
Wenn die US-Notenbank so stark die Zinsen anzieht wie seit den Achtzigerjahren nicht mehr, dann geht unweigerlich etwas kaputt. Dieses Mal sind es die US-Regionalbanken, die schwerpunktmässig gegenüber der amerikanischen Tech-Start-up-Szene im Silicon Valley exponiert sind.
Vergangene Woche hat es die Silicon Valley Bank (SVB) erwischt, die am Freitag die grösste Bankenpleite seit der Finanzkrise und die zweitgrösste der US-Geschichte hingelegt hat. Am Sonntag wurde die Signature Bank in New York geschlossen. Als Nächstes stehen weitere regionale Institute wie First Republic, Western Alliance, Zions oder PacWest im Fokus.
Warum Credit Suisse?
Auch wenn die US-Regierung weitreichende Massnahmen getroffen hat, um eine Finanzkrise zu verhindern, können weitere Pleiten kleinerer Akteure nicht ausgeschlossen werden. Dabei handelt es sich um Geldhäuser, deren Kunden – Tech-Start-ups und Wagniskapitalgeber – eher risikoreich unterwegs sind; in einem Gebiet, in dem in schlechten Zeiten das Kapital rasch austrocknen kann. Ein Finanzdienstleister mit einem solchen Fokus lebt gefährlicher als eine konservativ geführte Hypothekarbank oder eine diversifizierte Grossbank.
Letztere dürften denn auch von dieser Krise profitieren und Marktanteile hinzugewinnen, wenn einige der Kleineren das Feld räumen müssen. Warum dann aber stürzten am Montag die Aktien von Credit Suisse zeitweise über 10% auf ein neues Allzeittief ab? Wieso sind die Risikoaufschläge auf ihren Kreditausfallversicherungen so hoch wie bei keiner anderen europäischen Grossbank? CS ist doch eine diversifizierte Grossbank, mit Schwerpunkt Vermögensverwaltung und kaum exponiert gegenüber den Tech-Start-ups an der US-Westküste.
Zum einen kommt es in solchen hochvolatilen Krisensituationen zu Marktübertreibungen. Weil kaum ein Geschäftsmodell so undurchsichtig ist wie das der Banken, tendieren Anleger dazu, aus Sicherheitsgründen zuerst zu verkaufen und später Fragen zu stellen. Wenn sich der Staub gelegt hat, dürfte es deshalb interessante Kaufgelegenheiten zu attraktiven Preisen geben. Vorerst trifft so eine Marktpanik aber meist diejenigen Namen über die Massen, die sowieso schon an Problemen laborieren.
Und Credit Suisse hat Probleme. Die hausgemachten Krisen namens Archegos und Greensill haben mit heftigen Verlusten zu Buche geschlagen, in einem Umfeld, das ansonsten den Konkurrenten fürstliche Gewinne in die Kassen gespült hat. CS hat eine Investmentbank, die sie anders als UBS nach der Finanzkrise nicht energisch genug zurückgeschnitten hat. Die so in den vergangenen Jahren wichtiges Kapital gebunden und fast nur unterdurchschnittliche Ergebnisse geliefert hat. Nun endlich soll sie alsbald abgespalten werden, dann aber auch wieder derart ungelenk, dass man einem ehemaligen Verwaltungsrat dafür erst einmal 175 Mio. $ zahlen musste.
Hochgefährliche Situation
Die notwendige Trennung könnte jedoch zu spät kommen. Denn die ganze Misere hat zuletzt auch das gesunde Kerngeschäft erreicht, das bis dahin praktisch unbefleckt starke Ergebnisse geliefert hat. In der Vermögensverwaltung – dem Filetstück der Bank – haben Kunden im vergangenen Quartal ganze 120 Mrd. $ an Geldern abgezogen. Und genau deswegen ist CS nun in einer nicht zu unterschätzenden, hochgefährlichen Situation. Wenn sie es nicht schafft, in den nächsten zwei Quartalen die Abflüsse zu stoppen, kann das der Anfang eines langen Ausblutens des Kerngeschäfts sein.
Der Schweizer Asset-Manager GAM sollte dem CS-Management um Präsident Axel Lehmann und CEO Ulrich Körner als Mahnung dienen. Auch bei GAM stand zuerst ein Skandal. Ein Starfondsmanager wurde Anfang März 2018 unter Vorwürfen der unsauberen Geschäftsführung entlassen, seine Fonds in die Liquidation geschickt. Ins Schleudern geriet GAM dann so richtig, weil auch andere Kunden aus anderen Vehikeln ihre Gelder abzogen und damit bis heute nicht aufgehört haben.
Auf ihrem Höhepunkt verwaltete GAM über 84 Mrd. Fr. in ihrer wichtigsten Sparte, heute sind es noch rund 27 Mrd. Fr. In den vergangen fünf Jahren schrieb die Gesellschaft Verluste. Die Aktien haben praktisch ihren gesamten Wert verloren und sind zum Penny Stock verkommen. Dennoch wollte zu keiner Zeit ein Konkurrent die siechende GAM übernehmen, auch wenn das Management dem Vernehmen nach aktiv die Gesellschaft angedient hat und das noch immer tut – keiner will offensichtlich in ein fallendes Messer greifen.
CS ist nun längst keine GAM, noch immer ist sie einer der grössten Vermögensverwalter der Welt und eine führende Retail- und Firmenkundenbank in der Schweiz. Doch in der Bankbranche – das zeigt gerade die Situation der US-Regionalbanken – kann ein Institut schnell in eine Abwärtsspirale geraten, wenn sich bei Anlegern und Kunden die Ansicht festsetzt, dass irgendetwas nicht stimmt und ihr Geld woanders besser und sicherer aufgehoben ist.
Fusion kaum vorstellbar
Hat eine Bank nach schlechter Performance und Skandalen einmal angefangen, Kundengelder auszubluten, ist es für ein Management extrem schwierig, Vertrauen zurückzugewinnen. Dann vor allem, wenn sich eine Bank wie im Falle der CS immer wieder neue Fehltritte leistet.
Zuletzt versuchte die Grossbank zum Jahreswechsel, Investoren und Kunden zu beruhigen, besorgte sich 4 Mrd. $ Kapital am Markt und warf sich dafür in die Hände des saudischen Königshauses. Die von ihm dominierte Saudi National Bank ist jetzt grösster CS-Aktionär. Der ehemals grösste Aktionär, der amerikanische Value-Investor Harris Associates, hat der Bank desillusioniert und enttäuscht den Rücken gekehrt.
Schon steht für CS bereits wieder das Thema einer Fusion mit der grössten Schweizer Bank und Konkurrentin UBS im Raum. Günstig zu haben wäre CS, die Aktien haben in zwei Jahren 80% ihres Werts verloren. Die Frage – mit GAM im Hinterkopf – ist aber auch hier: Warum sollte UBS, für die es seit der Coronakrise endlich wieder läuft, sich eine Bank mit derartigen Problemen ans Bein binden? Selbst unter den grossen, gesunden Bankhäusern Europas kommt es nicht zu Fusionen, obwohl Regierungen und Regulatoren das befürworten, weil die europäische Bankenlandschaft als zu zersplittert gilt.
Ein Zusammenschluss zweier Riesen zu verdauen, dauert aber Jahre, absorbiert wichtiges Personal und Ressourcen, sorgt für Negativschlagzeilen, wenn es zu Entlassungen kommt, und birgt obendrein ungeahnte Rechtsrisiken, um die CS wie auch UBS in der Vergangenheit nicht arm waren.
Vorerst bleibt den CS-Aktionären deshalb nur, zuzuschauen und zu hoffen, dass die Bank den Abfluss von Kundengeldern stoppen kann. Und nicht den Weg von GAM einschlägt.
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Meinung – Wird Credit Suisse zur nächsten GAM?
In den USA stürzen Regionalbanken, und die Aktien von Credit Suisse sacken darob auf Allzeittief ab. Fehltritte und Skandale der Vergangenheit rächen sich, und düstere Parallelen zu einer gescheiterten Schweizer Finanzgesellschaft tun sich auf.