Nach zweieinhalb Jahren zähem Ringen und gegen hundert Stunden Diskussion allein im Parlament ist sie unter Dach und Fach: Am Freitag stimmte das Parlament in der Schlussabstimmung der Reformvorlage BVG 21 zu. Der Kompromiss eines Kompromisses hat allerdings noch die Hürde einer Volksabstimmung zu nehmen: Kurz nach der Abstimmung bekräftigten Gewerkschaften und SP kompromisslos frühere Drohungen, wonach sie das Referendum ergreifen würden.
Klar blieb im Verlauf des zähen parlamentarischen Prozesses einzig, dass der gesetzlich geregelte Umwandlungssatz, der die jährliche Rente aus dem Altersguthaben in der Pensionskasse definiert, von 6,8 auf 6% zu reduzieren ist. Er ist allerdings auch so noch zu hoch, versicherungstechnisch wären eher 5% angebracht.
Die mit der Senkung angestrebte Reduktion der Umverteilung zulasten der Jungen ist mit sehr grosszügigen Ausgleichsmassnahmen für die fünfzehn Übergangsjahrgänge erheblich geschmälert worden. Statt von «Kompensation» zu sprechen, wäre eher der Begriff Abbau von Privilegien angebracht, denn das heutige Niveau ist trotz Zinswende zu hoch.
«Das eigentliche Ziel grösserer Gerechtigkeit zwischen den Generationen wird nur ansatzweise erreicht.»
Bis 2039 werden 11,3 Mrd. Fr. Ausgleichsgelder ausbezahlt. Die nationalrätliche Variante wäre 2,5 Mrd. Fr. günstiger gewesen. De facto ist es ein Leistungsausbau, den die Erwerbstätigen und vor allem die Jungen via Lohnprozente mitfinanzieren. Das eigentliche Ziel der Reform, die Lasten gerechter zwischen den Generationen zu verteilen, wird nur ansatzweise erreicht.
Obschon bloss 15% der Rentner von der Senkung des Umwandlungssatzes betroffen sind, erhalten 50% einen Zustupf. Rot-Grün, im Chor mit Bundesrat Alain Berset, wurde indessen nicht müde, den «Sozialpartnerkompromiss»zu preisen, zu dem damals der Arbeitgeberverband 2019 unseligerweise die Hand gereicht hatte. Er wäre mit 19 Mrd. Fr. nicht nur überaus teuer gewesen, sondern hätte auch ein zusätzliches systemwidriges Umverteilungselement à la AHV in das Pensionskassensystem eingepflanzt.
Die ebenfalls am Freitag definitiv beschlossene Senkung der Eintrittsschwelle von 22’050 auf 19’845 Fr. kommt Niedrig- und Teilzeitverdienern, besonders Frauen, entgegen. Sie sind ab einem geringeren Lohn versichert, können mehr fürs Alter sparen. Das hat im Endeffekt zur Folge, dass das Rentenniveau mindestens erhalten bleibt (bei steigendem durchschnittlichem Lebensalter). Trotzdem spricht Rot-Grün von einer «Abbauvorlage», für die man erst noch mehr bezahle.
Die je nach Lohn erhebliche Ausweitung des Koordinationsabzugs – 20% des AHV-Lohns statt wie bisher 25’725 Fr. – ist der einfachste Weg, die Situation von Gering- und Mehrfachverdienern zu verbessern. Der Koordinationsabzug stellt sicher, dass die Pensionskasse (zweite Säule) nur Beiträge auf Lohnteilen erhebt, für die nicht schon die erste Säule Leistungen ausrichtet.
Entgegen früheren Plänen wird der Sparbeginn, das Eintrittsalter, nicht von 25 auf 20 Jahre gesenkt. In diesem Punkt und in Bezug auf die Eintrittsschwelle ist das Parlament den Arbeitgebern entgegengekommen. Der Verband trägt die mühselig errungene politische Vereinbarkeit mit, im Unterschied zu den Gewerkschaften, die ihrem ehemaligen Sozialkompromisspartner nun Wortbruch vorwerfen.
«Die Losung der Linken ist wiederum verführerisch-simpel. Wenn auch wiederum faktenwidrig.»
Auf das letzte Wort unter der Bundeshauskuppel noch nicht reagiert haben der Gewerbe- und der Bauernverband. Dieser hatte die BVG-Vorlage in der vergangenen Woche abgelehnt mit der Begründung, das Fuder sei überladen, der Aufwand zu hoch. Die beschlossene Vorlage bedeutet nun niedrigere Kosten.
Eine geschlossene Haltung der bürgerlichen Parteien und der Wirtschafts- und Bauernverbände wäre essenziell, um die Reform der beruflichen Vorsorge im kommenden Jahr an der Urne durchzubringen. Schon so wird es diffizil genug. Erfahrungswerte bietet die Volksabstimmung zur AHV-Reform im vergangenen Herbst, die nur ein knappes Mehr fand. Die Losung der Linken – mehr bezahlen, weniger erhalten – ist wiederum verführerisch-simpel. Wenn auch wiederum faktenwidrig.
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Meinung zur BVG-Reform – Linke nicht zu Kompromiss fähig
Die BVG-Reform reduziert die Umverteilung zulasten der Jungen ungenügend. Trotz Verbesserungen für Geringverdienende und Frauen ergreifen SP und Gewerkschaften das Referendum.