Wer auch immer das Finanzdepartement von Ueli Maurer übernehmen darf: Er oder sie muss eine dicke Haut haben und viel Überzeugungskraft in die Waagschale werfen. Ab 2024 werden die verfassungsmässigen Bestimmungen der Schuldenbremse verletzt, schon bald müssen umstrittene Sparentscheide gefällt werden.
An seiner jüngsten Sitzung hat der Bundesrat den Zusatzbericht zum Voranschlag 2023 mit Finanzplan 2024 bis 2026 verabschiedet. Darin warnt er vor einer «besorgniserregenden» Entwicklung des Bundeshaushalts. In diesen drei Jahren türmen sich Defizite von 1,1 Mrd., 3 Mrd. und 3,1 Mrd. Fr. auf, falls keine Gegenmassnahmen ergriffen werden.
In diesen Zahlen sind mögliche, angedachte Mehrbelastungen in Milliardenhöhe für familienergänzende Kinderbetreuung oder wegen der Migration sowie die einmalige Finanzierung der SBB von 1,2 Mrd. Fr. nicht einmal enthalten. Selbst das «Worst-Case-Szenario» des Finanzdepartements mit Fehlbeträgen von 3,3 Mrd., 6,3 Mrd. und 7,4 Mrd. Fr. hat aber Steigerungspotenzial. Was, wenn der Rettungsschirm für Stromkonzerne im Maximalumfang von 10 Mrd. Fr. in Anspruch genommen wird oder doch noch Abfederungsmassnahmen für Private und Unternehmen wegen der hohen Energiepreise beschlossen werden?
Drastische Änderung in kurzer Zeit
Im vorherigen Finanzplan des Bundes vom Sommer 2021 stimmten Einnahmen und Ausgaben noch einigermassen überein. Unterdessen jedoch haben sich die konjunkturellen Aussichten verdüstert. Zudem hat das Parlament – sozusagen Coronakredit-trunken – zahlreiche neue Ausgaben ins Budget genommen (die Wahlen im Herbst 2023 lassen grüssen). Die beiden grössten Neuposten sind höhere Armeeausgaben und eine zusätzliche Verbilligung der Krankenkassenprämien als indirekter Vorschlag zur SP-Prämienentlastungsinitiative.
Ein Glück, gibt es seit 2001 eine Schuldenbremse in der Verfassung. Sie fordert den Ausgleich zwischen Einnahmen und Ausgaben über einen Konjunkturzyklus hinweg und zwingt die Politik zum Masshalten. Was nun? Im Grundsatz besteht die Wahl zwischen zusätzlichen Einnahmen und Kürzungen. Beides hat Tücken.
«Wachsende Defizite beschneiden die Handlungsfähigkeit des Bundes gerade mit Blick auf künftige nicht voraussehbare Krisen.»
Der Bevölkerung in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Steuererhöhungen zuzumuten, ist politisch kaum durchzusetzen. Zudem sind sie in nützlicher Frist nicht realisierbar, da kompliziert und angewiesen auf eine Änderung der Verfassung. Im Zusatzbericht sind zwei Vorschläge enthalten, die das Problem allerdings wenig entschärfen würden: späteres Inkrafttreten der Abschaffung von Industriezöllen und eine Steuer auf Elektromobilen.
Was Kürzungen betrifft, sind Schnitte nach dem Rasenmäherprinzip nicht opportun, da auch unbestrittene, sinnvolle Ausgaben gekappt würden. Bei den gezielten Einsparungen könnte das Parlament auf beschlossene, aber noch nicht umgesetzte Ausgabenpläne zurückkommen. Da bietet sich der indirekte Gegenvorschlag der Prämienentlastungsinitiative an (mindestens 1,7 Mrd. Fr. ab 2025). Er muss erst noch im Zweitrat behandelt werden.
Zu viele Ausgaben gebunden
Und wo bei den bestehenden Ausgaben kürzen? In der Budgetberatung in der kommenden Wintersession werden die Politiker mit einem Problem konfrontiert werden, das sie sich zu einem erheblichen Teil selbst geschaffen haben: Nahezu zwei Drittel der Bundesausgaben sind sogenannt zweckgebunden und lassen sich kurzfristig nur schwer, wenn überhaupt, anpassen.
Die stark gebundenen Ausgaben haben im vergangenen Jahrzehnt ein Fünftel zugenommen, was die Manövrierfähigkeit von Bundesrat und Parlament einschränkt. Auch in dieser Hinsicht müsste der Politik eine Bremse auferlegt werden.
Ein gesunder Staatshaushalt ist für den Standort Schweiz ein zentraler Erfolgsfaktor. Wachsende Defizite beschneiden die Handlungsflexibilität des Bundes gerade mit Blick auf künftige nicht voraussehbare Krisen. Man will sich gar nicht ausmalen, wo der Bundeshaushalt heute stünde ohne Schuldenbremse.
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Meinung – Fertig Füllhorn
Die kommende Budgetdebatte wird kontrovers. Der Bund muss sparen.