Trotz AT1-AbschreibungWarum Banken mehr Coco ausgeben sollten
Der Entscheid, die AT1-Anleihen von Credit Suisse abzuschreiben, wird kontrovers diskutiert. Dabei sind Coco ein wichtiges Instrument, um Bankkrisen zu verhindern.

«Too big to fail» ist der Schlüsselbegriff, der die globale Finanzkrise von 2007 bis 2008 verkörpert. Mitten in der damaligen Krise mussten die Finanzaufsichtsbehörden akzeptieren, dass eine Bankrettung die einzige Form einer stabilisierenden Intervention ist. Es ist daher nur natürlich, dass eine der Prioritäten der internationalen Finanzregulierungsreformen nach der Krise darin bestand, die Absorptionsfähigkeit der Banken zu erhöhen. Contingent Convertible Bonds (Coco) wurden in der Folge zu einem beliebten Instrument, das die Rekapitalisierung einer in Schwierigkeiten geratenen Bank ermöglichen soll.
Am Sonntag, 19. März, gab die Finma bekannt, dass im Rahmen des Notfallpakets für Credit Suisse die Coco, die ein Teil des zusätzlichen Kernkapitals (des sogenannten Additional Tier 1 Capital, AT1) der Bank waren, abgeschrieben werden. Der Entscheid löste am darauffolgenden Tag negative Reaktionen der Marktteilnehmer aus. Die häufig geäusserte Ansicht war, dass die Rangfolge der Forderungen verletzt wurde. Die Abschreibung der AT1 Coco führte bei den Coco-Investoren zu einem Verlust von 16 Mrd. Fr., während das Aktienpaket der CS-Aktionäre noch mit 3 Mrd. Fr. bewertet wurde.
Die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of England erklärten am selben Montag, dass sie nicht beabsichtigen, dem Finma-Ansatz zu folgen, und dass sie die übliche Rangfolge der Forderungen bei der Abwicklung weiterhin respektieren werden. Wie lassen sich diese unterschiedlichen Auffassungen der Aufsichtsbehörden in Einklang bringen? Warum mussten die Inhaber von AT1 Coco gegenüber den Aktionären von Credit Suisse einen Totalverlust hinnehmen? Welche Lehren lassen sich daraus für die Wirksamkeit der Too-big-to-fail-Reformen nach der globalen Finanzkrise ziehen?
Coco absorbieren Verluste
Die Möglichkeit, die Kapitalisierung einer in Schwierigkeiten geratenen Bank zu verbessern, war der Hauptzweck des Coco-Designs. Coco haben zwei Hauptmerkmale – den Verlustabsorptionsmechanismus und den Trigger, der diesen Mechanismus aktiviert. Sie können Verluste entweder durch Umwandlung in Eigenkapital oder durch Abschreibung des Nennwerts absorbieren. Der Trigger kann entweder mechanisch, das heisst numerisch in Bezug auf eine bestimmte Kapitalquote definiert, oder diskretionär, das heisst dem Ermessen der Aufsichtsbehörden unterliegend, ausgelöst werden. Coco sind mit mehreren Triggern ausgestattet worden, wobei ein mechanischer Trigger und ein diskretionärer Auslöser kombiniert worden sind. Die Aktivierung des diskretionären Triggers, der in allen von CS ausgegebenen Coco vorgesehen war, hat es der Finma ermöglicht, die Abschreibung des Nennwerts aller AT1 Coco auszulösen.
Wichtig ist der Hinweis, dass die Abschreibung der AT1 Coco von CS durch die Finma von der Abwicklung einer insolventen Bank – auf die sich die europäische und die britischen Aufsichtsbehörden in ihren Stellungnahmen beziehen – zu unterscheiden ist. Coco sind nämlich nicht den TLAC-Instrumenten gleichzustellen, die für global systemrelevante Banken wie Credit Suisse zusätzlich erforderlich sind, um eine Abwicklung über eine einzige Instanz zu ermöglichen.
Bricht der AT1-Markt zusammen?
Wird die Abschreibung der AT1 Coco von CS den Zusammenbruch des AT1-Anleihenmarktes auslösen? Unwahrscheinlich. Die Kosten für die Emission eines Coco Bond werden in erster Linie von der finanziellen Situation der Bank bestimmt. Banken, die risikoreicher und schlechter kapitalisiert waren, haben länger für die Emission von Coco gebraucht und mussten die Anleger mit einem höheren Coupon entschädigen. Hinzu kommt, dass nicht alle Coco gleich sind. Diejenigen, die in Eigenkapital umgewandelt werden, sind im Hinblick auf die Verringerung der Fragilität von Banken besser konzipiert als solche, die eine Nennwertabschreibung vorsehen.
Sind die Investoren der AT1 Coco von Credit Suisse fair behandelt worden? Ja. Als Kompensation für das Umwandlungs- bzw. das Abschreibungsrisiko boten die Coco eine grosszügige Rendite von 8 bis 10%, während die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen bei lediglich rund 3,5% lag. Im Fall von CS wurden alle ausstehenden Coco abgeschrieben. Hätten die Anleger in Coco mit Aktienwandlung investiert, hätten sie nach der Übernahme UBS-Titel erhalten. Die Couponsätze wären jedoch niedriger gewesen als bei Coco, die eine Nennwertabschreibung vorsehen.
Eine wichtige Lektion
Der Zusammenbruch von Credit Suisse ist eine wichtige Lektion für die Finanzaufsichtsbehörden. Trotz der enormen Anstrengungen der Regulatoren, nach der Finanzkrise verbindliche Abwicklungsregelungen für global systemrelevante Banken zu etablieren, schien das Risiko für das Finanzsystem aufgrund der Komplexität und der mangelnden Transparenz dieser Verfahren zu gross, um eine systemrelevante Bank wie CS scheitern zu lassen. Die Finma ist daher zum Schluss gekommen, dass ein Bailout die bessere Lösung ist. Durch die Abschreibung der AT1 Coco in Höhe von 16 Mrd. Fr. wurden die Kosten dieser Intervention für den Schweizer Steuerzahler jedoch um 16 Mrd. Fr. reduziert. Vor diesem Hintergrund liegt der Schluss nahe, dass von allen Too-big-to-fail-Instrumenten die AT1 Coco von Credit Suisse genau das zu tun schienen, was sie tun sollten.
Künftig sollte sich die Finanzregulierung deshalb darauf konzentrieren, die Rolle von bedingtem Kapital wie Coco zu stärken, das vor dem Ausfall einer Bank aktiviert werden kann. Darüber hinaus müssen die Regulierungsbehörden auch die grosse Vielfalt der Coco-Designs überprüfen. Der Ermessensspielraum der Aufsichtsbehörden erschwert es, das Risiko einer Umwandlung zu bewerten, was die Wirksamkeit der Coco verringert. Ein alternatives Design könnten Coco sein, die der emittierenden Bank das Recht auf Umwandlung in Eigenkapital einräumen, was eine transparentere Form der Rekapitalisierung während einer Krise bietet und robust gegen Kursmanipulationen ist.
Anastasia Kartasheva ist Professorin des Swiss Finance Instituts an der Universität St. Gallen.
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