PreisentwicklungInflation in der Eurozone fällt deutlich
Die Teuerungsrate im Euroraum geht zurück. Im März sind die Verbraucherpreise binnen Jahresfrist um 6,9% geklettert.

Die Inflation im Euroraum hat sich dank rückläufiger Energiepreise kräftig abgeschwächt. Die Verbraucherpreise stiegen im März binnen Jahresfrist nur noch um 6,9%, wie das Statistikamt Eurostat am Freitag in einer ersten Schätzung mitteilte. Analysten hatten mit einer höheren Rate von 7,1% gerechnet. Noch im Februar hatte die Teuerung bei 8,5% gelegen. Bei den Zahlen macht sich ein Basiseffekt bemerkbar. Denn nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine waren die Energiepreise kräftig nach oben geschossen. Das erhöhte Preisniveau bildet nun die Basis für die Berechnung der Inflation.
Von Entwarnung kann aber noch keine Rede sein: Die Kernrate, in der die schwankungsreichen Energie- und Lebensmittelpreise sowie Alkohol und Tabak ausgeklammert sind, nahm im März weiter zu auf 5,7%. Im Februar hatte die Kerninflation noch bei 5,6% gelegen. Die Energiepreise gingen dagegen im März binnen Jahresfrist sogar um 0,9% zurück nachdem sie im Februar noch um 13,7% gestiegen waren. Die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak zogen um 15,4% an nach einem Plus von 15% im Februar. Industriegüter ohne Energie verteuerten sich um 6,6% nach zuvor 6,8%. Die Preise für Dienstleistungen erhöhten sich im März um 5%. Im Februar hatte das Plus bei 4,8% gelegen.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Kampf gegen die hohe Teuerung die Zinsen seit Juli 2022 bereits sechs Mal in Folge angehoben - zuletzt Mitte März um 0,50 Prozentpunkte. Angesichts der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor hatte EZB-Chefin Christine Lagarde angekündigt, dass die Währungshüter vorerst auf Sicht fahren wollen. Einen konkreten Zinsausblick für die nächsten Sitzungen legten sie nicht vor. Mehrere Währungshüter hatten sich allerdings zuletzt für weiter steigende Zinsen ausgesprochen.
Ökonomen zur sinkenden Inflation in der Euro-Zone
Ulrich Kater, Deka-Chefvolkswirt:
«Auch die europäische Inflation bleibt deutlich abwärts gerichtet. Man sollte nicht kleinreden, dass Energiepreise und Lieferkettenprobleme sich wieder deutlich beruhigt haben. Das wird in den kommenden Monaten zu weiteren Erleichterungen bei der Inflation führen. Schwieriger wird es mit den hartnäckigen Preissteigerungen, die etwa durch die starken Lohnsteigerungen weiter angefacht werden. Dieser Bodensatz der Inflation wird erst in zwei oder drei Jahren herausgeschwemmt sein, und hierzu sind unabhängig vom gegenwärtigen Bankenstress noch weitere moderate Zinssteigerungen der Notenbanken notwendig.»
Alexander Krüger, Chefvolkswirt Hauck Aufhäuser Lampe:
«Dank eines dicken Basiseffekts seitens der Energiepreise plumpst die Inflationsrate kräftig. Sie notieren jetzt niedriger als nach dem starken Anstieg im März 2022. Dies entspannt die Lage aber nur teilweise, da der Kerninflationsdruck weiterhin hoch ist. Daran wird sich auch in den nächsten Monaten kaum etwas ändern. Weitere Leitzinsanhebungen sind damit das Gebot der Stunde. Die EZB kann den nächsten Leitzins-Marschbefehl schon einmal vorbereiten. In der Schublade dürfte er nur bleiben, wenn die Finanzstabilität bedroht ist.»
Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank:
«So schön sich der Inflationsrückgang liest, er ist mit Haken und Ösen versehen. Die Kerninflationsrate steigt im März nämlich von 5,6 auf 5,7 Prozent. Aus dieser Perspektive kann von nachlassendem Teuerungsdruck nämlich keine Rede sein. Das Inflationsgeschehen erfasst immer mehr den Dienstleistungssektor – darunter vor allem den Hotel- und Gaststättensektor und die Tourismus- und Veranstaltungsbranche. Dies kann auch mit dem Konsumverhalten erklärt werden. Nach der Corona-Pandemie wird lieber an Lebensmitteln als am Genuss und Vergnügen gespart. Gerade aufgrund einer starken Nachfrage können Restaurants, Hotels, Konzertveranstalter und die Tourismusindustrie höhere Kosten für Einkauf und Personal weiterreichen.
Für die EZB ist die Arbeit noch nicht erledigt. Die Währungshüter räumten selbst ein, dass für die Ausrichtung der Geldpolitik die Kerninflationsrate von entscheidender Bedeutung ist. Da Letztere sogar weiter anstieg und ohnehin auf Rekordhöhe ist, bleibt der Bedarf nach einer weiteren geldpolitischen Straffung gross.»
Jörg Krämer, Commerzbank-Chefvolkswirt:
«Die Inflation ist jenseits von Energie, Nahrungs- und Genussmitteln weiter von 5,6 auf 5,7 Prozent gestiegen. Die unterliegende Inflation ist sehr hoch, ohne dass eine nachhaltige Entspannung in Sicht wäre. Schliesslich dürfte sich der Anstieg der Arbeitskosten im Euroraum auf über 5 Prozent beschleunigen. Die Inflation setzt sich immer mehr fest. Die EZB ist zu Recht beunruhigt. Sie sollte ihre Leitzinsen weiter anheben.»
REUTERS
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