Börsenbericht vom 14. März 2023Schweizer Anleger kommen nach US-Inflationsdaten aus der Deckung
Ein spürbarer Rückgang der US-Teuerung im Februar hat am Dienstag zu einem Stimmungsumschwung bei den Anlegern an der Schweizer Börse geführt.

Nach dem Taucher am Vortag hat der Schweizer Aktienmarkt am Dienstag zur Erholung angesetzt. Bei den mit Spannung erwarteten US-Inflationszahlen seien negative Überraschungen ausgeblieben, sagten Händler. Zudem kamen von dem in den letzten Tagen unter die Räder geratenen US-Regionalbankensektor auch keine weiteren schlechten Nachrichten mehr.
Rückenwind kam von der Teuerungsfront in Amerika: Die hohe Inflation hat sich im Februar mit einem Anstieg von 6,0% weiter abgeschwächt. Das ist die niedrigste Zunahme seit September 2021. «Der Rückgang der Inflationsrate ist eine gute Nachricht für das Fed. Die Notwendigkeit einer neuerlichen Erhöhung des Zinsanhebungstempos besteht nicht. Dies ist in Zeiten des Finanzmarktstresses eine sehr gute Nachricht», hiess es in einem Ökonomenkommentar. Eine Zinsstraffung um 50 Basispunkte bei der Sitzung nächste Woche, wie es noch kurz vor den Turbulenzen für möglich gehalten wurde, sei aktuell kaum mehr vorstellbar. Realistischer sei eine kleinere Anhebung oder gar eine Zinspause, meinte ein Händler. Einzelne Banken wie das japanische Geldhaus Nomura rechnen sogar mit einer Zinssenkung in den USA.
Der FuW Swiss 50 Index schloss 1,27% tiefer auf 2152,20 Punkten. Der SMI, der vor den US-Inflationszahlen nur leicht im Plus gelegen hatte, zog bis Börsenschluss um 0,80% auf 10'716,72 Punkte an. Der VSMI, das Angstbarometer der Börse, sank um deutliche 13,2% nach dem Höhenflug am Vortag von zweitweise rund 20%. Der SLI gewann 1,03% auf 1701,76 und der breite SPI 0,87% auf 13'951,57 Zähler. Im SLI legten 25 Aktien zu, während 5 Titel im Minus schlossen.
Nach dem Absturz am Vortag erholten sich die meisten Finanzwerte, beflügelt von der Beruhigung im US-Regionalbankensektor. Als Kursstütze für die Banken wie für den Markt erwiesen sich die zunehmenden Hoffnungen auf langsamere Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed. So kletterten UBS (+3,6%) an die Spitze der Gewinner, während Julius Bär um 1,0% stiegen.
Die Ausnahme war erneut die stark gebeutelte Credit Suisse: Die Aktien der zweitgrössten Schweizer Bank stiessen zwar am Nachmittag in die Pluszone vor, drehten dann aber im späten Handel noch klar in die roten Zahlen (-0,8%). Die Credit Suisse habe das Vertrauen komplett verspielt, sagte ein Händler. Die Veröffentlichung des Geschäftsberichts sowie Aussagen von CS-Chef Körner an der «Morgan Stanley European Financials»-Konferenz vom Dienstag beeindruckten die Investoren wenig.
Auch Wachstumswerte und Zykliker zogen an. Zuvorderst standen Kühne+Nagel (+3,0%) vor Holcim (+2,9%), Straumann (+2,9%) und Schindler (+2,7%). Die Technologiewerte VAT (+3,2%) und AMS Osram (+2,6%) wurden von der steil steigenden US-Techbörse Nasdaq nach oben gezogen. Eine Kurszielsenkung für VAT durch Stifel wurde von den Anlegern ignoriert.
Weniger gesucht waren dagegen die drei Schwergewichte, die am Vortag noch gestützt hatten: Roche (+0,5%), Nestlé (+0,4%) und Novartis (+0,2%) wiesen leichte Gewinne aus. Die defensiven Swisscom-Titel schlossen leicht im Minus (-0,1%). Die rote Laterne hatten die Zurich-Aktien (-1,5%).
Starke Bewegungen gab es ausserdem im breiten Markt: So tauchten Polypeptide um 14,6%, nachdem sie zeitweise um über 20% abgestürzt waren. Die Jahreszahlen waren noch schlechter ausgefallen als nach zwei Gewinnwarnungen schon befürchtet. Zudem lässt der Auftragsfertiger die Dividende ausfallen. Auch Komax sackten nach den Jahreszahlen um fast 10% ab, da Zahlen und Dividende enttäuschten. Sensirion büssten nach Zahlen 2,3% ein.
Auf der anderen Seite schossen die Newron-Titel nach den Geschäftsergebnissen um 10% nach oben. Tecan legten um 3,8% zu und Lalique 3,3%. Auch die Resultate vom Flughafen Zürich (+1,5%) und SF Urban (+1,7%) wurden positiv aufgenommen.
New York: Hoffnung auf moderate Geldpolitik stützt Stabilisierung
Die US-Börsen haben sich am Dienstag weiter stabilisiert. Angesichts einer gewissen Beruhigung in der Bankenkrise stieg der Leitindex Dow Jones Industrial um 1,35% auf 32 249,63 Punkte, während der marktbreite S&P 500 um 1,89% auf 3928,67 Punkte zulegte. Bereits am Vortag hatten beide Indizes ihre Verluste bis zum Börsenschluss deutlich eingedämmt. Für den technologielastigen Nasdaq 100 , der sich schon am Montag letztlich im Plus behauptet hatte, ging es um weitere 2,10% auf 12 173,55 Zähler hoch.
Im Bankensektor konnten sich vor allem die zuletzt schwer unter Druck geratenen Papiere einiger Regionalbanken deutlich erholen. Als Kursstütze für die Banken wie für den Markt erwiesen sich die zunehmenden Hoffnungen, dass die US-Notenbank Fed etwas Tempo bei den Zinserhöhungen herausnimmt. Es mehren sich die Stimmen, die Währungshüter könnten auf ihrer Sitzung kommende Woche eine Pause im Zinserhöhungszyklus einlegen. Die Analysten des japanischen Finanzkonzerns Nomura rechnen sogar mit einer Leitzinssenkung um 0,25 Prozentpunkte.
Die jüngsten Inflationsdaten aus den Vereinigten Staaten befeuerten zumindest keine Ängste vor einer rigideren Geldpolitik: Im Februar hatten die Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahresmonat lediglich um erwartungsgemässe 6% zugelegt, was den niedrigsten Anstieg seit September 2021 bedeutet.
Die Aktien der First Republic Bank erholten sich am Dienstag um 56%, während es für Western Alliance Bancorp und Pacwest Bancorp um jeweils über 50% bergauf ging. Auch die Titel überregionaler Branchengrössen wie der Dow-Mitglieder JPMorgan und Goldman Sachs sowie der im S&P 500 vertretenen Bank of America , Citigroup und Wells Fargo konnten zulegten. Mit dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank vergangene Woche war es zuletzt zum grössten US-Bankenkollaps seit der Finanzkrise 2008 gekommen.
Bei Meta konnten sich die Anteilseigner über ein Kursplus von gut fünf Prozent freuen, nachdem die Facebook-Mutter den Abbau von weiteren rund 10 000 Stellen angekündigt hatte. Zudem sollen etwa 5000 offene Stellen nicht mehr besetzt werden, wie der Unternehmensgründer und -chef Mark Zuckerberg mitteilte.
Die Aktien des Chemikalienhändlers Univar Solutions sprangen dank einer Übernahmeofferte von Apollo Global sogar um rund 12% auf 35 $ hoch. Der Finanzinvestor will 36.15 $ je Univar-Aktie auf den Tisch legen, was das Unternehmen inklusive übernommener Schulden mit 8,1 Mrd. $ bewertet. Die Apollo-Anteilseigner goutieren den Deal offenbar, wie das Plus von 3,5% der Apollo-Aktie zeigte.
Dass ein Gerichtsurteil die für die Fahrdienstleister Uber und Lyft tätigen Fahrer als unabhängige Vertragspartner einstuft, liess deren Papiere um 5,8 beziehungsweise 4,3% zulegen.
Dagegen sackten die Aktien von United Airlines nach einem enttäuschenden Quartalsausblick der Fluggesellschaft um 4% ab.
Die Anteilsscheine von Amgen waren im starken Markt mit minus 0,3% Dow-Schlusslicht. Hier belastete die Klage eines Pensionsfonds, der dem Biotech-Unternehmen vorwirft, die Anleger zu spät über mögliche Steuernach- und Strafzahlungen in Höhe von insgesamt mehr als 10 Mrd. $ informiert zu haben.
Bei Pfizer hielt sich die Kaufbereitschaft mit einem Kursplus von gut einem halben Prozent in Grenzen, nachdem die Ratingagentur Moody's den Ausblick für die Bonität des Pharmakonzerns von stabil auf negativ gesenkt hatte. Zu Wochenbeginn war bekannt geworden, dass Pfizer für 43 Mrd. $ den Krebsspezialisten Seagen übernehmen will.
Bonds Schweiz: Uneinheitlich - Eidgenossen bleiben gesucht
Die Schweizer Obligationenbörse zeigt sich am Dienstag uneinheitlich. Topqualität bleibt gefragt, weil die Anleger als Folge der anhaltenden Verunsicherung Risiken meiden. Andere Marktsegmente hingegen büssen an Wert ein.
Insgesamt sei es im Laufe des Vormittags aber zu einer leichten Entspannung gekommen, heisst es im Handel. Entscheidende Neuigkeiten in der Krise rund um die kollabierte US-Bank SVB habe es zwar nicht gegeben, dafür seien weitere Hiobsbotschaften ausgeblieben.
Ungewiss ist derzeit, ob die grossen Notenbanken - insbesondere die US-Notenbank Fed - ihren Zinskurs wegen der Bankturbulenzen ändern werden. So sind die Erwartungen an das Fed zuletzt deutlich gesunken: eine Zinsstraffung um 50 Basispunkte (BP) bei der Sitzung nächste Woche, wie es noch kurz vor den Turbulenzen für möglich gehalten wurde, ist aktuell kaum mehr vorstellbar.
Realistischer sei eine kleinere Anhebung oder gar eine Zinspause, meinte ein Händler. Einzelne Banken wie das japanische Geldhaus Nomura rechnen sogar mit einer Zinssenkung in den USA.
Doch dies dürfte auch davon abhängen, wie die am Nachmittag (um 13.30 Uhr) zur Publikation anstehenden Inflationszahlen ausfallen werden. Sollten diese negativ überraschen, also höher ausfallen als geschätzt, könnte es zu grösseren Verwerfungen an den Finanzmärkten kommen. Das Fed käme dann in den Zwiespalt, ob es lieber die Inflation oder die Bankenkrise bekämpfen soll. Vor der Eskalation rund um die US-Bank SVB waren vor allem die Teuerungsdaten wichtig für den Kurs des Fed.
An diesem Donnerstag entscheidet die Europäische Zentralbank (EZB) über ihre Geldpolitik, in rund einer Woche folgen dann das Fed und die Schweizerische Nationalbank (SNB).
Derweil hat sich in der Schweiz der Preisanstieg für Unternehmen im Februar deutlich verringert. Die Jahresteuerung für die Produzenten- und Importpreise sank auf 2,7% von 3,3% im Januar. Der Höhepunkt war im letzten Frühsommer bei 6,9% erreicht worden, seither hat er deutlich zurückgebildet. Der aktuelle Stand ist der tiefste Wert seit April 2021.
Der Juni-Kontrakt des Conf-Future notiert um 13.00 Uhr um 4 Basispunkte (BP) höher auf 141,34%. Der Umsatz beträgt geringe 13 Kontrakte. Am Vortag war der Conf um 10 BP gestiegen. Der für den Markt wegweisende Swiss Bond Index (SBI) ermässigt sich um 7 BP auf 125,32%. Am Vortag hatte er 101 BP höher geschlossen.
Von den elf gehandelten Eidgenossen legen neun zu, zwei geben nach. Die Rendite zweijähriger Anleihen der Eidgenossenschaft wurde zuletzt mit 1,179 und die der zehnjährigen mit 1,146% angegeben
Der Primärmarkt wurde bisher nicht beansprucht. Es stünden aber einige Emittenten in den Startlöchern, sagt ein Händler. Am Vortag hatte die Engadiner Kraftwerke AG 100 Mio. Fr. für 7 Jahre aufgenommen.
Der zehnjährige Kassazinssatz ist auf 1,140 von 1,122% am Vortag gestiegen. Letzten Mittwoch hatte der Satz ein Jahreshoch bei 1,514 markiert.
Euro verteidigt Vortagskursgewinne zum US-Dollar - Franken schwächer
Der Euro hat seine Kursgewinne vom Vortag verteidigt. Die Gemeinschaftswährung kostet am Dienstagnachmittag 1.0728 $ und damit etwas mehr als am Morgen und etwa so viel wie am Vorabend.
Gegenüber dem Schweizer Franken notiert der Euro mit 0.9812 wieder über der 0.98er-Marke und damit klar höher als am Morgen. Auch ein Dollar kostet mit 0.9144 Fr. etwas mehr als noch am Morgen.
Die am Nachmittag veröffentlichten Konsumentenpreise aus den USA bewegten den Devisenmarkt nicht nachhaltig. Die Inflationsrate fiel wie von Ökonomen erwartet von 6,4 auf 6,0%. Allerdings gab die Kernrate nur leicht auf 5,5% nach. Sie gilt als besonders aussagekräftig, da schwankungsanfällige Lebensmittel- und Energiepreise herausgerechnet werden.
Offen ist, wie die US-Notenbank (Fed) auf die jüngsten Entwicklungen reagieren wird. «Der Rückgang der Inflationsrate ist eine gute Nachricht für das Fed», kommentierte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. «Die Notwendigkeit einer neuerlichen Erhöhung des Zinsanhebungstempos besteht nicht.» Dies sei in Zeiten des Finanzmarktstresses eine sehr gute Nachricht.
Das Fed hatte zuletzt offen gelassen, ob es den Leitzins in gut einer Woche um 0,25 oder um 0,50 Prozentpunkte anheben wird. Die Turbulenzen im US-Bankensektor hatten zuletzt Zweifel an weiteren Zinserhöhung geschürt. Dies hatte am Montag auch den Dollar belastet. Angesichts des Einschreitens von Finanzministerium, Notenbank und Einlagensicherungsbehörde haben sich die Gemüter an den Finanzmärkten inzwischen aber etwas beruhigt. Weitere Hiobsbotschaften um die zusammengebrochene Silicon Valley Bank blieben aus.
Zu anderen wichtigen Währungen legte die EZB die Referenzkurse für einen Euro auf 0.88054 (0.88370) britische Pfund und 144.09 (141.96) japanische Yen fest.
Die Feinunze Gold wurde am Nachmittag in London bei 1908 $ gehandelt. Das waren rund 5 $ weniger als am Vortag.
Ölpreise fallen weiter
Die Ölpreise haben am Dienstag an ihre Vortagesverluste angeknüpft. Am Nachmittag kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im Mai 79.55 $. Das waren 1.23 $ weniger als am Vortag. Der Preis für ein Barrel der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) zur April-Lieferung fiel um 1.24 $ auf 73.56 $.
Bereits am Montag waren die Ölpreise unter Druck geraten. Sie wurden von der schlechten Stimmung an den Finanzmärkten mit nach unten gezogen. Ausschlaggebend sind erhebliche Turbulenzen im US-Bankensektor. Offenbar wird am Rohölmarkt nicht ausgeschlossen, dass sich die Turbulenzen auf die Realwirtschaft übertragen und die Ölnachfrage dämpfen. Die Beruhigung an den Finanzmärkten am Dienstag stützte die Ölpreise nicht.
Die Ölpreise seien zuletzt durch die Finanzmärkte beeinflusst worden, kommentierte Carsten Fritsch von der Commerzbank. «Angesichts dessen ist auch in den kommenden Tagen mit hoher Volatilität zu rechnen, wobei Fundamentaldaten nur eine untergeordnete Rolle spielen dürften.» Die in den USA im Februar wie erwartet etwas gesunkene Inflationsrate spielte am Ölmarkt keine grosse Rolle.
Bitcoin steigt nach US-Inflationszahlen über 26'000 $
Der Kurs des Bitcoin ist am Dienstag nach der Publikation der US-Inflationsdaten über die Marke von 26'000 $ gestiegen. Das ist der höchste Stand seit Sommer 2022.
Am frühen Dienstagnachmittag notiert der Bitcoin im Vergleich zum Vortag knapp 17% im Plus auf 26'200 $. Am vergangenen Wochenende wurde ein Bitcoin zeitweise noch für unter 20'000 $ gehandelt.
Händler verweisen auf den nachlassenden Preisdruck in den USA. Dieser könnte im Zuge der neusten Inflationsdaten die «schwelenden Sorgen vor einer Tempoverschärfung im Zinserhöhungszyklus der Notenbank Fed lindern könnte», schreibt etwa Analyst Timo Emden. Zusätzlich Zuversicht dürften Anleger aus den Anstrengungen der US-Behörden zur Milderung der drohenden Bankenkrise schöpfen: «Die Vorboten eines möglichen Krypto-Frühlings häufen sich», so Emden.
Etwas vorsichtiger gestimmt gibt sich Ipek Ozkardeskaya der Online-Bank Swissquote: «Zwar scheinen Risikoanlagen wie Bitcoin auf die abrupte Kehrtwende bei den Zinserhöhungserwartungen der Fed zu reagieren, die Gewinne dürften indes anfällig bleiben», so die Analystin. Es bleibe abzuwarten, ob die jüngsten Gewinne nicht schnell wieder abgegeben würden.
AWP/REUTERS
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