Analyse zu den JahreszahlenOrior hat fast zu viel Schwein
Die Lebensmittelgruppe kämpft mit volatilen Rohstoffpreisen, verteidigt die Volumen im Branchenvergleich aber sehr gut.

Mehr Licht als Schatten bei Orior. Die vielseitig tätige Lebensmittelgruppe wehrt sich nach Kräften gegen Kaufkraftverlust, ungünstige Währungsbewegungen und stark schwankende Kosten. Unter dem Strich bleibt ein Ergebnis, das vor allem Solidität ausdrückt.
Der Umsatz von knapp 640 Mio. Fr. ist das Ergebnis von 6% organischem Wachstum und einem negativen Währungseffekt von 2,3%. Die Weitergabe von höheren Beschaffungspreisen für Rohstoffe, Energie und Logistik ist wie auch bei anderen Lebensmittelproduzenten zentral. «Die hohen Inputkosten konnten wir mit Preiserhöhungen teilweise weitergeben, allerdings nicht in vollem Mass», sagt CEO Daniel Lutz.
«Wir haben eigentlich zu viele Schweine in der Schweiz.»
Dabei gehen die Preise in beide Richtungen. Hartweizen für die Pastaherstellung ist unverändert teuer. Die Situation auf dem Energie- und Strommarkt bleibt angespannt. Gleichzeitig haben die historisch tiefen Schweinefleischpreise auf den Umsatz gedrückt. «Wir haben eigentlich zu viele Schweine in der Schweiz», so Lutz. Die Folge sind Preisreduktionen bei den Marken Rapelli, Ticinella oder Albert Spiess.
Stabile Nachfrage
Dem Kaufkraftverlust – insbesondere in Europa – begegnet man etwa damit, dass vermehrt günstigere Produktlinien lanciert werden. Besonders bemerkenswert ist, dass Orior trotz Preiserhöhungen keinen Volumenrückgang erlebt und diesbezüglich auch für 2023 zuversichtlich ist. Im Gegensatz zu internationalen Food-Multis wie Nestlé, die schon länger mit sinkender Nachfrage kämpfen.
Das Gesamtpaket aus Effizienzsteigerungen und Preiserhöhungen ist einigermassen griffig, wodurch die massgebende Betriebsgewinnmarge (Ebitda) wie bei anderen Lebensmittelherstellern nur leicht rückläufig ist. Im saisonal stärkeren zweiten Halbjahr, wo hochpreisige Pasteten und Terrinen beliebt sind, hat sich die Profitabilität gar leicht verbessert.
Die Normalisierung der Konsumgewohnheiten mit Abklingen der Pandemie betrifft Orior in zwei Richtungen. Einerseits geht der Verkauf über den Detailhandel zurück, da sich die Leute nicht mehr nur zu Hause verpflegen. Dazu passt, dass die Einnahmen über den grössten Einzelkunden Migros (23% des Gesamtumsatzes) um 9% gesunken sind.
Halb so schlimm. Denn andererseits wird das Comeback der Reisegastronomie zusehends zu einer wichtigen Stütze. Die ab 2019 schrittweise übernommene Casualfood ist mit 21 Verkaufsstellen der grösste Verpflegungsanbieter am Flughafen Berlin Brandenburg. Sie ist auf einen Umsatz von 45 Mio. Fr. gekommen, bei einer Ebitda-Marge um 10%.
«Im Abflugbereich von Flughäfen ist die Preissensitivität weniger ausgeprägt.»
2023 werde die Rückkehr auf das Niveau von 2019 (60 Mio. Fr. Umsatz und Ebitda-Marge über 10%) gelingen, so Lutz. Casualfood wird dann endlich zum ersehnten Profittreiber. «Casualfood kann die Preise unkomplizierter erhöhen, da die Preissensitivität im Abflugbereich von Flughäfen weniger ausgeprägt ist.»
Ausblick: Bestenfalls konstante Marge
Im laufenden Geschäftsjahr soll der Umsatz 662 bis 678 Mio. Fr. erreichen, konstante Wechselkurse vorausgesetzt. Die Ebitda-Marge wird zwischen 9,8 und 10,2% gesehen. Nimmt man die Mitte dieser Prognose, so steuert Orior im 2023 auf eine erneut leicht tiefere Marge zu.
Der aktuelle Aktienkurs spiegelt das gleichwohl noch zu wenig. Momentan befindet er sich am unteren Ende des Korridors von 70 bis 90 Fr., in dem er sich in den letzten sechs Jahren bewegt hat. Im Gegensatz zu anderen Aktien aus dem Lebensmittelsektor handeln Orior mit einem deutlicheren Bewertungsabschlag (KGV 2023: 15) zu ihrem historischen Durchschnitt.
Hinzu kommt die mit 3,4% höchste Dividendenrendite im Konkurrenzvergleich. Die Bank Vontobel weist zudem darauf hin, Orior sei eines von 15 Schweizer Unternehmen, die seit mindestens zehn Jahren die Dividende stetig erhöht hätten.
Die Zürcher Kantonalbank berechnet den fairen Wert der Aktie bei 96 Fr., was einem Aufwärtspotenzial von 28% entspricht. Allerdings braucht die Wertentwicklung mehr Zeit als anderswo: Die Titel werden relativ selten gehandelt, zudem gibt es wenig Nachrichten zu verarbeiten. Wer Orior kauft, setzt auf Stabilität, verzichtet aber gleichzeitig auf Wachstumsfantasie.
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