Folgen der steigenden ZinsenFrankenemissionen trotzen den Marktstürmen
Dank der regen Emissionstätigkeit der beiden grössten Schuldner verzeichnet der Schweizer Obligationenmarkt trotz Kursturbulenzen ein Rekordvolumen.

Trotz kräftiger Finanzmarktturbulenzen kann der Schweizer Obligationenmarkt 2022 neue Rekorde feiern. Der Emissionsmarkt wurde so stark beansprucht wie seit Jahren nicht mehr. «Schon 2021 war ein gutes Emissionsjahr und 2022 war noch besser», sagte Markus Thöny, Chef des Bereichs Swiss Fixed Income bei Lombard Odier IM.
Dabei sei das Rekordvolumen vor allem der grossen Emissionstätigkeit der beiden grössten Schuldner, der Pfandbriefbank schweizerischer Hypothekarinstitute und der Pfandbriefzentrale der schweizerischen Kantonalbanken zu verdanken, sagt Stefan Bösl, Leiter Kapitalmarkt bei der Luzerner Kantonalbank (LUKB). Zudem haben der Lebensmittelriese Nestlé und der Pharmakonzern Roche zusammen rund 5 Mrd. Fr. eingesammelt. Zudem lieferten auch ausländische Pfandbriefemittenten einen namhaften Beitrag.
Insgesamt wurden in den zu Ende gehenden Jahr nach Angaben der LUKB Anleihen über mehr als 65 Mrd. Fr. am Kapitalmarkt platziert. Darin sind die Anleihen der Eidgenossenschaft nicht eingeschlossen. Im Jahr zuvor waren es laut LUKB 53 Mrd.
2022 stieg damit auch das ausstehende Anleihevolumen am Franken-Kapitalmarkt per Ende November auf 578,8 Mrd. Fr. - ein Plus von 3,8% gegenüber dem Vorjahr und ein neuer Rekord, wie die Zürcher Kantonalbank (ZKB) festhält.
Opportunistische Emittenten
Viele Emittenten hätten angesichts der steigenden Zinsen versucht, das Fenster (der tiefen Zinsen) noch zu nützen und daher Geld aufgenommen, sagte Thöny zur regen Emissionstätigkeit. Auf der anderen Seite investierten aber auch Anleger wieder vermehrt in Zinspapiere, weil sie erstmals nach Jahren wieder einen positiven Ertrag erzielen konnten. Dies hat Obligationen auch für Privat- und Kleinanleger wieder attraktiv gemacht, die eine Alternative zum vielfach unverzinsten Sparkonto suchten.
Zudem stammt der Grossteil der Nachfrage von institutionellen Anlegern wie den Versicherungen und Pensionskassen, die einen Grossteil der Gelder in Obligationen anlegen müssen. Sie haben dank der gestiegenen Zinsen wieder mehr Möglichkeiten, einen Ertrag ausserhalb etwa des heissgelaufenen Immobilienmarktes zu erzielen, ohne dass sie grössere Abstriche bei der Schuldnerqualität machen müssen. Dies dürfte die Nachfrage weiterhin unterstützen, sagt Stefan Bösl, Leiter Kapitalmarkt bei der LUKB.
Ob sich das Emissionsgeschäft 2023 ähnlich positiv entwickelt wie 2022 hängt nach Ansicht von Stefan Bösl vor allem davon ab, ob auch 2023 wieder Grossunternehmen wie Nestlé oder Roche den Markt gleich mit mehreren Milliarden beanspruchen. Dies sei aber eher die Ausnahme. Auch seien derzeit andere Finanzinstrumente wie Bankkredite günstiger als der Kapitalmarkt.
Zudem sei ungewiss, ob auch die Pfandbriefbank und Pfandbriefzentrale einen ähnlich hohen Finanzbedarf hätten wie 2022. Denn das Hypothekenneugeschäft sei nicht zuletzt wegen der gestiegenen Zinsen eher rückläufig. Zudem könne der Finanzbedarf ausländischer Emittenten nur schwer abgeschätzt werden.
Wahrscheinlich dürften aber die Kantone wieder etwas häufiger am Markt auftreten. Denn angesichts der riesigen Verluste, die die Schweizerische Nationalbank im laufenden Jahr angehäuft hat, dürfte die Notenbank nämlich ihre Milliardenschweren Ausschüttungen im kommenden Jahr wohl ausfallen lassen, meint ein Händler.
«Das Volumen dürfte 2023 daher wohl grösser als 2021 aber geringer als 2022 ausfallen», fasst Bösl zusammen.
AWP
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