Folgen der ZinserhöhungObligationenanleger hoffen nach Verlustjahr auf bessere Aussichten
Für 2023 haben sich die Perspektiven schon nur dadurch deutlich verbessert, dass Anleihen dank der gestiegenen Zinsen wieder einen positiven Ertrag ermöglichen.

2022 dürfte den Anlegern am Obligationenmarkt als das Jahr der Rückkehr zur Normalität aber auch der hohen Verluste in Erinnerung bleiben. Denn nach mehreren Jahren haben die Zentralbanken ihre Null- wenn nicht gar Negativzinspolitik beendet und die Zinsen angehoben.
Davor hatte die Politik des Billigstgeldes lange Zeit für steigende Kurse quer über alle Anlageklassen hin gesorgt. Und entgegen der Meinung vieler Marktteilnehmer dürfte der Zinsgipfel noch nicht ganz erreicht sein.
Grund für den Richtungswechsel war, dass die als besiegt geglaubte Inflation nach vielen Jahren wieder zu neuem Leben erwacht ist und die Finanzmärkte seither fest im Griff hält. Um die rasanten Preissteigerungen zu bekämpfen, haben die Währungshüter daher in mehreren grossen Schritten die Zinsen erhöht.
Obligationen boten keinen Schutz
Darauf gerieten praktisch alle Anlageklassen unter Druck. Während sich Aktienanleger aber immer wieder mit negativen Jahren mit zweistelligen Prozentverlusten konfrontiert sehen, ist dies bei Obligationen doch sehr selten. Denn sie gelten als sichere Anlageklasse, die Vermögen in schwierigen Zeiten stabilisieren sollen. Und genau dies konnten sie 2022 aber nicht.
«Die negative Korrelation - fallende Aktien und steigende Bonds - spielte 2022 nicht», sagte Markus Thöny, Chef des Bereichs Swiss Fixed Income bei Lombard Odier IM. Denn Anleihen haben trotz Ukrainekrieg, Spannungen zwischen den USA und China und steigender Konjunktursorgen in ähnlichem Ausmass wie Aktien an Wert verloren.
So sackten 20-jährige Obligationen der Eidgenossenschaft, der eigentlich qualitativ besten Schuldnerkategorie der Schweiz, um ein Fünftel ab. Der Swiss Bond Index, der sich aus Anleihen mit guter bis sehr guter Qualität zusammensetzt, hat seit Jahresanfang mehr als zehn Prozent verloren. Zeitweise war es gar das doppelt so viel.
Anleger mit einem klassischen Depot, das aus 60% Aktien und zu Stabilisierung aus 40% Bonds besteht, erwirtschafteten damit die schlechteste Rendite in über 100 Jahren, wie die Berner Kantonalbank in ihrem Rückblick 2022 dazu schreibt.
Zinsrisiko verdrängt
Dies liegt daran, dass sich Anleihen in den letzten Jahren wegen des geringen Zinsrisikos wie Aktien bewegt haben. Denn ein Zinsanstieg wurde nicht erwartet. Dafür sorgten stete Investorennachfrage und der Glaube an ewig tiefe Zinsen für Kursgewinne. Der Coupon spielte keine Rolle mehr und das Zinsrisiko wurde ausgeblendet.
Als nun die Kapitalmarktzinsen aber wider Erwarten stiegen, schlug das Zinsrisiko voll zurück. Denn Anleger verlangten höhere Renditen und verkauften bestehende Anleihen gegen neue und höher verzinste.
Dabei reagiert der Kurs einer Obligation bei steigenden Zinsen umso negativer, je länger ihre Laufzeit und je tiefer die Zinsen vor dem Zinsanstieg notierten. Thöny verweist dabei auf das Zinsrisiko einer solchen Anleihe: So wird die im Tiefzinsumfeld für einen Preis von 100% emittierte 0,15% Anleihe der Stadt Lugano mit Laufzeit bis ins Jahr 2070 derzeit noch zu einem Kurs von 40 bis 45% gehandelt. Das ergibt im heutigen Umfeld eine Rendite auf Verfall von ca. zwei Prozent.
Mehr Zuversicht für 2023
Doch für 2023 haben sich die Aussichten schon nur dadurch deutlich verbessert, dass Anleihen dank der gestiegenen Zinsen wieder einen positiven Ertrag ermöglichen. Ein gutes Beispiel für die Entwicklung der Renditen ist der von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) berechnete zehnjährige Kassazinssatz. Dieser stand im Januar 2022 mit -0,14% noch deutlich im Minus und beträgt nun wieder 1,531%. Anleihen anderer guter Schuldner werfen noch viel mehr ab.
Thöny äussert sich denn für 2023 auch «vorsichtig optimistisch.» Für Bonds sprächen auch die rezessiven Tendenzen, dass die Inflation in den USA nachlassen und es keine so grossen Zinsschritte mehr geben dürfte. «Die Zinsschritte haben den Peak erreicht», sagt Thöny. Allerdings sieht der Experte 2023 noch keinen Spielraum für Zinssenkungen.
Positiv tönt es auch bei der Zürcher Kantonalbank, die aufgrund trüber Wachstumsaussichten und der nachlassenden Inflation Obligationen für aussichtsreicher hält als Aktien.
Bei einer weiteren, wenn auch gemächlicheren Leitzinserhöhung dürften allerdings besonders Staatsanleihen unter Kurskorrekturen leiden, heisst es bei der ZKB. Dabei dürften vor allem längere Laufzeiten betroffen sein. Im gleichen Bonitätssegment rentieren andere AAA-Anleihen deutlich ansprechender und versprächen bessere Erträge als die Eidgenossen.
Nach dem Zinsanstieg in 2022 wiesen viele Anleihen zudem wieder einen Renditepuffer auf, sagt Thöny. Dies mache sie etwas weniger empfindlich gegenüber den Marktschwankungen.
Die Attraktivität von Bonds habe klar zugenommen. «Anleger erhalten auch im Bereich der qualitativ sehr guten Investmentgrade-Bonds wieder eine anständige Entschädigung.» Für eine Rendite auf Verfall von 2% müsse man heute nicht mehr zwingend Papiere minderer Qualität kaufen.
AWP
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