Marktbedingungen mit den flachen bzw. inversen Zinskurven kommen mit Verzögerung ans Licht, wie der Fall der Silicon Valley Bank in den USA zeigt.
Fehlallokationen im Bereich der Bilanzsteuerung oder dem Liquiditätsmanagement könnten noch vermehrt zutage treten. Wir rechnen daher mittelfristig mit erhöhter Volatilität an den Finanzmärkten und steigenden Ausfällen.
Langfristig und diszipliniert handeln
Gerade im jetzigen Umfeld mit hoher Unsicherheit ist der langfristige Blick entscheidend. Panik ist nie ein guter Ratgeber. Erfolg beim Anlegen entsteht durch das disziplinierte Umsetzen einer langfristig orientieren Anlagestrategie, die auf die eigene Risikotoleranz abgestimmt ist. Dies gilt nicht nur für institutionelle Anleger, sondern auch für private Investoren, die etwa für ihre Vorsorge anlegen.
Die erwartete Rendite jeder Anlagekategorie hängt stark vom Umfeld ab. Im Umfeld strukturell höherer Zinsen bedeutet dies: Obligationen sind aufgrund der höheren Zinsen wieder eine
interessante Anlagekategorie, nachdem im Negativzinsumfeld kaum eine positive Rendite zu erwarten war. Besonders interessant sind zurzeit Unternehmensanleihen. Die Credit Spreads bewegen sich über dem langjährigen Durchschnitt, was historisch zu überdurchschnittlichen Renditen geführt hat.
Ein weiterer Anstieg der Credit Spreads ist im aktuellen Umfeld jedoch nicht auszuschliessen. Eine profunde Kreditanalyse ist deshalb unumgänglich. Die Qualität ist dabei entscheidend.

An Aktien kommt man bei einem langfristigen Anlagehorizont kaum vorbei. Dennoch präsentiert sich die Lage anders als vor dem Zinsanstieg. Im Nullzinsumfeld waren Aktien alternativlos, da allein die Dividendenrendite gegenüber risikolosen Zinsen genügend Puffer bot. Diese Differenz ist deutlich zurückgegangen (vgl. Grafik).
Im Weiteren können Zentralbanken nicht mehr jede Korrektur mit mehr Liquidität und tieferen Zinsen bekämpfen. Dieser Rückenwind für Aktien dürfte vorbei sein. Wichtig ist im jetzigen Umfeld, auf Qualitätsaktien zu setzen. Da Fremdkapital nicht mehr gratis ist, profitieren vor allem Unternehmen mit einem kompetitiven Vorteil, die höhere Preise durchsetzen können und damit eine höhere Marge verdienen.
Auch Immobilien gehören typischerweise in ein Portfolio mit einem langfristigen Anlagehorizont. Ähnlich wie bei Aktien hat sich der Renditeunterschied zu Obligationen im Vergleich zur Negativzinsphase normalisiert. In der Vergangenheit war es ausreichend, in Immobilien zu investieren, um von dieser Renditedifferenz zu profitieren. Im gegenwärtigen Umfeld ist es entscheidend, die Potenziale bestehender Liegenschaften zu optimieren. Das erfordert ein aktives Management der Liegenschaften in der Bewirtschaftung und der Weiterentwicklung. Dazu zählen auch die Entwicklung von zusätzlichem Wohnraum in nachhaltiger Bauweise und das Nutzen von Ausbaupotenzialen.
Anlagejahr bleibt anspruchsvoll
Für institutionelle Anleger ist die Verschiebung von liquiden Anlagen zu illiquiden Anlagen weiterhin spannend, da eine zusätzliche Rendite verdient werden kann. Ausser einer genauen Liquiditätsplanung erfordert dieses Thema aber sehr spezifisches Fachwissen. Das Anlagejahr 2023 hat sehr anspruchsvoll begonnen und dürfte hürdenreich bleiben. In solchen Marktphasen geht es darum, ruhig Blut zu bewahren, Opportunitäten systematisch zu nutzen und sich strikt an die Anlagestrategie zu halten, die der eigenen Risikotoleranz entspricht. Dann können auch Krisen Chancen bieten.
Dieser Artikel ist der dritte in der Serie «CIO Circle». Bisher sind erschienen:
Fehler gefunden?Jetzt melden.