Teuerung in EuropaInflationsrate im Euroraum zweistellig
Seit der Einführung des Euros ist die Teuerungsrate erstmals bei 10% gelandet. Das ist fünfmal so hoch wie das Ziel der Notenbank.

Die Inflation im Euro-Raum ist im September angetrieben durch einen massiven Preisschub bei Energie erstmals zweistellig. Die Verbraucherpreise stiegen binnen Jahresfrist um 10,0%, wie das Statistikamt Eurostat am Freitag auf Basis einer ersten Schätzung mitteilte. Das ist die höchste Inflationsrate seit es den Euro gibt. Von Reuters befragte Experten hatten lediglich mit 9,7% gerechnet. Im August hatte die Rate noch bei 9,1% gelegen. Auch in Deutschland, der größten Volkswirtschaft im Euro-Raum, hat die Inflation im September die Schwelle von 10% durchbrochen.
Mit dem unerwartet kräftigen Inflationsschub wird nun ein weiterer Jumbo-Zinsschritt der Europäischen Zentralbank (EZB) auf der nächsten Zinssitzung im Oktober immer wahrscheinlicher. Zuletzt hatten zahlreiche Währungshüter erklärt, dass eine Zinsanhebung um 0,75 Prozentpunkte auf der Tagesordnung stehen sollte. Denn das Inflationsziel der EZB rückt jetzt immer mehr in die Ferne. Die Teuerungsrate ist mittlerweile fünf mal so hoch wie das Notenbankziel von 2%.
«Beängstigend ist, dass der Inflationsanstieg rasant breiter wird», kommentierte Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe die Daten. Auch der schwache Euro treibe den Inflationsanstieg an. «Dies erhöht den Druck, auf die EZB, den Leitzins schnell und kräftig anzuheben.» Aus Sicht von Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hat die hohe Inflation inzwischen dazu geführt, dass immer mehr Bürger bezweifeln, ob die EZB die Inflation langfristig wie versprochen auf 2% begrenzen kann. «Diese Entankerung der langfristigen Inflationserwartungen ist gefährlich», merkte er an. «Die EZB sollte ihren Einlagensatz rasch in Richtung 4% anheben.» Aktuell liegt dieser für die Finanzmärkte derzeit maßgebliche Schlüsselzins bei 0,75%. Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank, rechnet nun für die Oktober-Zinssitzung mit einer weiteren XXL-Anhebung um 0,75 Prozentpunkte.
In Deutschland war die Inflation nach europäischer Messung (HVPI) im September im Zuge des Wegfalls des 9-Euro-Tickets und des Tankrabatts sogar auf 10,9% gestiegen. In den Niederlanden lag sie noch höher bei 17,1%. Die höchsten Inflationsraten im Euro-Raum verzeichneten die drei baltischen Länder mit Teuerungsraten von mehr als 22%. In Frankreich fiel der Preisanstieg dagegen mit 6,2% am geringsten aus.
Energiepreise schiessen nach oben
Stärkster Inflationstreiber im September waren die in Folge des Ukraine-Kriegs immer weiter hochschießenden Energiepreise. Binnen Jahresfrist verteuerte sich Energie im September um 40,8%. Im August hatte der Anstieg noch bei 38,6% gelegen. Die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak kletterten um 11,8% nach 10,6% im August, die für Industriegüter ohne Energie zogen um 5,6% an nach 5,1% im August. Dienstleistungen kosteten 4,3% mehr.
Sorgen dürfte der EZB bereiten, dass selbst ohne die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Lebensmittel die Inflation ungebrochen steigt. Die sogenannte Kerninflation erhöhte sich auf 6,1% nach 5,5% im August. Dies zeigt an, dass der Preisschub inzwischen immer weitere Bereiche der Wirtschaft erfasst. Für die Währungshüter ist das keine einfache Situation, da sich die Konjunktur inzwischen merklich abkühlt. Sie haben zuletzt aber klar gemacht, dass die Inflationsbekämpfung derzeit Vorrang vor Konjunkturerwägungen hat. Chefvolkswirt Krüger von Hauck Aufhäuser Lampe ist sich sicher: «Die hohe Kerninflation wird nur unter Hinnahme einer Rezession zu bekämpfen sein.»
Arbeitslosenquote im Euroraum stagniert
Trotz der drohenden Konjunkturabkühlung hält sich der Jobmarkt in der Euro-Zone noch vergleichsweise gut. Die Arbeitslosenquote verharrte im August auf dem Vormonatswert von 6,6%, wie die Statistikbehörde Eurostat am Freitag bekannt gab. Demnach waren 10,97 Mio. Personen im Euro-Raum arbeitslos. Dies sind 30’000 weniger als im Juli und 1,358 Mio. weniger als vor Jahresfrist. Besonders niedrig war die Arbeitslosenquote im August in Malta mit 2,9% und in Deutschland, wo sie nach den Eurostat-Kriterien bei 3,0% lag. Am höchsten sind die Werte in Griechenland (12,2%) und in Spanien (12,4%). Spitzenreiter in der EU sind Tschechien mit 2,4% und Polen mit 2,6%.
Der Arbeitsmarkt des Euro-Raums gilt insgesamt als überraschend robust. Wegen der anhaltend hohen Inflation und der Energiekrise im Zuge des Ukraine-Krieges verdüstern sich jedoch die Konjunkturaussichten zusehends. Die Verbraucherpreise im Währungsgebiet lagen im September 10,0% über dem Vorjahresmonat – dies ist ein weiterer Rekordwert. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat im Juli die Zinswende eingeleitet und im September mit einer deutlichen Erhöhung um 0,75 Prozentpunkte nachgelegt. Viele EZB-Ratsmitglieder plädieren für die Oktober-Sitzung für einen ähnlichen grossen Schritt, um die Geldpolitik im Kampf gegen die Inflation weiter zu straffen.
REUTERS
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