Die Nationalbank hortet übermässig Geld. Ihr Fremdwährungsbestand von 800 Mrd. Fr. könnte, anders angelegt, viel mehr Ertrag erzielen, wovon Bund und Kantone profitierten. Der Verzicht auf gut und gerne 30 Mrd. Fr. pro Jahr ist unnötig.
Zudem sollte die SNB einzig Geldpolitik betreiben, um die Inflation zu zähmen und die Kaufkraft des Frankens zu wahren. Stattdessen sind die Währungshüter auch noch riesiger Investor. Die zwei Rollen, Geldpolitiker und Anleger, sollten getrennt sein, mit je einem separaten Auftrag.
Der jetzige einzige Auftrag, das Nationalbankgesetz, gibt der Geldpolitik Priorität. Mit diesem Mandat wehrt sich die SNB gegen viele Forderungen – ihr Geld solle die AHV stützen, Coronaschulden abbauen oder Klimaschutzprojekte finanzieren, und sie solle mehr in Aktien statt Anleihen investieren, oder aber Ölkonzerne und andere Umweltverschmutzer meiden. All diese Debatten zu bestreiten, darf nicht Aufgabe der Geldpolitiker sein.
Arbeitsteilung ist geboten. Damit lässt sich auch der Ertrag aus dem Devisenbestand steigern. Beim bisherigen Verzicht darauf geht es um viel, einen Anhaltspunkt liefert der norwegische Staatsfonds. Er hat von 1998 bis 2022 im Durchschnitt eine jährliche Rendite von 5,7% erreicht. Für die SNB hatten die Ökonomen von UBS 2016 eine Ertragskraft von 2% pro Jahr veranschlagt, vergangenen Sommer reduzierten sie das Renditepotenzial auf «rund 1 bis 1,5%».
Ölverkauf versus Frankenverkauf
Die Renditedifferenz schlägt sich mit der Zeit in grossen Beträgen nieder. Investiert man 500 Mrd. Fr. für zehn Jahre mit Norwegens Rendite von 5,7%, resultiert mit Zinseszinseffekt ein Gesamtertrag von 370 Mrd. Fr., das Vermögen nach einer Dekade ist 870 Mrd. Fr. Mit der SNB-Rendite von 1,5% wächst die Summe bloss 80 Mrd. auf 580 Mrd. Fr. Die Nationalbank nimmt in zehn Jahren 290 Mrd. Fr. weniger ein, das sind pro Jahr 29 Mrd. Fr.
Um zu Norwegen aufzuholen, braucht die SNB zwei separate Kassen. Doch auch dagegen wehrt sie sich. «Ideen, die darauf abzielen, einen Staatsfonds zu alimentieren, müssen wir entschieden ablehnen, selbst wenn wir für die damit verbundenen Anliegen, wie beispielsweise die Sicherung der Altersvorsorge, grosses Verständnis aufbringen», sagte Nationalbankpräsident Thomas Jordan im Oktober 2020. Für die Devisenanlagen stünden Sicherheit und Liquidität im Zentrum, lässt das SNB-Direktorium stets verlauten, nur so sei die geldpolitische Handlungsfähigkeit jederzeit gewährleistet.
«Die Nationalbank muss nicht 800 Mrd. Fr. horten, um stets handlungsfähig zu sein.»
Das ist richtig, aber nur zum Teil. Die Nationalbank muss nicht 800 Mrd. Fr. horten, um stets handlungsfähig zu sein. Selbst wenn sie wollte, kann sie diesen Berg nicht halbieren oder ganz abbauen. Verkauft sie nämlich allzu viele Devisenanlagen gegen Franken, wird dieser gestärkt. Das bedrängt Schweizer Exporteure und bremst die hiesige Konjunktur. Solange der Franken ein sicherer Hafen ist und darum langfristig ohnehin aufwertet, kann die SNB nur wenig Devisen verkaufen.
Weil also die Fremdwährungsanlagen bleiben, seien sie als Vermögen zu betrachten, argumentiert das unabhängige SNB Observatory der Wirtschaftsprofessoren Yvan Lengwiler aus Basel und Charles Wyplosz aus Genf mit Stefan Gerlach, Chefökonom EFG-Bank in Zürich und früher Vizepräsident der irischen Notenbank. Sie fordern einen Staatsfonds, der rentabler investiert.
Vermögen sind die Devisenanlagen aber nicht, das zeigt der Vergleich mit Norwegen. Das Land verkauft Öl, der Erlös speist den Staatsfonds – den Ölfonds oder lokal «Oljefondet». Sein Hauptauftrag ist Sparen für künftige Generationen, er investiert in ausländische Wertschriften. Dieses Vermögen kann der Staat dereinst vollumfänglich ausgeben.
«Die SNB-Devisenanlagen sind kein Ölfonds, sondern eher ein ‹Schöpfungsfonds›, gespeist aus der Geldschöpfung.»
Die SNB-Devisenanlagen hingegen dürfen Bund und Kantone nicht ausgeben. Sie sind kein Ölfonds, sondern eher ein «Schöpfungsfonds», gespeist aus der Geldschöpfung. Die SNB druckt frische Franken – nicht mit der Notenpresse, sondern elektronisch per Knopfdruck. Sie verkauft die Franken und kauft Fremdwährungen, um mit dieser Intervention am Devisenmarkt die Aufwertung des Frankens zu bremsen. Die Fremdwährungen investiert sie in Anleihen und Aktien, so sind diese Anlagen seit 2009 gewachsen.
Falls aber die SNB in ferner Zukunft die ausländischen Anleihen und Aktien verkauft, vernichtet sie gleichzeitig auf Knopfdruck die Franken, um auch die Geldmenge abzubauen. Die Devisenanlagen sind deshalb keine Ersparnisse. Ausgeben können Bund und Kantone bloss den Gewinn, der aus den SNB-Anlagen resultiert. Umso erfreulicher wäre es, diesen zu steigern.
Ein Fonds für die Ewigkeit
Kein Staatsfonds mit Ölvermögen also. Wie lässt sich eine Alternative installieren? Die Vorgabe stammt von der SNB selbst und heisst Stabfund. Der Stabilisierungsfonds wurde 2008 in der Finanzkrise aufgesetzt, zur Rettung der UBS. Er nahm ihr toxische Papiere im Wert von 39 Mrd. $ ab, darunter verschachtelte drittklassige US-Hypotheken (Subprime). Verwaltet wurden die Papiere von der SNB zusammen mit Spezialisten der UBS.
Nicht nur Schwarzmaler befürchteten, die Rettungsaktion mit den illiquiden Ramschpapieren werde teuer. «Wir sind da für die Ewigkeit», entgegnete der damalige Nationalbankpräsident Jean-Pierre Roth, die SNB habe Zeit. Das gilt auch für die Devisenanlagen.
In Anlehnung an den Stabfund wäre es sinnvoll, einen Grossteil des Fremdwährungsbestands in einen separaten SNB-Anlagefonds zu übertragen. Sein Auftrag wäre, im Rahmen gewisser Auflagen die beste Rendite zu erzielen – so lautet auch das Mandat des norwegischen Staatsfonds. Vorgegeben sind dort etwa das Anlageuniversum der erlaubten Wertschriften, Risikolimiten und Richtlinien mit Blick auf Umwelt und soziale Aspekte.
Mehr Aktien und weniger Anleihen
In der Schweiz mit den Devisenanlagen als Schöpfungsfonds ist, anders als vom SNB Observatory gefordert, ein Staatsfonds nicht angebracht. Separat geführt wurde aber bereits der Stabfund, unabhängig vom SNB-Stammhaus und dessen Bilanz, die das Resultat der Geldpolitik ist. Über Stammhaus und Stabfund stülpte sich eine Konzernbilanz, die das Gesamtergebnis erfasste. Dieser buchhalterische SNB-Konzern wurde mit dem Verkauf des Stabfunds an die UBS 2013 aufgelöst – für die Nationalbank resultierte ein Gewinn.
Auch mit dem SNB-Anlagefonds würde die Nationalbank als Konzern die übergeordnete Kontrolle behalten. Die neue Tochter für die Devisenanlagen bekäme ein eigenes Mandat, definiert vom Parlament.
Doch wenn für die SNB-Devisen eine Rendite von 1 bis 1,5% erwartet wird, wie bringt es dann ein SNB-Anlagefonds auf mehr als 5% wie Norwegen? Ausschlaggebend ist die Vermögensaufteilung. Die SNB hält 25% Aktien und 75% Anleihen. Der norwegische Staatsfonds setzt weniger auf Liquidität und viel mehr auf die lange Frist. Er macht es deshalb umgekehrt und hält 70% Aktien und 28% Anleihen – plus ein wenig Immobilien.
Mit einem grossen Aktienanteil schwankt das Jahresergebnis heftig. Die Ausschüttung an Bund und Kantone lässt sich aber glätten. Besonders gut geeignet dafür wäre ein Ausgleichsfonds, über den Bund und Kantone verfügen.
«Dank Arbeitsteilung ist die Geldpolitik unabhängig und erst noch unbehelligt.»
So würde aus der jetzigen Nationalbank mit zu vielen Aufgaben und vielfältiger Ablenkung ein Dreigespann. Im neuen SNB-Konzern führt erstens das Stammhaus die Geldpolitik und zweitens investiert der Anlagefonds 500 Mrd. Fr. vor allem in ausländische Aktien. Daneben verwaltet drittens der autonome Ausgleichsfonds die Ausschüttungen, die Bund und Kantone für AHV, Schuldenabbau, Klimaschutz oder Steuersenkungen verwenden.
Mit dieser Arbeitsteilung ist die Geldpolitik unabhängig und erst noch unbehelligt. Während der Anlagefonds eine norwegische Rendite für die Schweiz erzielt.
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Meinung – Die SNB hortet zu viel Geld
Die Nationalbank sollte ihren Fremdwährungsbestand auf lange Sicht anlegen, damit sie so viel Rendite erzielt wie der norwegische Staatsfonds. Öleinnahmen hat die Schweiz nicht, aber Arbeitsteilung macht’s möglich.