Die Reform der zweiten Vorsorgesäule ist eine veritable politische Knacknuss. Bislang lagen die Vorstellungen von National- und Ständerat teilweise weit auseinander. In der Märzsession müssen die Differenzen im «BVG21» bereinigt werden, sonst droht ein Scheitern. Nun ist die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats den grosszügigeren Vorschlägen der kleinen Kammer in vieler Hinsicht entgegengekommen. Ob das reicht, ist fraglich.
Für eine grosse Mehrheit des Parlaments ist klar, dass der Umwandlungssatz zur Bestimmung der monatlichen Rente wegen der systemfremden Umverteilung von Jung zu Alt bzw. von Erwerbstätigen zu Rentenbezügern auch nach der Zinswende von 6,8 auf 6% zu senken ist. Das bedeutet eine Kürzung von 12%, wobei die Lebenserwartung gestiegen ist und die Pensionskassen im überobligatorischen Teil bereits heute bedeutend niedrigere Sätze anwenden (mit andern Worten, bloss 15 bis 30% der Versicherten von der Senkung betroffen wären).
«Die Linken schwenken die Referendumskeule, bevor die Suche nach einem parlamentarischen Kompromiss abgeschlossen ist.»
Um die politischen Chancen der Reform zu erhöhen, wurden von Beginn weg Kompensationsmassnahmen für die betroffene Übergangsgeneration beschlossen. Das macht die angestrebte Entlastung der jüngeren, arbeitenden Beitragszahler zum Teil gleich rückgängig.
Die zuständige Nationalratskommission sieht nun eine «mehrheitsfähige» Kompromisslösung vor – sie empfiehlt, einen grösseren Kreis von Versicherten für die fünfzehn Jahre währende Transitionsphase für ausgleichsberechtigt zu erklären, nämlich 50 statt etwa 30%. Viele erhalten einen Zuschlag, ohne eine Einbusse gewärtigen zu müssen. Zudem soll die altersmässige Eintrittsschwelle für die obligatorische Versicherung ebenfalls gemäss Vorschlag des Ständerats, also weniger stark, gesenkt werden. Insgesamt ist das Ständeratsmodell für die Periode 2024 bis 2045 mit 11,7 Mrd. rund 2,6 Mrd. Fr. teurer als das der Grossen Kammer.
Für Gewerkschaftsbund und SP (und Grüne) ist das nicht genug. Sie schwenkten die Referendumskeule, schon bevor die Kommission tagte und sich auf die Suche nach einem Kompromiss machte, der der Linken ein Stück weit entgegenkommt. So wird der parlamentarische Prozess ad absurdum geführt.
Die Linke bemüht immer noch den BVG-Kompromiss der Sozialpartner, der im Parlament nie eine Mehrheit gewinnen wird; auch der für dieses Dossier zuständige Bundespräsident Alain Berset plädierte in der Dezembersession für diese Vorlage und warnte dabei vor einem Absturz der Vorlage an der Urne. Diese Variante würde jedoch fast 30 Mrd. Fr. verschlingen und darüber hinaus, ganz im Sinn der Linken, systemwidrige Elemente aus der AHV einfügen. Dass sich der Arbeitgeberverband seinerzeit für diese Übung einspannen liess, ist und bleibt ein Rätsel.
Jetzt kann es nur noch heissen: Die Parteien ausserhalb von SP/Grünen und die grossen Wirtschaftsverbände müssen sich ihrerseits einigen auf einen Kompromiss. Auch dann wird es noch schwierig genug sein, den absehbaren Abstimmungskampf in einem Jahr zu gewinnen.
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Meinung – Rentenreform wird bestenfalls eine Zangengeburt
Bürgerliche und Wirtschaft müssen sich zusammenraufen. Die Linke sieht die Reform als Abbauvorlage und droht «vorsorglich» mit einem Referendum.