Interview mit Hervé Ordioni«Privatbanker gehen dort hin, wo das Vermögen ist»
Der CEO International Private Banking der Edmond-de-Rothschild-Gruppe über die neuen Konstellationen am Private-Banking-Platz Schweiz und die Vorteile des internationalen Geschäfts.

Herr Ordioni, was bedeutet die Übernahme von Credit Suisse durch UBS für den Private-Banking-Standort Schweiz?
Nicht die Private-Banking-Aktivitäten waren die Ursache für die Probleme von Credit Suisse, sondern das Investment Banking. Langfristig sehen wir daher keine wesentlichen Auswirkungen auf den Schweizer Private-Banking-Standort.
Was macht Sie da so sicher?
Die Nachhaltigkeit des Schweizer Private Banking wird durch die solide Gesundheit der Schweizer Staatsfinanzen, die Widerstandsfähigkeit der Schweizer Wirtschaftssektoren und das hohe Dienstleistungsniveau der Schweizer Banken unterstützt, alles strukturelle Bedingungen, die für ausländische Unternehmen attraktiv sind. Bei Edmond de Rothschild verfügen wir über eine solide Kapitalbasis mit einer Liquiditätsdeckungsquote von über 180%. Mit anderen Worten, wir verfügen über doppelt so viel Kapital wie gesetzlich vorgeschrieben, fast doppelt so viele Barmittel, doppelt so viele Einlagen wie Kredite an Kunden und keine Auslandschuldung.
Das operative Management von Edmond de Rothschild erhält eine weibliche Führung. Wird Ariane de Rothschild langfristig als CEO tätig sein, oder befindet sich die Gruppe in einer Übergangsphase?
Ariane de Rothschild war immer eine engagierte Aktionärin. Auch während sie nicht operativ verantwortlich war, hat sie die Entwicklung der Gruppe stets eng begleitet. Ihr Wechsel in die Geschäftsleitung ist eine natürliche Weiterentwicklung unserer Governance und wird langfristig bestehen bleiben.
Davon abgesehen erhält das internationale Geschäft, das Sie leiten, mehr Schwung. Warum haben Sie die Lizenz International Financial Center in Dubai, DIFC, erworben?
Wir sind seit mehr als zwanzig Jahren über unsere Schweizer und europäischen Standorte im Nahen Osten aktiv. Darüber hinaus verfügen wir schon länger über ein Repräsentationsbüro in Dubai und sind dort mit vielen wohlhabenden Familien eng verbunden. Dubai ist eine Wachstumsregion, die eine langfristige Vision verfolgt, an die wir glauben. Die Region als Ganze ist ein Schlüsselmarkt. Von Dubai aus können wir die ganze Region im Golf und andere Märkte wie zum Beispiel Afrika bedienen.
In welcher Grössenordnung bewegen sich die Vermögen, die Sie dort verwalten, und wie lautet Ihr langfristiger Businessplan?
Im ganzen Nahen Osten verwalten wir ein Vermögen von mehreren Milliarden Franken, und wir wollen weiter wachsen. Um ehrlich zu sein, glaube ich nicht an langfristige Businesspläne. Ich ziehe es vor, mich auf ein Jahr zu konzentrieren und auf das, was wir bereits erreicht haben. Durch den Erwerb der Advisory-Lizenz sollte es uns aber möglich sein, in diesem Jahr etwa 0,5 bis 1 Mrd. Fr. an Kundengeldern allein in Dubai zu gewinnen. In den vergangenen drei Monaten konnten wir eine signifikante Zahl neuer Konten für lokale Kunden eröffnen.
Richten Sie sich an einheimische Kunden oder an Ausländer, die dorthin ziehen?
Beides. Doch der Fokus liegt auf den einheimischen Kunden, sie machen gut 80% unseres Geschäfts aus. Wir richten uns an Geschäftsinhaber mit Unternehmergeist und an wohlhabende Familien.
Welche Familien sind das genau?
Das sind Familien, die in den vergangenen Jahren am Wachstum in der Region partizipiert haben. Dazu zählen etwa Personen, die im Retailbereich aktiv sind, Immobilienunternehmer, Unternehmer im Tourismussektor, im Handel mit internationalen Gütern und solche mit Fokus auf Technologie und Innovation.
Setzen die Familien dort auf nur einen Wealth-Manager?
Die meisten diversifizieren ihr Vermögen auf etwa drei bis fünf Anbieter. Das ist natürlich eine Herausforderung für uns. Wir sind nicht die Ersten, die sich in Dubai niederlassen. Die Konkurrenz ist bereits recht hart, würde ich sagen.
Spüren Sie vor Ort bereits, dass Kunden von CS zu Ihnen abwandern?
Mehr noch als zuvor setzen die Kunden jetzt auf mehrere Banken und legen grossen Wert auf Stabilität, Vertrauen, Interessengleichheit und darauf, dass ihre Bank ihre Bedürfnisse und Erwartungen ganzheitlich versteht. So gesehen sind wir ein erstklassiger Kandidat für die Entgegennahme internationaler Vermögenswerte von Kunden aus der Schweiz, Europa und dem Nahen Osten, die ihr Vermögen umschichten möchten.
Was ist Ihr Alleinstellungsmerkmal?
Wir haben eine weibliche Hauptaktionärin, was schon einzigartig ist. Ariane de Rothschild setzt sich für Impact Investing ein, auch mit ihrem eigenen Vermögen. Auch bei unseren Private-Equity-Engagements ist die Familie immer mitinvestiert. Für unsere Kunden heisst dies, dass sie ihr Geld Seite an Seite mit der Familie anlegen. Einen solchen Ansatz findet man sonst nirgendwo.
Was sind trotz aller Attraktivität die Herausforderungen am Standort Dubai?
Die Herausforderungen sind die gleichen, die wir weltweit sehen. Etwa der globale wirtschaftliche Abschwung, die Folgen der geopolitischen Lage und die inländische Inflation. Aber es gibt auch Gründe, optimistisch zu sein. Dazu zählen ein schnelles Wachstum, die relative Stabilität in der Region und die Fähigkeit, Top-Talente anzuziehen.
Kehren Sie Europa den Rücken? Könnte das ein unumkehrbarer Trend im Private Banking werden?
Privatbanker gehen immer dort hin, wo das Vermögen ist, und in Regionen, die über starkes Wachstum verfügen. Das bedeutet aber nicht, dass wir uns nicht in unseren Kernmärkten engagieren. Wir haben starke Wurzeln in der Schweiz und in Europa.
«Wir haben ein sehr geringes Exposure in Osteuropa.»
Was sind Ihre wichtigsten Märkte?
Die Schweiz, der Nahe Osten, Israel, Monaco und Grossbritannien.
Und in Osteuropa?
Wir haben ein sehr geringes Exposure in Osteuropa. Russland ist eines der Länder, in denen wir nicht über eine gewachsene Legacy verfügen, und wir sind dort nicht proaktiv.
Welche Herausforderungen sehen Sie generell bei der internationalen Expansion im Private Banking?
Eine lange Erfolgsbilanz ist entscheidend, um in unserer Branche Vertrauen zu gewinnen. Edmond de Rothschild ist eine Bank mit einer starken Marke, unsere Geschichte reicht 250 Jahre zurück.
Was sind Ihre konkreten Pläne als CEO für dieses Jahr und darüber hinaus?
Wir verfolgen eine zweigleisige Strategie, die entwicklungsorientiert und kundenorientiert ist. Wenn es um die Entwicklung geht, ist der Schweizer Markt unsere Priorität, besonders der Standort Zürich. Mit Blick auf unsere Kunden ist die Nähe zu ihnen entscheidend, was zwangsläufig mit internationalem Wachstum verbunden ist.
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