Aufgefallen in IsraelDie Frucht(barkeit)
Granatäpfel finden sich hierzulande höchstens als exotisches Extra auf Salaten. Israel ist voll davon. Die Früchte gelten als Wundermittel.

Israel ist flächenmässig halb so gross wie die Schweiz, hat aber fast eine Million mehr Einwohnerinnen. Die Lebendigkeit zeigt sich in jedem Winkel der zugleich alten und modernen Nation.
Verbringt man auch nur wenige Tage in dem schmalen Land, gibt es kaum etwas, was man nicht sieht. So findet man in Jaffa einen BDSM-Shop zwischen einem koscheren Fischhändler und einem arabischen Teppichverkäufer. Am Strand tanzen samstagmorgens in Neonfarben gekleidete Menschen jeglichen Alters bis zu sechs Stunden am Stück eine Art nahöstliches Zumba. In den religiösen Vierteln des Landes erlebt man jeden Freitag vor Sonnenuntergang Hektik, gefolgt von plötzlichem Stillschweigen nach Dämmerung. Gleichzeitig müssen an der Dizengoff Street in Tel Aviv die Gläser für die Cocktails in den Bars noch kühl gestellt werden.
In dieser Vielfalt, hoch konzentriert auf wenigen Quadratkilometern, findet man praktisch überall eine Frucht, die bei uns höchstens als exotisches Extra auf Salaten serviert oder etwas verwässert in Plastik gepackt in Migros- und Coop-Kühlschränken als Snack zu finden ist. Die Rede ist von Granatäpfeln, so ziemlich die letzte Frucht, an die man hierzulande mal spontan denkt. Israel ist voll davon.
Auf den chaotischen Märkten findet sich die Frucht überall, die dicke Schale schützt ihr Inneres. Meistens wird aus ihren Kernen tiefroter Saft gepresst, der im heissen Sommer mit etwas Eis serviert wird. Ob die Israelis dank dem Verzehr dieser Frucht in der Regel so schlank und gesund aussehen?
Ein Wundermittel
Granatäpfel enthalten reichlich Vitamine, die antiinflammatorisch sind und den Körper gesund, fit und sogar sinnlich halten sollen. Letzteres – dass Granatäpfel ein Aphrodisiakum sind – ist seit eh und je ein Mythos, tatsächlich befand aber die eine oder andere Studie, dass der Verzehr von Granatäpfeln zu einem erhöhten Anteil von Testosteron führen kann, was in der Regel die Lust bei allen Geschlechtern in die Höhe treibt. Wem dieser Test zu intim ist, kann versuchen, den Verzehr von Granatäpfeln mit gesteigerten sportlichen Leistungen zu verbinden. Ausserdem sollen die Nährstoffe krebsvorbeugend sein – schaden kann der Konsum aus gesundheitlicher Sicht also sicher nicht.
Wären die gesundheitlichen Vorzüge nicht schon genug, gibt es im Judentum, zu dem über 70% der israelischen Bevölkerung gehören, einen religiösen Ansatz, der Granatäpfel zu besonderen Früchten macht. Denn die einzelne Frucht soll genau 613 Kerne beinhalten, die gleiche Anzahl Gebote (auch Mitzwot genannt), die im Alten Testament zu finden sind. Laut meiner Recherche stimmt die Zahl 613 nur, wenn man Glück hat – die Anzahl Kerne variiert von 200 bis 1400.
Symbol der Fruchtbarkeit
Wie dem auch sei: Der symbolische Wert der Frucht wurde trotz Abweichungen bei der Kernanzahl bis heute weitergegeben – so kannten meine kleinen Cousins auf meine Anfrage alle diesen einen «Fun Fact» über die Frucht (gezählt hatten sie selbst aber auch noch nie). Sämtliche Torahs schmücken Abbildungen der Frucht, bei den sephardischen Juden, die aus Nordafrika und von der Iberischen Halbinsel stammen, wird sie am Pessach-Mahl serviert.
Auch für nicht-jüdische Gemeinschaften in- und ausserhalb Israels hat die kernige Frucht eine mythologische Bedeutung. Die Griechen assoziieren den Granatapfel mit der Göttin der Liebe und Schönheit, Aphrodite. Für die Armenier wird Fruchtbarkeit so stark durch Granatäpfel symbolisiert, dass die Braut bei der Heirat traditionell deren Kerne verstreut, als Zeichen viele Kinder zu gebären. Prompt stiess ich auf den Laden eines armenischen Keramik-Künstlers in Jerusalem, dessen Designs zu 80% Granatäpfel darstellen. Wie immer nur mit Handgepäck unterwegs, reichte es immerhin für eine Miniatur-Vase.
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