Kaffee mit Marc Sway«Ich wünsche mir von Geschäftsführern, dass sie den empathischen Teil fördern»
Laut dem Musiker will die Schweiz vor allem Generalisten. Dabei verpasse man Menschen mit ausgesprochenen Talenten.

Auch wenn Marc Sway nicht berühmt wäre, aus der Menge würde er trotzdem herausstechen. So bunt gekleidet wie Sway läuft sonst kein Mensch im Zürcher Alltag rum. Schon gar nicht im Februar, wo Grau und Schwarz die einzig erkennbaren Farben sind, ob am Himmel oder in der Kleidung der Menschen. Sway trägt kunterbunte Jacken und hölzerne Perlenketten bewusst, als Statement.
Doch auch in Schwarz-Weiss gekleidet tritt er auf, wie damals mit dem Mundart-Rapper Bligg. Zusammen formten sie das Duo «Blay», trugen Bomberjacken im Partnerlook. Die Abschiedsshow der beiden Musiker fand vergangenen Dezember im ausverkauften Zürcher Hallenstadion statt. Jetzt konzentriert sich Sway wieder auf seine Solokarriere.
Die Farbenfreude des 42-Jährigen kommt nicht von ungefähr. Seine Mutter ist Brasilianerin, aus Bahia. Der nordöstliche Staat ist die Hochburg der afrobrasilianischen Kultur, die Geburtsstätte von Samba und Capoeira. «Ich habe ganze Alben der Zerrissenheit zwischen meinen beiden Kulturen gewidmet», sagt Sway im Bohemia, einem Café am Zürcher Kreuzplatz. Sein Lied und gleichnamiges Album «Way Back Home» (2019) singt von «Saudade», dem wohl bekanntesten und gleichzeitig am schwersten zu übersetzenden portugiesischen Wort. Auf Deutsch kommt es den Begriffen «Nostalgie» oder «Verlangen» am nächsten.
«Ich habe mich für den versöhnlichen Weg entschieden», erklärt Sway seinen Umgang mit der Multikulturalität. «Dafür musste ich aber mit dem Vergleichsmodus aufhören. Es ist, wie wenn man zwei Kinder hat, die man liebt. Man darf sie nicht miteinander vergleichen.» Überhaupt sei es sinnfrei, ein kleines, politisch stabiles Land wie die Schweiz, einer Riesennation wie Brasilien, die noch vor nicht allzu langer Zeit eine Militärdiktatur war, gegenüberzustellen. «Als Europäer schauen wir alles mit unseren Prioritäten an. Es ist aber etwas anderes, in einem Land zu leben, als dort in die Ferien zu gehen oder vom Ausland her alles zu kommentieren», sagt Sway.
Unterschiedlicher könnten die Kulturen kaum sein. Dabei passt, ironischerweise, das Motto auf der brasilianischen Flagge, «Ordem e Progresso» (Ordnung und Fortschritt) eigentlich viel besser zur Schweiz, nicht? Doch Sway meint, man schreibe sich das auf die Flagge, was man sich wünscht, beziehungsweise, was einem noch am meisten fehlt. «Auf der Schweizer Flagge würde dann Spontanität und Loslassen stehen», sagt er lachend. Dass die Brasilianer es viel besser schaffen, im Moment zu leben als die Eidgenossen, ist laut Sway ein Hauptgrund für die ausgeprägte Lebensfreude der Menschen seines Mutterlandes.
Im Moment leben zu können, wird laut Sway mittlerweile aber in allen Kulturen durch den Gebrauch von Social Media gefährdet. «Du bist nie ganz da», meint er. Ausserdem nehmen ihm Instagram und Co. Zeit für die Musik weg: «Ich muss mich dem bewusst entziehen. Entweder du flickst das Velo, oder du berichtest darüber.»
Des Weiteren stört Sway die Kultur der Empörung, die er online vermehrt wahrnimmt. «Social Media ist wie ein Kind in der Täubeli-Phase. Wenn das Kind etwas nicht bekommt, setzt es auf Empörung. Im Moment fehlt es mir an Inhalt. Das ist nicht nachhaltig. Heute ist dies ein Thema, morgen etwas anderes, jeder hat ein Megafon und schreit laut.»
Thematisch beschäftigt den zweifachen Vater laufend, wie es um die Entwicklung und Zukunft der Kinder steht. «Wir wollen in der Schweiz tolle Generalisten. Dabei verpassen wir Menschen, die in die eine oder andere Richtung super begabt wären.» Laut Sway hätte jemand wie Albert Einstein – der sprachlich eher unbegabt war – womöglich die heutige Gymi-Prüfung knapp nicht bestanden. Tatsächlich soll Einstein, der lebenslänglich nur Deutsch richtig beherrschte, von seinem Lateinlehrer die Prophezeiung bekommen haben, dass aus ihm nichts werden würde.
Pfeiler der emotionalen Intelligenz, wie zum Beispiel Empathie, bleiben für Sway in unserer Bildung besonders unbeachtet. Dabei sei das für die spätere Entwicklung essentiell, vor allem für Unternehmenskulturen. «Ich bin überzeugt: Wenn man Angestellte menschlich behandelt, bleiben sie länger und leisten mehr. Sie fühlen sich wohl, respektiert, und können sich entfalten.»
Als Spitze seines kleinen Teams ist es Sway wichtig, Entscheide nicht «zu verkopft» zu fällen, auf seine Emotionen und sein Bauchgefühl zu hören. Schlussendlich gehe es in vielen Situationen weniger um das Unternehmen selbst als um die Menschen, die dort arbeiten. Als Beispiel dafür nennt Sway seinen Bankberater bei der Zürcher Kantonalbank: «Er hat es geschafft, dass ich mich freue, ihn anzurufen! Wenn er zur UBS wechseln würde, würde ich ihm wahrscheinlich folgen.»
Sway erachtet Menschlichkeit und Begeisterung als ebenso wichtig wie fachliche Kompetenz, und das in allen Berufen, bis an die Spitze der Karriereleiter. «Ich wünsche mir von Geschäftsführerinnen, dass sie den empathischen, emotionalen Teil fördern und in Einklang mit ihrem rationalen Denken bringen. Das sind zwei Intelligenzen, die gleich stark gefördert werden müssen.»
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