Börsenbericht vom 22. Dezember 2022Schweizer Börse schliesst schwächer
Die Angst vor anhaltenden Zinserhöhungen hat den Schweizer Aktienmarkt am Donnerstag ins Minus gedrückt.

Am Schweizer Aktienmarkt hiess es am Donnerstag nach dem Kurssprung vom Vortag bereits wieder «Kommando zurück». Der Leitindex SMI, der nach mehreren Tagen fallender Kurse am Vortag 1,75% zugelegt hatte, trat zum Rückzug an und anfängliche Gewinne schmolzen sukzessive ab. Schuld waren vor allem US-Konjunkturdaten. Die US-Wirtschaft wuchs im dritten Quartal stärker und der Arbeitsmarkt robuster als erwartet. «Dadurch wurden die Marktteilnehmer an das Schreckgespenst Lohn-Preis-Spirale erinnert», sagte Marktanalyst Andreas Lipkow. Danach überraschte auch noch die starke Eintrübung der US-Wirtschaftsaussichten im November negativ.
Auch wenn diese Kursreaktion bei saisonal ausgedünntem Handel zustande gekommen sei, dürften die Hoffnungen auf ein Weihnachtsrally damit wohl ausgeträumt sein, sagte ein Börsianer. Manche Marktteilnehmer hofften zwar, dass sich die jüngsten Verluste im Nachhinein noch als attraktive Einstiegsmöglichkeiten entpuppen könnten. Aber die ersten Monate des kommenden Jahres dürften aufgrund der geldpolitischen Unsicherheiten ziemlich holprig sein. Für den weiteren Verlauf stünden die Chancen dann aber nicht schlecht, dass es wieder aufwärts gehe. Es sei sehr viel Negatives in den Kursen eingepreist. Der Markt könnte also durchaus nach oben überraschen, meinte ein Händler.
Der FuW Swiss 50 Index büsste schliesslich 0,70% ein auf 2028,16 Punkte. Der SMI, der im frühen Handel noch bis 10'890 Punkte gestiegen war, schloss um 0,65% tiefer mit 10'774,64 Punkten. Der SLI, in dem die 30 wichtigsten Aktien enthalten sind, büsste 0,71% ein auf 1639,72 und der breite SPI 0,63% auf 13'774,92 Zähler. Von den 30 SLI-Werten schlossen 27 tiefer, zwei legten zu und Swatch schlossen unverändert.
Starke Verluste verbuchten die Technologiewerte, denen vor allem ein trüber Ausblick des Chipherstellers Micron Technology zu schaffen machte. Vor allem die Aussagen zu sinkenden Investitionen würden als schlechtes Omen für die Branche gesehen, hiess es. Dies belastete den ganzen Sektor. Unter Führung von VAT (-4,3%) gaben auch Temenos (-1,9%), AMS Osram (-1,6%) und Logitech (-1,1%) und klar nach.
Andere Werte, die 2022 bereits stark korrigiert haben, wie der Bauchemietitel Sika (-2,0%), der Asset Manager Partners Group (-1,6%), der Riechstoffhersteller Givaudan (-1,3%) oder der Sanitärwert Geberit (-1,1%) büssten ebenfalls Terrain ein. Der Medizintechniker Straumann (-0,7%) oder die Zykliker Kühne + Nagel (-0,7%) und Schindler (-1,2%) schlossen nach anfänglich positiver Tendenz im Minus.
Aber auch die als defensiv geltenden Schwergewichte konnten sich den Abgaben nicht entziehen. Allerdings schlugen sich Novartis (-0,2%) und Nestlé (-0,4%) besser als Roche (-1,0%).
SGS (-0,5%) gaben frühe Gewinne ebenfalls ab. Der Warenprüfkonzern hat sein Aktienrückkaufprogramm über 250 Mio. Fr. beendet.
Aufwärts ging es für Swisscom (+0,8%). Der Telekomkonzern will die Konzernleitung von heute sechs auf neun Mitglieder erweitern. Gleichzeitig will der Bundesrat einen neuen Staatsvertreter für den Verwaltungsrat bestimmen.
Auch Zürich (+0,2%) schlossen etwas höher. Der Versicherer führt im schwachen Börsenjahr 2022 gar mit einem Plus von als zehn Prozent die raren Gewinner an.
Ansonsten waren die Finanzwerte eher im Angebot: CS (-1,2%), UBS und Julius Bär (je -0,9%) verloren dabei mehr als die Versicherer Swiss Re (-0,1%) und Swiss Life (-0,3%).
In den hinteren Reihen standen die Aktien der TX Group (+1,5%) im Blick der Anleger. Der Zürcher Medienkonzern baut mit der Übernahme von Clear Channel Schweiz sein Aussenwerbungsgeschäft deutlich aus. Bei Analysten kam die Neuigkeit gut an.
Dagegen standen Santhera (-16%) weiter unter Druck und gaben damit einen Grossteil der jüngst erzielten Gewinne wieder ab.
Grosse Kursausschläge gab es zudem bei ONE Swiss Bank (+7,8%), Igea Pharma (-50%) oder der Beteiligungsfirma Arundel (-20%). Gründe dafür waren nicht auszumachen.
New York: Auf den Erholungsschub folgen neue Verluste
Nach deutlichen Erholungsgewinnen an den US-Börsen zur Wochenmitte ist es am Donnerstag wieder abwärts gegangen. Schwache Quartalszahlen und ein trüber Ausblick des Chipherstellers Micron Technology drückten ebenso auf die Stimmung wie die überraschend starke Eintrübung der Wirtschaftsaussichten im November. Die vor dem Handelsstart veröffentlichten Konjunkturdaten waren dagegen robust ausgefallen.
Der bekannteste Wall-Street-Index Dow Jones Industrial weitete im frühen Handel seine Auftaktverluste aus und fiel um 1,36% auf 32 922,67 Punkte. Der S&P 500 verlor 1,78% auf 3809,37 Punkte. Der technologielastige Auswahlindex Nasdaq 100 sackte um 2,79% auf 10 922,90 Punkte ab.
Die konjunkturellen Aussichten in den USA trübten sich im vergangenen Monat weitaus stärker als erwartet ein. Der Sammelindex der wirtschaftlichen Frühindikatoren war zum neunten Mal in Folge rückläufig und fiel im Vergleich zum Oktober um 1,0%. Analysten hatten im Schnitt dagegen nur mit einem Minus von 0,5% gerechnet. Robust dagegen waren die zuvor bekannt gegebenen Daten ausgefallen. So wuchs die US-Wirtschaft im Sommer einer dritten Schätzung zufolge etwas stärker als zuvor mitgeteilt. Die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe blieben zudem unter den Erwartungen.
Unter den Einzelwerten stachen im Nasdaq-Auswahlindex die Aktien von Micron mit einem Verlust von 5,0% heraus. Der grösste US-Speicherchiphersteller hatte am Mittwoch nach Börsenschluss für das erste Quartal des neuen Geschäftsjahres einen Umsatzeinbruch sowie einen hohen Verlust gemeldet. Auch für das laufende Jahresviertel erwartet er wenig Aussicht auf Besserung. Deshalb sollen mit massiven Investitionskürzungen, einem Stellenabbau und Einschnitten bei der Vergütung des Managements die Kosten gesenkt werden. Zudem wurde ein Aktienrückkaufprogramm ausgesetzt.
Im Sog dieser Negativ-Schlagzeilen büssten auch andere Branchenkollegen ein: Texas Instruments gaben knapp 3% ab. Intel verloren 3,4%. AMD sanken um 5,8% und Nvidia verloren 6,2%. Unter den Ausrüstern für die Halbleiterindustrie gaben Applied Materials um 7,3% nach und Lam Research sackten um 9,5% ab.
Abwärts ging es auch für die Aktien des Elektroautoherstellers Tesla . Sie büssten 3,6% ein und befinden sich nun auf dem Niveau vom November 2020. Allein seit Anfang 2022 steht inzwischen ein Kursverlust von etwas über 60% zu Buche, womit Tesla einer der schwächsten Werte im Nasdaq 100 ist, der im selben Zeitraum nur etwa halb so viel verloren hat. Dass der Autobauer US-Käufern seiner zwei günstigsten Modelle deutlich höhere Preisnachlässe gewährt als noch Anfang Dezember, lastet offenbar auf der Stimmung.
In New York gelistete Anteilscheine chinesischer Unternehmen hielten sich stabil. Ein Bericht, dem zufolge China die Quarantänezeit für Einreisende aus Übersee verkürzen will, stützte die Papiere des Internethändlers Alibaba , des Suchmaschinenbetreibers Baidu und der E-Commerce-Plattform Pinduoduo.
Bonds Schweiz: Leicht schwächer bei ruhigem Handel
Die Schweizer Obligationenbörse präsentiert sich am vorletzten Tag vor den Weihnachtsfeiertagen erneut etwas schwächer. Das Geschäft verlaufe in ruhigen Bahnen. «Es ist bisher ein langweiliger Tag», sagt ein Händler. Dabei steigt der Kassazinssatz allerdings nahe sein bisheriges Jahreshoch.
Die Kurse schwächten sich erneut leicht ab. Der Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB) habe die Kurse etwas gedrückt, heisst es. Luis de Guindos sagte, die Notenbank werde die Zinsen weiter erhöhen. Anhebungen um 0,5 Prozentpunkte dürften zunächst das Standardtempo werden, sagte er gegenüber «Le Monde». Dieses Tempo werde wohl eine Zeitlang beibehalten. Die bisher vorgenommenen Schritte hätten zwar einen Einfluss auf die Inflation, man müsse aber mehr tun. Die EZB hat ihre Leitzinsen in diesem Jahr nach längerem Zögern deutlich angehoben, um die hohe Teuerung in den Griff zu bekommen.
Am Nachmittag könnten die Wachstumszahlen aus den USA für das dritte Quartal den Markt noch beeinflussen. Es handelt sich zwar nur um Detaildaten, die aber Änderungen mit sich bringen können. Darüber hinaus werden die wöchentlichen Zahlen vom Arbeitsmarkt veröffentlicht, die einen Hinweis auf die kurzfristige Entwicklung am Jobmarkt geben.
Das Jahr dürfte allmählich gelaufen sein, heisst es weiter am Markt. Bis auf letzte Depotauf- und -abrundungen sei auch am Sekundärmarkt nicht mehr viel zu erwarten. Auch der Primärmarkt habe für dieses Jahr die Bücher geschlossen. «Dafür laufen die Vorbereitungen für 2023 gut an. Da wird einiges Material geprintet werden», sagt ein Händler.
Der für den Schweizer Bondmarkt richtungsweisende März-Conf-Future notiert gegen 13.15 Uhr um 100 Basispunkte (BP) tiefer auf 140,99%. Der Umsatz beträgt 58 Kontrakte.
Am Vortag hatte der Conf nach einer anfänglichen Schwäche im späten Handel bei sehr dünnem Umsatz allerdings noch kräftig zugelegt und um 241 BP höher geschlossen. Händler verweisen dabei auf den sehr illiquiden Handel in dem Zins-Derivat. «Da braucht es nicht viel, wenn man den Kurs bewegen will», sagt ein Börsianer.
Der ebenfalls richtungsweisende Swiss Bond Index verliert weitere 32 BP auf 123,39% nach -34 BP am Vortag.
Bei den Eidgenossen schwächt sich die Mehrheit (8) der 12 gehandelten Papiere ab, zwei legen zu und zwei sind unverändert. Dabei gewinnt die zweijährige Referenzanleihe (1,25%/2024) 2 BP und wirft +1,16% ab. Die Zehnjährige (0,5%/2032) verliert dagegen 39 BP und rentiert mit +1,41%.
Der Kassazinssatz klettert weiter auf 1,454 von 1,425% am Vortag - das ist der höchste Stand seit dem 12. Oktober und nahe dem bisherigen Jahreshoch von 1,491% (vom 11.Oktober).
Euro und Franken nach robusten US-Daten etwas schwächer
Der Eurokurs ist am Donnerstag zum US-Dollar etwas unter Druck geraten. Die Gemeinschaftswährung rutschte am Nachmittag zeitweise unter die jüngst viel beachtete Marke von 1.06 $, die den Euro bereits seit einigen Tagen stützt. Derzeit notiert der Eurokurs aber wieder bei 1.0603 $.
Auch zum Franken zeigt sich der Greenback am Donnerstagnachmittag etwas stärker. Der Dollar geht derzeit zu 0.9296 nach 0.9268 am Mittag und 0.9234 Fr. am Morgen um. Der Euro knüpft zur Schweizer Währung an seine leichten Gewinne vom Vormittag an und wird derzeit zu 0.9857 Fr. gehandelt.
Am Nachmittag stützten robuste US-Konjunkturdaten den Dollar und belasteten im Gegenzug den Euro. Die US-Wirtschaft wuchs im Sommer etwas stärker als bisher bekannt. Laut Handelsministerium basiert das Wachstum vor allem auf den Ausfuhren und den Konsumausgaben. Zudem stieg die Zahl der wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe weniger als erwartet.
Darüber hinaus blieb am Devisenmarkt die Geldpolitik im Fokus. So bekräftigte der Vizepräsident der EZB, Luis de Guindos, die Absicht der Notenbank zu weiteren deutlichen Zinserhöhungen. Der französischen Tageszeitung «Le Monde» sagte der Spanier, Anhebungen um 0,5 Prozentpunkte dürften zunächst das Standardtempo werden. Dieses Tempo werde wohl eine Zeitlang beibehalten. Die bisher vorgenommenen Schritte hätten zwar einen Einfluss auf die Inflation, man müsse aber mehr tun.
Derweil gab das britische Pfund im Vergleich zu anderen wichtigen Währungen weiter nach. Die Wirtschaft Grossbritanniens schrumpfte im Sommer etwas deutlicher als bisher bekannt. Belastet wurde die Entwicklung vor allem durch das schwache Abschneiden der Industrieproduktion. Der Bausektor schrumpfte ebenfalls. Nur leicht abgefedert wurde das Resultat durch den Dienstleistungssektor.
Die jüngste Schwäche des britischen Pfunds überrasche nicht, schrieb Devisenexperte Ulrich Leuchtmann von der Commerzbank. Schliesslich werde zwar in vielen wichtigen Ländern eine expansive Fiskalpolitik betrieben. Das britische Statistikamt habe aber zuletzt eine überraschend hohe Schuldenaufnahme verkündet und so den Druck auf die Landeswährung noch erhöht.
Zu anderen wichtigen Währungen legte die EZB die Referenzkurse für einen Euro auf 0.88243 (0.87651) britische Pfund und 140.42 (140.29) japanische Yen fest.
Die Feinunze Gold wurde am Nachmittag in London mit 1796 $ gehandelt. Das waren etwa 18 $ weniger als am Mittwoch.
Ölpreise geben etwas nach
Die Ölpreise haben am Donnerstag nach zeitweisen Kursgewinnen etwas nachgegeben. Zuletzt kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 81.56 $. Das waren 61 Cent weniger als am Tag zuvor. Der Preis für ein Barrel der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) fiel um 50 Cent auf 77.85 $. Am Mittwoch waren die Ölpreise um gut 2 $ gestiegen.
Die trübe Stimmung an den Aktienmärkten belastete auch die Ölpreise. Der Handel verlief aber bei niedrigem Handelsvolumen in ruhigen Bahnen. Zunächst hatte ein schwächerer Dollarkurs die Ölpreise gestützt. Auftrieb hatten die Rohölpreise bereits am Mittwoch von Lagerdaten aus den USA erhalten. Die landesweiten Bestände an Erdöl sind in der vergangenen Woche deutlich gefallen, wie das Energieministerium mitteilte.
AWP/REUTERS
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