Mit Liquiditätsgarantien hat die US-Zentralbank umgehend auf die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) reagiert. Aber damit ist der Fall für sie noch lange nicht abgeschlossen. Der Konkurs kommt für die Verantwortlichen im Federal Reserve zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt und stellt auch die Zentralbanken in Europa vor unangenehme Fragen. SVB hin oder her: Die Inflation ist weiterhin viel zu hoch.
Auf dem Papier sind die Kompetenzen und die Mandate klar getrennt: die Aufsicht, um ein stabiles Bankensystem sicherzustellen, auf der einen Seite und die Geldpolitik, um Preisstabilität zu garantieren, auf der anderen. Der Fall SVB wird in den kommenden Wochen der internationalen Öffentlichkeit indes vor Augen führen, dass sich Aufsicht und Geldpolitik im Ernstfall in der Praxis nicht auseinanderhalten lassen.
Es gibt keine Brandwände. Vor allem dann nicht, wenn die Geldpolitik über Jahre hinweg mit extrem günstigen Zinsbedingungen und Marktinterventionen der Spekulation an den Märkten Tür und Tor geöffnet hatte und auf der anderen Seite die Aufsicht offensichtlich nur lückenhaft funktioniert. Mit SVB hat es die Nummer sechzehn unter Amerikas Bankhäusern getroffen, die sich verspekuliert hat – und nicht einmal einen Akteur des kaum kontrollierten Schattenbankensektors.
Das Diktat des Marktes
Die US-Zentralbank sollte der Pleite im Silicon Valley eigentlich keine Beachtung schenken, wenn sie kommende Woche darüber entscheidet, wie sie die viel zu hohe Inflation im Land zu bändigen gedenkt. Aber das kann sie nicht. Der Finanzmarkt erwartet eine Drosselung der Zinserhöhungen. Ignoriert die Notenbank dieses Diktat, läuft sie Gefahr, einen noch grösseren Kurseinbruch an den Börsen auszulösen.
Solange unklar ist, ob es sich tatsächlich nur um einen insolierten Einzelfall handelt, werden Jerome Powell und seine Kollegen erst einmal vorsichtiger vorgehen. Für sie zahlt sich immerhin aus, dass sie den Leitzins bereits früh und markant erhöht haben.
Dass das Fed den angepeilten Zinshöhepunkt heruntersetzt, wie der Markt es ebenfalls annimmt, ist indes wenig plausibel. Zumindest solange der hohe Leitzins notwendig bleibt, um die Inflation zu bekämpfen. Anders wäre es, falls die US-Konjunktur überraschend stark einbräche und daraufhin die Inflationserwartungen abstürzen würden. Das schliessen die Verantwortlichen aber aus – noch zumindest. SVB sei ein Einzelfall ohne Folgen für das Finanzsystem.
Reaktion in Europa
Der Schock aus den USA wird auch die Notenbanker in der Europäischen Zentralbank zum Nachdenken bringen. Sie dürften die Zinsen zwar weiter erhöhen, aber den zuletzt etwas gar aggressiven Ton mässigen. Die «Tauben» im Zentralbankrat wie Italiens Notenbankchef Ignazio Visco werden künftig mehr Gehör bekommen als die «Falken», die die Debatte zuletzt bestimmten.
Die Schweizerische Nationalbank agiert in einem komfortableren Umfeld. Sie dreht nur vierteljährlich an der Zinsschraube und steht daher unter geringerem Erwartungsdruck der Märkte als ihre Schwesterinstitute, die viel häufiger über die Zinsen entscheiden. Sie kann also die bisherige Politik fortführen.
Ausserdem verfügt die SNB als Einzige über ein zweites Instrument zur Inflationsbekämpfung: die Aufwertung des Frankens. Sollte die US-Bankenkrise den Franken nachhaltig stärken, dürfte auch die SNB über weniger Zinserhöhungen als geplant nachdenken – aber vermutlich nur dann.
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