KonsumgüterDie weihnachtliche Shoppinglust verbreitet falsche Zuversicht
Die laufende Einkaufssaison ist für die Branche noch kein Partykiller. Doch die Aussichten für Apple, Emmi oder Richemont werden sich mit der abnehmenden Spendierlaune verändern.

Es gibt da dieses Sinnbild vom Tanz auf dem Vulkan: Heute herrscht noch Partystimmung, doch bald schon könnte die Krise ausbrechen, Katerstimmung inklusive. So oder ähnlich steht es momentan um viele Unternehmen aus dem Konsumbereich. Ihre Geschäftszahlen sind immer noch gut, aber am Horizont zieht Ungemach auf.
Erste Vorboten davon sendet das Weihnachtsgeschäft aus. Eine Umfrage der Finanzvergleichsplattform Hellosafe.ch hat ergeben, dass Schweizer mit durchschnittlich 350 Fr. so viel für Weihnachtsgeschenke ausgeben möchten wie noch nie zuvor. Inflation und insbesondere gestiegene Energiepreise lasten den Leuten zwar auf dem Portemonnaie, sie behalten aber die Spendierhosen an. Das deckt sich mit den Rückmeldungen, die Finanz und Wirtschaft aus der Konsumgüterbranche erhalten hat. Die Jahresendphase entspricht ihren Erwartungen.
Ganz schwaches Konsumklima
Noch im Herbst waren die Aussichten weit weniger rosig. Der Schweizer Index der Konsumentenstimmung des Staatssekretariats für Wirtschaft sank auf den tiefsten Stand seit Beginn der Umfrage 1972. Vor allem die Beurteilung der eigenen finanziellen Lage drückte auf die Stimmung. Das entsprechende Barometer aus den USA markierte schon im Juni ein Rekordtief. Seither hat es sich etwas erholt.
Für viele Unternehmen sind die Festtage matchentscheidend. Der Schokoladenhersteller Lindt & Sprüngli macht dann geschätzte 30% des Umsatzes, auch der Notendrucker und Buchhändler Orell Füssli kommt auf einen substanziellen Anteil. Doch ein ordentliches Schlussquartal darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der wirtschaftliche Abschwung in einigen Monaten auch in der Kauflaune niederschlägt.
In Deutschland sind bereits Bremsspuren sichtbar. In der Woche vor dem vierten Advent ist der Umsatz im Detailhandel unter den Erwartungen geblieben. Einer Umfrage des Handelsverbands Deutschland zufolge ist nur ein Viertel der Betriebe mit dem bisherigen Weihnachtsgeschäft zufrieden.
Die Schweiz mit im Sog
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden sich verschlechtern, die Frage ist bloss, wie stark. Der Ukrainekrieg und die dadurch verschärfte Energiekrise belasten das globale Wachstum. Das Plus werde 2023 bei nur noch 2,2% liegen, prognostiziert die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die Schweiz kann sich dem internationalen wirtschaftlichen Abschwung nicht entziehen. Aber sie wird ihn besser meistern als das restliche Europa.
Es kann denn auch gefährlich sein, wenn sich die Unternehmen aus dem Konsumbereich in Sicherheit wiegen. Noch spiegelt sich die bevorstehende Krise nicht in den Zahlen, «deshalb fühlen sie sich gut vorbereitet und denken, sie könnten mit einem positiven Ebitda überwintern», sagt Andreas Liedtke von der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG). «Wir meinen, sie sind überoptimistisch.»
«Die herkömmliche Strategie zur Krisenbewältigung wird den Konsumunternehmen um die Ohren fliegen.»
Der Konsumexperte geht noch einen Schritt weiter und sagt, die herkömmliche Strategie zur Krisenbewältigung werde ihnen «um die Ohren fliegen». Was den bevorstehenden Abschwung speziell macht, sind die Pandemieausläufer, die Teile der Wirtschaft immer noch beeinträchtigen.
In den Angriffsmodus wechseln
Konventionelle Mittel der Krisenbewältigung könnten sich somit nicht bewähren. Dazu zwei Beispiele, wie Marktbeobachter sie erwähnen: Wer etwa auf die Idee kommt, mit seinen Lieferanten härter zu verhandeln, dürfte feststellen, dass es vielerorts immer noch Lieferkettenprobleme gibt. Wer seine Personalkosten senken möchte, dürfte Schwierigkeiten haben, gute Talente zu finden.
Stattdessen gelte es, die Kunden über verschiedene Massnahmen möglichst an sich zu binden und die Margen zu schützen, um rasch wieder in den Angriffsmodus übergehen zu können. Denn wer fit und gut vorbereitet in die stürmischen Zeiten geht, könnte der Krise gar Positives abgewinnen und einige seiner Wettbewerber überholen. Für den würde der Tanz auf dem Vulkan weitergehen.
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