CIO Circle: Fabienne Hockenjos-Erni zu den Anlagemärkten 2023The Good, the Bad and the Ugly
Nach einem fulminanten Jahresauftakt hat sich an den Anlagemärkten ein gefährlicher Cocktail aus Zinsängsten, Inflationssorgen und einer Vertrauenskrise zusammengebraut. Dieser Mix dürfte uns weiter begleiten. Die globalen Herausforderungen sind noch nicht gelöst, die Erwartungen an die Unternehmensgewinne sportlich.

Die Anlagemärkte sind nach dem «Annus horribilis» 2022 fulminant ins neue Jahr gestartet – zu gut, wie wir meinen. Entsprechend vorsichtig haben wir unsere Asset Allocation gestaltet. Eine besser als befürchtet verlaufende Konjunktur zusammen mit erwarteten Zinssenkungen liess Euphorie aufkommen. Der Inflationspeak schien überwunden zu sein, und weiteren Kursgewinnen schien nichts im Wege zu stehen. Der kausale Zusammenhang zwischen Inflation, Zinsen und Konjunktur rückte dabei kurzfristig in den Hintergrund: The Good, the Bad and the Ugly! Wie im gleichnamigen Western versprach die Ausgangslage ein spannendes Drehbuch für das Börsenjahr 2023 zu werden.
Wenn aus gut «schlecht» wird
Die gute Nachricht, dass die Konjunktur sich besser als erwartet zu halten schien und eine Rezession vermieden werden könne, war für die Märkte plötzlich «bad news». Sie bedeutete, dass die Notenbanken sich weiterhin der Inflationsbekämpfung widmen würden und das Ende der Zinserhöhungen weiter in die Ferne rückt.Im März zeigte sich dann die Kehrseite der Medaille: «the Ugly». Wie immer in der Geschichte geht eine geldpolitische Vollbremsung, wie wir sie seit einem Jahr bei der US-Notenbank beobachten, nicht ohne Nebengeräusche vonstatten. Der Zusammenbruch der Silicon Valley Bank liess die Szenen um die beiden gescheiterten US- Banken Bear Stearns und Lehman Brothers wieder vor dem geistigen Auge erscheinen.
UBS schluckt CS: Das Unmögliche wurde wahr
Die Vertrauenskrise hat hierzulande Credit Suisse so weit in Bedrängnis gebracht, dass Notrecht ausgerufen werden musste. Das bis zu diesem Zeitpunkt Undenkbare wurde zur Realität: eine Übernahme von CS durch UBS. Was erwartet uns nun im weiteren Jahresverlauf? Die globalen Herausforderungen sind noch nicht gelöst und werden das Börsengeschehen auch im laufenden Jahr prägen. Die Inflation hat wohl ihren Höhepunkt überschritten, dürfte jedoch in den kommenden Monaten hartnäckig hoch bleiben. Auch die Gefahr im Bankensektor dürfte noch nicht gebannt sein.
Gewinnerwartungen noch immer zu hoch
Die Verunsicherung im Finanzsektor führt zudem zu einer Verschlechterung der «Financial Conditions» und damit zur Erhöhung der Refinanzierungskosten. Dies und der anhaltende Margendruck ist unseres Erachtens noch immer zu wenig in den Erwartungen für die Unternehmensgewinne 2023 abgebildet. Wir glauben nicht an eine globale Rezession, gehen aber davon aus, dass 2023 kein wachstumsstarkes Jahr werden wird. Auch das dürfte die Börsenkurse weiter belasten. The Good, the Bad and the Ugly – das Zusammenspiel von positiven und negativen Faktoren wird die unmittelbare Zukunft weiter prägen. Bei einer derartig abrupten Vollbremsung der Geldpolitik, wie wir sie seit gut einem Jahr erleben, könnte es durchaus zu weiteren unschönen Ereignissen kommen. Das zeigt auch die Historie. Nachdem der Geldhahn seit der Finanzkrise 2008 vollständig geöffnet war, könnte das momentane Zudrehen zu weiteren Disruptionen auch in anderen Sektoren führen. Die Volatilität bleibt damit erhöht – wobei für einmal nicht nur die Aktienmärkte im Vordergrund stehen.
Zinsen im Fokus
Grosses Augenmerk gilt bis auf weiteres der hohen Schwankungsbreite der Zinsen: Wir blicken derzeit auf eine überdurchschnittlich hohe Volatilität im Zinsbereich (vgl. Grafik). Die hohen Zinsausschläge, die starke Inversion der Zinskurve sowie die hartnäckige Kerninflation stellen Anlegerinnen und Anleger vor eine grosse Herausforderung.

Untergewicht in Aktien bleibt vorerst
Wir bleiben als Folge der erhöhten Risiken weiterhin vorsichtig positioniert und halten an unserem Untergewicht in Aktien vorerst fest. Wir gehen nicht grundsätzlich von einem schlechten Jahr für Aktien aus, erachten den Einstiegszeitpunkt mit Blick auf das Risiko-Rendite-Verhältnis jetzt jedoch noch als verfrüht. Auf der Obligationenseite könnte sich eine opportunistische Anlagestrategie bezahlt machen. Auch in der Schweiz befinden wir uns seit einigen Monaten in einer äusserst volatilen Seitwärtsbewegung.
Ein Fenster für Festverzinsliche
Das Anstossen am oberen Rand der Handelsbandbreite könnte im festverzinslichen Bereich als spannende Einstiegmöglichkeit bei guter Qualität gesehen werden, nachdem die Anlageklasse über die letzten Jahre keine Rendite mehr abgeworfen hat. Über den Jahresverlauf kann es sich als erfolgversprechende Strategie erweisen, das am Markt vorherrschende Untergewicht in Obligationen schrittweise zu reduzieren. Weiterhin spannend bleiben alternative Anlagen. Gerade mit Blick auf die hohe Inflation erscheint es angezeigt, der Wertminderung von Liquiditätsbeständen entgegenzuwirken.
Dieser Artikel ist der erste in der Serie «CIO Circle». Weitere Artikel finden Sie hier.
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