Noch eine Surprise nach der Bundesratswahl: Die Verteilung der Departemente nach dem Rücktritt von Ueli Maurer und Simonetta Sommaruga ist weitgehend nach dem Gusto der Bürgerlichen ausgefallen. Die SP, die schon im Vorfeld der Ersatzwahlen in die Landesregierung ein widersprüchliches und chaotisches Bild abgegeben hatte, sieht hingegen wie eine Verliererin aus.
Von den Bürgerlichen angestrebt, aber alles andere als garantiert, war der Wechsel in der Leitung des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek). Albert Rösti übernimmt ein schwieriges Erbe von Simonetta Sommaruga. Sie forcierte einen einseitigen und hochsubventionierten Ausbau der erneuerbaren Energien, der aber trotzdem weniger rasch vorankam als von der Solarlobby gewünscht. Ein Comeback der Atomenergie kam für sie nicht infrage, obschon die ehrgeizigen Klimaziele aus heutiger Sicht ohne sie nicht zu erreichen sind.
Von Rösti kann nun erwartet werden, dass er die Energiestrategie 2050 neu andenkt und in andere Bahnen lenkt. Nützlich wären ein Marschhalt und eine Gesamtschau, in der die CO₂-freundliche und energieeffiziente Kernkraft nicht a priori ausgeschlossen wird.
«Vor Illusionen sei gewarnt. Albert Rösti wird auf die Schnelle keine Wende der Energiewende bewirken können.»
Wie die Schweiz aus dem Trilemma Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit sowie Natur- und Klimaschutz herausfindet, bleibt stärker denn je eine offene Frage. Die Energiesicherheit ist nicht erst durch den Ukrainekrieg und dessen Folgen auf Versorgung und Preise infrage gestellt worden.
Zu sehr und zu lange hat sich die Schweiz darauf verlassen, Lücken mit Stromimporten zu füllen. Zwar werden hastig Reservekapazitäten geschaffen, eine Strommangellage in diesem Winter ist eher unwahrscheinlich geworden – nicht aber in den kommenden Wintern. Vor Illusionen sei indessen gewarnt: Albert Rösti wird auf die Schnelle keine Wende der Energiewende bewirken können, vieles ist schon aufgegleist und beschlossen.
Alain Berset, vom Parlament am Vortag mit dem höchst mässigen Resultat von 140 Stimmen zum Bundespräsidenten 2023 gewählt, hatte als Chef des Departements des Innern offenbar keine Lust mehr auf einen Departementswechsel. Es wäre keine Überraschung, würde er in einem Jahr ebenfalls den Rücktritt erklären. Die Pandemie und die Schlagzeilen wegen privater Affären dürften Substanz gekostet haben.
Immerhin hatte Berset nach elf Jahren diesen Herbst das Erfolgserlebnis, mit der AHV21 eine kleine Reform durchzubringen. Sie verschafft der ersten Säule jedoch nur eine Verschnaufpause von wenigen Jahren. Auch die Rentenreform 21 stockt. Es bräuchte grundlegende Schritte, etwa eine Erhöhung des Rentenalters, aber die Linke redet die Finanzlage der AHV schön und will die zweite Säule mit so vielen AHV-ähnlichen Umverteilungselementen «stärken» wie möglich.
«Karin Keller-Sutter wird Ueli Maurer beim Wort nehmen: Ein Finanzminister muss ein Rappenspalter sein.»
Beruhigend, dass mit Karin Keller-Suter eine FDP-Vertreterin oberste Kassenwartin des Bundes wird. Hier sind eine gesunde Knausrigkeit und Weitblick gefragt. Das am Donnerstag unter Dach und Fach gebrachte Budget 2023 schliesst mit einem Finanzierungsdefizit von 4,8 Mrd. Fr. ab. Nur weil die Kreditlinie für den Axpo-Rettungsschirm und die Gelder für die Ukraine-Flüchtlinge als ausserordentliche Ausgaben taxiert wurden, blieben die Regeln der Schuldenbremse gewahrt.
Ab 2024 allerdings zeichnen sich strukturelle Defizite in der Bundeskasse in Milliardenhöhe ab. Das während Jahren stete Wachstum der Einnahmen verführte das Parlament zu grosszügigen Mehrausgaben. Die Ansichten im Parlament, wie auf die drohenden roten Zahlen zu reagieren wäre, gehen weit auseinander. Für die Linke ist «Sparwut fehl am Platz».
Selbst in der Mitte wird einer Aufweichung der Schuldenbremse das Wort geredet. Karin Keller-Sutter wird das nützliche Instrument, das ursprünglich aus der FDP-Werkstatt stammt, weiterhin zu verteidigen haben – und Vorgänger Ueli Maurer, der in der Abschiedsrede meinte, ein Finanzminister müsse ein Rappenspalter sein, hartnäckig beim Wort nehmen.
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Meinung zur Departementsverteilung im Bundesrat – Wunschszenario der Bürgerlichen wird (fast) Realität
Die Bundesfinanzen bleiben in sparsamer Hand. Zudem erobert Bundesratsneuling Albert Rösti das Uvek mit der umstrittenen Energiepolitik. Die SP vermittelt einen geschwächten Eindruck.