Interview mit Jay Bidermann«Zunehmend Zuflüsse an Neugeldern»
Nach einer längeren Ruhephase ist im Private Banking das Bedürfnis nach Sicherheit wieder entscheidend, berichtet der Partner der Zürcher Privatbank Rahn+Bodmer Co. Er nimmt sehr viel Unruhe am Markt wahr, die Kunden informieren sich über ihre Cash-Bestände.

Herr Bidermann, was bedeutet die aufwendige Rettungsaktion für Credit Suisse für den Private-Banking-Standort Schweiz?
Die Rettungsaktion scheint aus heutiger Sicht unumgänglich und bewahrt den Finanzplatz Schweiz, wie auch die global eng vernetzte Finanzbranche weltweit, vor grösserem Unheil. Wir bedauern sehr, dass wir mit Credit Suisse eine solch grosse und geschichtsträchtige Institution verabschieden müssen.
Haben sich bereits ehemalige Credit-Suisse-Kunden bei Ihnen gemeldet, beziehungsweise konnten Sie in den vergangenen Tagen signifikante Neugelder gewinnen?
Wir nehmen eine gewisse Unruhe am Markt wahr und konnten in den vergangenen Monaten zunehmend Zuflüsse und Neugelder von in der Schweiz domizilierten Kunden feststellen; dass sie ausschliesslich von Credit Suisse stammen, ist aber nicht der Fall.
Ist mit dem Grossbankensystem fundamental etwas nicht in Ordnung, und muss die Bankenaufsicht noch stärker kontrollieren und regulieren?
Die USA haben unter dem vorherigen Präsidenten die nach der Finanzkrise eingeführten Regulierungen deutlich aufgeweicht. Ein Grund dafür, weshalb beispielsweise die rasche und markante Bilanzausweitung der Silicon Valley Bank auf keinem Radar erschienen ist. Europa und speziell die Schweiz haben die Regulierung seit der Finanzkrise nicht aufgeweicht. Selbst kleinere Banken müssen eine Reihe von Finanzkennzahlen regelmässig dem Regulator übermitteln. Zudem funktionieren der Bankensektor und seine Regulierung in Europa und in der Schweiz anders als in den USA. Also nein, es scheint mit den heutigen Informationen nicht notwendig, dass die schweizerische Bankenaufsicht noch stärkere Kontrollen oder Regulierungen definieren muss.
Worauf kommt es im derzeitigen Umfeld beim Private Banking an?
Das Auf und Ab an den Märkten beschäftigt uns natürlich am meisten. Bei unseren Kunden ist das Bedürfnis nach Sicherheit deutlich gestiegen. Nach einer längeren Ruhephase wird im Private Banking die sogenannte Flight to Safety jetzt wieder entscheidend. Solche Phasen erleben wir immer wieder.
Woran machen Sie dies konkret fest?
Im Moment interessiert unsere Kunden, wie viel Cash sie bei uns einlagengesichert auf dem Konto halten können. Diese Frage haben wir seit zwei Jahren nicht mehr gehört, jetzt ist das wieder ein grosses Thema. Ebenso fragen viele nach unserer Kapitalbasis. Aber da sind wir ja Musterschüler.
Inwiefern?
Wir verwalten Vermögen in Höhe von 14 Mrd. Fr., und unsere Kapitalbasis beläuft sich auf weit über 200 Mio. Fr.
Mehr verraten Sie nicht, auch nicht den sehr vermögenden Kunden?
Nein, ausser, dass wir mindestens seit dem Zweiten Weltkrieg nie einen Verlust erlitten haben.
Welche Risiken haben Sie als Privatbanker stets im Blick?
Unsere Bilanz müssen wir immer im Blick haben. Für uns ist die Liquidität von grosser Wichtigkeit. Als Privatbanquiers möchten wir sicherstellen, dass wir zu jedem Zeitpunkt in der Lage sind, die Geldeinlagen unserer Kunden auszuzahlen. Zudem prüfen wir stets unsere Risiken im Kreditgeschäft, auch wenn wir es nur in sehr geringem Ausmass betreiben, und dies in den meisten Fällen gegen eine Hinterlegung von Wertschriften.
Mit Blick auf die Herkunft Ihrer Kunden, gibt es auch Märkte ausserhalb der Schweiz, die interessant sind ?
Unser Fokus liegt auf der Schweiz, etwa 30% unserer Kunden kommen aus dem Ausland, wie etwa Grossbritannien, Österreich, Deutschland, Spanien und den Niederlanden. Diesen Kunden bieten wir passive Dienstleistungen an. Manchmal ergibt sich daraus ein Neugeschäft, aber wir werben in diesen Ländern nicht aktiv um Kundschaft. Unser Geschäftsmodell der familiengeführten Bank, deren Partner mit ihrem eigenen Vermögen haften, ist wieder en vogue. Aus Deutschland etwa melden sich viele Interessierte, die nach der Sicherheit des Frankens suchen und die Dienstleistungsqualität in der Schweiz schätzen.
Wie lautet Ihre Anlagestrategie?
Unsere Anlagephilosophie fokussiert sich sehr auf Schweizer Werte. Einerseits haben wir in der Schweiz hervorragende Weltmarktführer in ihrer Branche. Andererseits sind wir mit diesen Unternehmen näher und können sie einfacher und enger verfolgen. Wir setzen hier auf Einzeltitel. Auch sind wir hauptsächlich in Franken investiert, da wir an einen starken Franken glauben.
Ist das nicht zu langweilig für Ihre Kunden?
Nein, überhaupt nicht. Es gibt viele spannende Unternehmen in der Schweiz, die Weltmarktführer in ihrer Branche sind. Gerade im Small- und Mid-Cap-Bereich hat der Schweizer Markt viele Hidden Champions. Wegen der Grösse unserer Investitionen haben wir bei diesen Unternehmen direkten Zugang zum Management und sind nah dran.
Aber Sie könnten sich mit Blick auf Anlagestrategie und Geschäftsbereiche diversifizieren. Einige Genfer Privatbanken machen das ganz gut, teilweise über Kooperationen. Wäre das etwas?
Wir sind in der Vorsorgeplanung aktiv, im Bereich Finanzplanung oder auch im Stiftungsgeschäft. Zu uns kommt niemand wegen des Adrenalinkicks, sondern wegen unseres langfristigen Vermögensaufbaus. Wir denken nicht in Quartalen, sondern in Generationen; Spekulationen machen wir gar nicht.
Auch zieht es einige Privatbanken aus Genf nach Zürich. Wäre es umgekehrt eine Option für Sie?
Unsere Strategie ist stark auf die Deutschschweiz ausgerichtet, in Genf hätten wir es schwer, da wäre eine jahrzehntelange Aufbauarbeit nötig, denn die Konkurrenz ist gross. Das Gleiche erfahren die Genfer übrigens auch in Zürich, obwohl es hier für alle Platz hat. Wir haben einige Kunden aus dem Welschland, die aus Diskretionsgründen bei uns sind. Aber die betreuen wir von Zürich.
Das Private Banking verändert sich. Welche Fähigkeiten braucht es?
Ein guter Privatbanker braucht eine breite Fähigkeitspalette. Abgesehen vom Grundwissen des Bankgeschäfts und des Investierens braucht es ein breites Wissen in den Bereichen Steuern, Nachlass- und Generationsfragen wie auch in Vorsorgethemen und Finanzierungsfragen. Unsere Kundenberater bilden sich laufend in der ganzheitlichen Beratung aus und können viele Themenfelder abdecken.

«Falls wir eine Stelle ausschreiben müssen, bekommen wir Hunderte Bewerbungen.»
Wie finden Sie denn solche Nachwuchstalente?
Wir haben sehr viel Wissen im Haus, das wir weitergeben. Junge Leute können sich bei uns entwickeln und in ihre Rolle reinwachsen. Neue Mitarbeiter finden wir meist über Empfehlungen.
Schreiben Sie Ihre Stellen nicht aus?
Eher nicht. Falls wir das in Ausnahmefällen doch machen müssen, bekommen wir Hunderte Bewerbungen auf eine Stelle.
Wie wird entschieden, wer welche Kunden betreut?
Wir sind historisch in Familienteams organisiert. Die Familien Rahn, Bodmer und Bidermann betreuen ihre Kunden schon seit mehreren Generationen und sind mit ihren Werten vertraut. Wenn jemand ganz neu zu uns kommt, dann schauen wir gemeinsam, wo es am besten passt. Am Ende darf immer die Kundschaft entscheiden, bei welchem Team sie sich am besten aufgehoben fühlt.
Wie lange sind Ihre ältesten Kunden dabei?
Es gibt eine Familie, die bereits in der sechsten Generation bei uns ist, also über hundert Jahre.
Was genau verstehen Sie unter dem Begriff Familienbank?
Unsere Bank ist seit ihrer Gründung in Familienbesitz. Die Familien sind überall präsent und kennen jeden Mitarbeiter, wir pflegen einen sehr familiären Umgang. Ich bin gerade erst Partner geworden und überlege mir jetzt schon, wann meine Kinder, die zwei Jahre und zwei Monate alt sind, wohl so weit sind, dass sie sich für unser Unternehmen interessieren.
Viele Unternehmen schaffen es maximal bis in die vierte Generation, die ist mit Ihnen jetzt erreicht. Wie, denken Sie, geht es weiter?
Ich bin der älteste in meiner Generation, bald werden Simon Rahn, der dann seine Familie in der fünften Generation vertreten wird, und kurz darauf mein Bruder folgen. Wir sind alle zu 100% committed, und für uns ist klar, wie wir weitermachen. Wir möchten unser Unternehmen an unsere Kinder weitergeben.
Erziehen Sie Ihre Kinder entsprechend?
Sie sind ja noch sehr jung, im Moment mache ich gar nichts, aber sobald ich merke, dass Interesse da ist, werde ich mein Wissen weitergeben und meine Kinder über das Geschäft informieren. Mein Vater hat das extrem gut gemacht, ich hoffe, dass es bei mir auch so gut laufen wird.
Warum ist die Digitalisierung für eine Privatbank wichtig? Ihre Strategie ist ja durch den Fokus auf Aktieninvestments recht einfach, braucht es da aufwendige Apps?
Die nächste Generation Kunden wird anders denken. Sie nutzen die digitalen Kanäle, um den Überblick über ihr Vermögen zu behalten. Doch es darf nie so weit kommen, dass unsere Berater den Kunden sagen, dass sie einen Auftrag selbst per App abwickeln können. Das wäre Retail Banking, und das möchten wir auf keinen Fall. Gutes Private Banking muss der Kundschaft die Arbeit abnehmen, auch wenn es sich nur um einfache Zahlungen handelt. Wir sind der Concierge, wir sagen nie «Mach es selbst über die App».
In der Schweizer Fintech-Szene tut sich einiges. Gibt es interessante Anbieter, die mit Ihnen kompatibel wären, etwa im Bereich Nachhaltigkeit?
Es gibt sehr spannende Private-Banking-Start-ups, aber sie konzentrieren sich auf eine andere Kundschaft als wir. Daher kommt ein Zukauf nicht in Frage.
Auch im Marketing halten Sie sich sehr zurück.
Vor zehn Jahren hatten wir noch keine Marketingabteilung. Heute bewegen wir uns auf Social Media und zeigen auf Linkedin Präsenz. Das passiert alles schrittweise. Doch in erster Linie leben wir von der Mund-zu-Mund-Propaganda. Es ist für uns wertvoller, wenn wir weiterempfohlen werden und neue Kunden uns durch eine Weiterempfehlung kennenlernen. Diesbezüglich sind wir sozusagen der Gegenentwurf zu den grossen Playern wie Pictet oder Lombard Odier.
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